Eine Übersäuerung des Körpers (Azidose) ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. Es gibt keine speziellen Symptome, anhand derer man eine Übersäuerung erkennt und so haben viele Menschen Tag für Tag mit den Folgen einer Azidose zu kämpfen, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein.
Antriebsschwäche, chronische Müdigkeit, Leistungsabfall, Konzentrationsstörungen, Muskel- und Gelenkbeschwerden, Übergewicht, Allergien und Hauterkrankungen – Heutzutage werden eine ganze Reihe von Erkrankungen auf die Übersäuerung des Körpers zurückgeführt. Auch Gicht, Rheuma, Darmerkrankungen und sogar Krebs werden als Folgen einer Übersäuerung heraufbeschworen.
Mittlerweile hat wohl jeder von Begriffen, wie dem Säure-Basen-Haushalt gehört, der stets im Lot sein sollte. Durch die Ernährung führen wir unserem Körper jeden Tag sowohl säure-, als auch basenbildende Lebensmittel zu. Bei der Verdauung und anderen Stoffwechselprozessen entstehen überwiegend saure Endprodukte, mit deren Ausscheidung ein gesunder Körper jedoch nicht überfordert ist. Denn das Säure-Basen-Gleichgewichts wird durch verschiedene Puffersysteme des Organismus gewährleistet.
Dennoch wird in Zeitschriften und Online-Medien oft die Angst vor einer Übersäuerung geschürt. Zur Erkennung einer Azidose werden diverse Tests, wie Harn- oder Hauttests angepriesen, anhand derer man den pH-Wert des Urins, bzw. des Blutes bestimmen kann.
Der pH-Wert gibt an, wie sauer oder basisch eine wässrige Lösung ist. Die Messwert-Skala reicht von 0 bis 14, dabei ist Null extrem sauer (Batteriesäuere) und 14 extrem basisch (Natronlauge). Wasser ist mit einem pH-Wert von 7 neutral und zeigt ein ausgewogenes Verhältnis von Säuren und Basen an.
Doch wie sinnvoll sind solche Tests überhaupt? Kann man anhand der Ergebnisse zuverlässige Aussagen über eine eventuelle Übersäuerung oder Krankheitsbilder treffen? Und welche Messmethode bietet eine zuverlässige Diagnose?
Urinmessung
Sofern keine schwerwiegende Erkrankung Ursache für die Übersäuerung ist (z.B. eine entgleiste Zuckererkrankung oder eine chronische Nierenerkrankung), ist die Prüfung des pH-Wertes im Urin eine prädestinierte Methode zur Diagnose. Mittels eines Teststreifens aus der Apotheke lässt sich der pH-Wert des Urins bestimmen. Der pH-Wert im Urin liegt bei einer normalen Ernährung zwischen 4,6 und 7,5, also eher im sauren Bereich, was aus medizinischer Sicht also völlig normal ist.
Ein Urin-Test beim Arzt oder mit einem Teststreifen aus der Apotheke schafft eine erste Erkenntnis darüber, ob der Körper übersäuert ist. Da der pH-Wert jedoch täglichen starken Schwankungen unterworfen ist, hat eine einzelne pH-Wert-Messung des Urins nur eine bedingte Aussagekraft. Der pH-Wert des Urins ist am Morgen immer höher als am Abend. Um sicher zu gehen, sollte man mehrmals täglich über mehrere Tage hinweg zu denselben Tageszeiten eine pH-Wert-Messung im Urin durchführen. Sollten die pH-Werte immer im sauren Bereich liegen, kann dies auf eine Übersäuerung hinweisen.
Allerdings decken die Teststreifen aus der Apotheke den Normalbereich der Urin-pH-Werte ab, sodass die ermittelten Messwerte i.d.R. keinen Grund zur Besorgnis geben müssen, bzw. auf eine Übersäuerung des Organismus hinweisen müssen.
Bei Patienten mit erhöhter Harnsäureausscheidung können Teststreifen zur Bestimmung des pH-Werts von Urin jedoch medizinisch sinnvoll sein. Bei entsprechender Veranlagung können sich in saurem Urin nämlich Harnsäuresteine bilden, der durch Einnahme von Bicarbonat- oder Zitratsalze vorgebeugt wird. Anhand der Teststreifen können solche Patienten ihren Urin in regelmäßigen Abständen selbst testen. Dieser seltene Sonderfall sollte jedoch durch einen Arzt angeordnet und überwacht werden.
Hauttest
Neben dem Urintest ist der sogenannte „Toxikator“ ein weiteres Produkt aus der Apotheke, mit dem man sich selbst auf eine Übersäuerung hin testen kann. Der Teststift wird auf der Haut aufgetragen, indem in der Armbeuge ein blauer Streifen aufgemalt wird. Ein Farbumschlag von Blau nach Rot soll einen Säureüberschuss anzeigen, dabei zeigt die Schnelligkeit der Verfärbung an, ob eine Übersäuerung und oder Mineralstoff – Vitaminmangel vorliegt. Doch ebenso, wie beim Urin, ist auch die Haut des Menschenmit einem durchschnittlichen pH-Wert von 5,5 leicht sauer. Grund hierfür ist der Säureschutzmantel der Haut – ein feiner wasser- und fetthaltiger Film, der die Haut vor bakteriellen Infektionen schützt und dafür sorgt, dass sie elastisch bleibt und nicht austrocknet.
Bei einer gesunden Haut reguliert sich der Säure-Basen-Status weitgehend unabhängig von anderen Stoffwechselprozessen des Körpers. Durch Kosmetikprodukte, wie Seifen, Lotionen ist der Säureschutzmantel der Haut jedoch tagtäglich äußeren Einflüssen unterlegen, sodass ein Säuretest der Haut wenig sinnvoll ist.
Sowohl der Urin, als auch die Haut sind naturgemäß leicht sauer und weisen einen sauren pH-Wert auf. Ein Urintest oder Toxikator sind daher aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll, da sie keine verlässlichen Erkenntnisse über Krankheiten oder eine Übersäuerung des Organismus liefern, sondern eher verunsichern.
Blutwert-Messung
Eine Methode, um Schwankungen des Säure-Basen-Haushalts festzustellen, ist die Messung des pH-Wertes im Blut. Bei einem gesunden Menschen wird der pH-Wert des Blutes durch verschiedene Puffer- und Regulationssysteme in sehr engen Grenzen konstant gehalten. Im arteriellen Blut gilt ein pH-Wert von 7,35 bis 7,45 als normal.
Fällt der pH-Wert unter einen bestimmten Grenzwert (ca. 7,35), so entsteht eine Übersäuerung (Azidose), liegt er zu hoch (ca. 7,45), spricht man von einer Untersäuerung (Alkalose). Werden im Blut pH-Werte unter 6,8 oder über 7,8 gemessen, weist dies auf Folgen einer hochgradigen Stoffwechselentgleisung hin, die zu schwerwiegenden Komplikationen führen kann.
Bei Azidosen unterscheidet man zwischen der atmungsbedingten Übersäuerung (respiratorische Azidose) und der stoffwechselbedingten Übersäuerung (metabolischen Azidose). Eine Übersäuerung entsteht durch Überproduktion saurer Stoffwechselprodukte, die z.B. durch eine zu geringe Abatmung von Kohlenstoffdioxid, chronische Niereninsuffizienz, diabetischer Stoffwechselentgleisung oder einen Kreislaufschock hervorgerufen werden kann.
Bei einer Übersäuerung handelt es sich also in den meisten Fällen um schwerwiegende Komplikationen unterschiedlicher Krankheiten, die eine lebensbedrohliche Situation hervorrufen können und daher auch eine intensivmedizinische Behandlung erfordern.
Auch lang anhaltende Hungerzustände, Alkoholmissbrauch und starke Durchfälle können die Säure-Basen-Regulationssysteme des Körpers überfordern. Bei der Therapie einer chronischen Azidose steht auf langfristige Sicht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Fazit
Anhand des Urinteststreifens lassen sich keine Krankheiten erkennen, auch deutet ein „saures“ Ergebnis nicht zwangsläufig auf eine Stoffwechselschwäche des Körpers hin. Denn sowohl Urin, als auch die Haut sind naturgemäß leicht sauer. Auch Hauttests sind überflüssig und können eher zu irreführenden und verunsichernden Rückschlüssen führen. Krankheiten lassen sich anhand der Verfärbung jedenfalls nicht feststellen.
Im Normalfall und sofern keine ersthaften Erkrankungen vorliegen, ist der Körper eines gesunden Menschen durchaus imstande, mit der Säureausscheidung zurechtzukommen. Schließlich ist auch eine zentrale Aufgabe des Stoffwechsels. Eine Übersäuerung ist in den meisten Fällen auf andere, ernsthaftere Erkrankungen zurückzuführen. Eine aussagekräftige Diagnose über eine mögliche Azidose liefern nur die Blutwerte.
Ein Urintest ist außer bei Harnsäuresteinen aus medizinsicher Sich wenig sinnvoll, ebenso wenig, wie Hauttests. Auch Nahrungsergänzungsmittel, wie Basen-Tabletten oder Basen-Pulver sollten nicht ohne ärztliche Anordnung eingenommen werden. Wer den Verdacht einer Übersäuerung hat, sollte nicht auf eigene Faust agieren, sondern sich vom Arzt untersuchen lassen. Dies erspart nicht nur Fehldiagnosen, unnötige Ängste und jede Menge Verunsicherung, sondern auch viel Geld.
Bildquelle: Uwe Gille |Weitergabe: © Creative Commons-Lizenz
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