Der Begriff „Protein“ leitet sich von dem griechischen Wort „proteuo“ (den ersten Platz einnehmen, überlegen sein) ab. Bereits die Wortherkunft unterstreicht die Bedeutung der Proteine für das Leben. Sie sind die häufigsten Makromoleküle in lebenden Organismen und an allen lebenswichtigen Funktionen beteiligt.
Proteine sind wahre Multitalente, die die unterschiedlichsten Aufgaben im menschlichen Körper erfüllen. Strukturproteine, wie Keratin in Haaren und Fingernägeln, Kollagen im Bindegewebe und Elastin, das für die Dehnungsfähigkeit großer Blutgefäße sorgt, geben Zellen ihre Form und Geweben ihre Festigkeit.
Kontraktile Proteine, wie Aktine und Myosine, verändern in den Muskeln ihre Form, sorgen dadurch für Muskelkontraktion und machen damit Bewegung erst möglich. Transportproteine übernehmen – wie der Name bereits verrät – den Transport körperwichtiger Substanzen. So ist z.B. Hämoglobin für den Sauerstofftransport und Transferrin für den Eisentransport im Blut zuständig.
Eiweiß wird im menschlichen Organismus auch benötigt, um bestimmte Stoffe zu speichern (Stichwort Speicherproteine). Bei überschüssiger Proteinzufuhr können Aminosäuren in begrenztem Umfang gespeichert oder zur Energiegewinnung verbrannt werden. Beispielsweise stellt das Eisenspeicherprotein Ferritin (Depot-Eisen) einen Proteinkomplex dar, der als Speicherstoff für Eisen dient.
Proteine erfüllen im Körper auch eine schützende Funktion. So zählen Antikörper, die im Dienste des Immunsystems stehen, zu den Proteinen – genauer gesagt zu den „Glykoproteinen“, die aus einem Protein und einer oder mehreren Kohlenhydratgruppen bestehen. Ein weiteres Schutzprotein ist Fibrinogen (ebenfalls ein Glykoprotein), das eine zentrale Rolle in der Blutgerinnung spielt. Soll z.B. eine Blutung gestoppt werden und das Blut gerinnen, wird Fibrinogen unter Einfluss des Enzyms Thrombin in Fibrin umgewandelt, welches sich netzförmig über die Wunde legt und sie verschließt.
Die am häufigsten im Blutplasma vorkommenden Blutproteine werden unter dem Sammelbegriff Plasmaproteine zusammengefasst. Plasmaproteine erfüllen im Blutplasma eine Reihe von Aufgaben. Dazu zählen u.a. die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks (Druck, welcher innerhalb des Gefäßes von den Eiweißmolekühlen erzeugt wird), des Blut-pH-Wertes (Blutpuffer; sehr komplexes Puffersystem des Blutes) und der Transport von wasserunlöslichen Stoffen, Hormonen und Enzymen. Auch in der Homöostase (Selbstregulation des Körpers), der bereits erwähnten Blutgerinnung und im Immunsystem (Antikörper), sowie im Verlauf von Entzündungen spielen Plasmaproteine eine wichtige Rolle.
Einige (i.d.R. kleinere Proteine) steuern als Hormone Vorgänge im Körper. So entstehen durch Proteinbiosynthese sog. Proteohormone und Peptidhormone. Dabei handelt es sich um spezielle Proteine, die Hormon- bzw. Botenfunktionen ausüben, welche wiederum bestimmte Regelungen im menschlichen Körper bewirken. Sehr bekannte, zu den Proteinen zählende Hormone sind Insulin (senkt den Blutzuckerspiegel) und Glucagon (erhöht den Blutzuckerspiegel).
Enzyme – Biokatalysatoren, die biochemischen Reaktionen im Körper beschleunigen – sind fast ausnahmslos Proteine. Alle Zellen des Körpers enthalten Enzyme. Nahezu jede biochemische Reaktion (ob im Stoffwechselgeschehen, bei der Reizaufnahme und -weitergabe oder bei der Verteidigung des eigenen Organismus) wird von Enzymen bewerkstelligt und kontrolliert. Enzymdefekte können fatale Folgen haben und zur Überempfindlichkeit gegenüber gewissen Stoffen, Nahrungs- oder Arzneimitteln (Idiosynkrasie) oder schwerwiegenden Krankheiten und Entwicklungsverzögerungen führen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: ohne Proteine geht es nicht. Ob Schutz und die Verteidigung gegen Mikroorganismen, Körperstruktur und Bewegung, Stoffumsatz (Metabolismus), Transport körperwichtiger Substanzen und Signalfunktion oder Reservestoff für schlechte Zeiten – Proteine haben im Körper eine Vielzahl an sehr speziellen Funktionen inne.
Protein – ein essentieller Nährstoff
Proteine, umgangssprachlich auch Eiweiße genannt, stellen neben Fett einen essentiellen Hauptnährstoff dar. Wie Fett und Kohlenhydrate zählen sie zu den Makronährstoffen.
Dabei nehmen Proteine eine Sonderstellung ein. Der Unterschied zwischen Proteinen und Kohlenhydraten oder Fetten ist, dass Proteine neben den Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O), auch noch Stickstoff (N) enthalten. Die beiden Aminosäuren Methionin und Cystein besitzen außerdem ein Schwefelatom (S) und werden auch als „schwefelhaltige Aminosäuren“ bezeichnet.
Da der Mensch nicht in der Lage ist, Stickstoff aus anorganischen Stoffen oder aus der Luft für den Aufbau von körpereigenem Eiweiß heranzuziehen, müssen Proteine mit der Nahrung aufgenommen werden. Dabei ist nicht das Protein selbst lebenswichtig, sondern seine Bausteine – die Aminosäuren –, von denen jede mindestens ein Stickstoff-Atom enthält.
Mit einem Anteil von ca. 60 Prozent ist die Muskulatur der „Hauptspeicher“ für Proteine bzw. Aminosäuren. Ein Kilogramm Muskulatur setzt sich aus etwa 70 Prozent Wasser, 22 Prozent Protein und 7 Prozent Fett zusammen. Jedoch darf die Muskelmasse nicht als Speicher im eigentlichen Sinne (wie z.B. der Fettspeicher) angesehen werden. Denn im Gegensatz zum Abbau körpereigener Fettdepots ist nach dem Abbau von Muskulatur die Funktion (z.B. Bewegung) nicht mehr möglich.
Etwa die Hälfte der Proteine im erwachsenen menschlichen Körper entfallen auf das Muskelgewebe. Jeweils ein Viertel liegt im Bindegewebe (in Form von Elastin und Kreatin) vor oder findet sich in den inneren Organen und im Blut wieder.
Welche proteinogenen Aminosäuren gibt es?
Bei der Proteinbiosynthese werden üblicherweise 20 verschiedene Standard-Aminosäuren eingebaut:
Essentielle Aminosäuren: | Lysin, Threonin, Valin, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin, Tryptophan, Methionin, Histidin* |
Semi-essentielle Aminosäuren: | Tyrosin, Cystein |
Nicht essentielle Aminosäuren: | Arginin**, Serin**, Alanin, Glycin, Prolin, Asparaginsäure, Asparagin, Glutaminsäure, Glutamin |
** längerfristig bei Säuglingen und Kleinkindern |
Die Bezeichnungen der Aminosäuren leiten sich häufig von pflanzlichem oder tierischem Material ab, aus denen sie erstmals isoliert wurden. So geht der Name Arginin auf das lateinischen Wort argentum (Silber) zurück, da die Aminosäure zuerst als Silber-Salz isoliert werden konnte. Die Aminosäure Asparagin wird hingegen vom lateinischen Namen „Asparagus“ für den Spargel abgeleitet, da sie beim Eindampfen von Spargelsaft entdeckt wurde.
Die Isolierung von Glutaminsäure gelang erstmals durch den schwefelsauren Aufschluss von Kleberproteinen (Gluten) aus Getreide. und Tyrosin wurde erstmals aus Käse (griech. „tyrí“) isoliert.
In der Natur sind bisher etwa 500 Aminosäuren bekannt, die biologische Funktionen ausüben. Jedoch sind am Aufbau der Proteine im menschlichen Körper nur 20 „proteinogene“ bzw. proteinbildende Aminosäuren beteiligt, die im menschlichen Erbgut für Proteine codiert sind.
Manchmal wird das Selenocystein als 21. proteinogene Aminosäure bezeichnet. Nicht-proteinogene Aminosäuren dienen nicht als Bausteine für Proteine und übernehmen anderen Aufgaben.
Alle proteinogenen Aminosäuren bestehen aus einem zentralen C-Atom (α-C-Atom), einer Carboxylgruppe (–COOH), einer Aminogruppe (–NH2), einem Wasserstoffatom (–H) und einem organischen Rest (R) bzw. einer unterschiedlichen Seitenkette, die für jede Aminosäure charakteristisch ist:
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Aminosäuren liegen lediglich in der Seitenkette (dem hier lilafarbenen „Rest“). Dieser organische Rest hat je nach Aminosäure eine unterschiedliche Struktur, Größe, elektrische Ladung und Wasserlöslichkeit, sodass die verschiedenen Aminosäuren aufgrund ihrer Seitenketten alle unterschiedliche chemische und physikalische Eigenschaften aufweisen.
Bei 20 vorliegenden Aminosäuren ergeben sich eine enorme Menge an Möglichkeiten, verschiedene Verknüpfungen herzustellen. Die Aminosäureketten können eine Länge von bis zu mehreren tausend Aminosäuren haben.
Allerdings werden Aminosäureketten mit einer Länge von unter ca. 100 Aminosäuren als Peptide bezeichnet. Polypeptidketten mit über 100 Aminosäuren nennt man schließlich Proteine, wobei die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen nicht so genau feststeht und für ein Protein noch weitere Voraussetzungen (wie etwa eine bestimmte Proteinfaltung) notwendig sind.
Durch die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Aminosäuren miteinander zu verknüpfen, ergeben sich vielfältige Proteinvariationen, die wiederum verschiedenen Funktionen im Körper ausüben und z.B. als Enzyme, Hormone, Antikörper, Transporter und vieles mehr fungieren können. Die Proteinstrukur ist somit entscheidend für die Funktion im Organismus und den Wert in der Ernährung.
Von besonderer Bedeutung sind die sog. essentiellen Aminosäuren.
Welche Aminosäuren sind essentiell?
Der Körper ist auf die 20 proteinogen Aminosäuren absolut angewiesen (für die 21. proteinoge Aminosäure gilt das nur sehr eingeschränkt). Fehlt eine Aminosäure bzw. wird ein daraus gebildeter körpereigener Wirkstoff (z.B. ein Hormon) nicht mehr ausreichend gebildet, so können wichtige Körperfunktionen nicht mehr optimal gewährleistet werden.
Jedoch sind nicht alle 20 proteinogen Aminosäuren deswegen automatisch essentiell bzw. lebensnotwendig, da der Körper in der Lage ist, sich viele Aminosäuren aus Zwischenprodukten des Stoffwechsels selbst herzustellen. So können Aminosäuren über den Prozess der sog. Transaminierung (Umbaureaktionen) ineinander umgewandelt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die entsprechende „α-Ketosäure“ vom Organismus synthetisiert werden kann. Eine α-Ketosäure entsteht, wenn einer Aminosäure die Aminogruppe entnommen wird. Wird umgekehrt eine Aminogruppe auf eine Ketosäure übertragen, so entsteht eine neue Aminosäure.
Unter den Aminosäuren unterscheidet man solche, die im Stoffwechsel von Pflanzen, Mikroorganismen, Tieren und Menschen aus Kohlenstoffskeletten und Ammoniak synthetisiert bzw. gebildet werden können und solchen, deren Bildung nur in Pflanzen und Mikroorganismen, jedoch nicht mehr in der tierischen und menschlichen Zelle möglich ist. Letztere nennt man essentiell.
Essentielle Aminosäuren können nicht vom Organismus gebildet werden, da ihre Synthese relativ umständlich ist und im Laufe der Evolution dafür notwendige Enzyme verloren gegangen sind. Bei ihnen ist der Organismus darauf angewiesen, dass sie (oder ihre Vorstufen) mit der Nahrung zugeführt werden, da sie nicht oder nur unzureichend vom Körper synthetisiert werden können. In dem Fall übernehmen Pflanzen und Mikroorganismen die Herstellung der essentiellen Aminosäuren, die wir dann von außen aufnehmen.
Die Einteilung der Amonosäuren in „essentiell“, „semi-essentiell“ und „nicht-essentiell“ wird in der Literatur z.T. kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht darüber, dass folgende acht Aminosäuren als essentiell gelten: Valin, Leucin und Isoleucin (denn der Körper kann keine verweigtkettigen Aminosäuren bzw. BCAAs synthetisieren), sowie Phenylalanin, Tryptophan, Lysin, Methionin und Threonin.
Bei der Aminosäure Histidin war die Frage „essentiell oder nicht?“ lange Zeit umstritten und ist sie heute z.T. immer noch. Für Säuglinge ist Histidin auf jeden Fall als essentiell. Mittlerweile wird die Aminosäure in vielen Quellen auch für den erwachsenen Menschen als essentiell eingestuft, da der menschliche Organismus Histidin nicht in ausreichendem Maße selbst synthetisieren kann und eine längerfristige histidinfreie Ernährung zu Mangelerscheinungen führt. In dem Fall würde die Anzahl an essentiellen Aminosäuren auf neun steigen.
Ganz streng genommen sind nur die Aminosäuren Lysin und Threonin absolut essentiell. Denn von den traditionell als essentiell bezeichneten acht Aminosäuren können sechs aus ihren entsprechenden α-Ketosäuren im Körper synthetisiert werden. α-Ketosäuren sind somit in der Lage, proteinogene Aminosäuren in der Nahrung zu ersetzen.
Die sechs Aminosäuren, bei denen das möglich ist, gelten daher nicht als essentiell im strengeren Sinne. „Essentiell“ sind bei ihnen nur die Kohlenstoff-Skelette der jeweiligen Ketosäuren. Lysin und Threonin sind die einzigen Aminosäuren, die nicht aus ihren α-Ketosäuren hergestellt werden können. Sie werden irreversibel transaminiert bzw. umgebaut und sind folglich als eigentliche essentiellen oder „absolut essentiellen“ Aminosäuren zu bezeichnen.
Neben den essentiellen Aminosäuren gibt es weitere, die als „semi-essentiell“ bzw. bedingt-essentiell gelten. Diese Gruppe von Aminosäuren ist nur deshalb nicht-essentiell, weil sie aus anderen Aminosäuren synthetisiert werden können. So sind z.B. Tyrosin und Cystein semi-essentiell, da sie nur beim Abbau essentieller Aminosäuren entstehen (Tyrosin beim Abbau von Phenylalanin und Cystein beim Abbau von Methionin).
Unter veränderten Stoffwechselbedingungen und bei raschem Wachstum können auch diese Aminosäuren absolut essentiell werden. So ist es beispielsweise Patienten mit Phenylketonurie – einer der häufigsten angeborenen Stoffwechselstörungen – nicht möglich, die Aminosäure Phenylalanin abzubauen. Durch den fehlenden Stoffwechselpfad zum Tyrosin tritt ein relativer Mangel an dieser (eigentlich nicht essenziellen Aminosäure auf), die nun wiederum über die Nahrung aufgenommen werden muss.
Die Unterteilung in „semi-essentielle“ und „nicht-essentielle“ Aminosäuren ist in der Literatur z.T. abweichend, wobei Tyrosin und Cystein i.d.R. immer als semi-essentiell eingestuft werden. Jedoch können (neben Tyrosin und Cystein) unter Umständen auch noch weitere Aminosäuren bedingt lebensnotwendig sein, so z.B. Arginin bei Säuglingen, Kleinkindern und Schwerstkranken oder Serin bei chronischem Nierenversagen.
Alle übrigen Aminosäuren können entweder direkt synthetisiert bzw. vom Körper „gebaut“ oder aus anderen (essentiellen) Aminosäuren durch Modifikation/ Umwandlung gewonnen werden. Zu den nicht-essentiellen Aminosäuren, die der Organismus aus leicht zugänglichen Vorstufen und mit ausreichender Geschwindigkeit selbst herstellen kann, gehören Alanin, Glycin, Prolin, Asparagin, Aparaginsäure, sowie Glutamin und Glutaminsäure.
Für Säuglinge und Kleinkinder sind – streng genommen – nur Alanin, Asparagin, Aparaginsäure, Glutamin, Glutaminsäure und Serin nicht-essentiell.
Proteine in der Ernährung
Die Energiedichte von Proteinen ist mit 4,1 kcal je Gramm (17,2 kJ) genauso hoch wie bei Kohlenhydraten. Doch was passiert mit dem Eiweiß nach der Nahrungsaufnahme?
Da sich im Speichel kein Protein verdauendes Enzym befindet, beginnt die Proteinverdauung nicht bereits im Mund, sondern im Grund genommen erst im Magen. Dort wird unter Einwirkung der Salzsäure das Verdauungsenzym Pepsin (aus einer inaktiven Vorstufe, dem Pepsinogen) gebildet. Pepsin ist für den Abbau von mit der Nahrung aufgenommenen Eiweiße zuständig und spaltet die Proteine innerhalb ihrer Aminosäurekette. Auf diese Weise entstehen sog. „Polypeptide“ (mit über 100 Aminosäuren).
Die Polypeptide gelangen jetzt nach und nach in den Zwölffingerdarm, wo sie den Enzymen Trypsin und Chymotrypsin der Bauchspeicheldrüse ausgesetzt sind. Diese proteolytischen Enzyme (Proteolyse = „Auflösung“) spalten die Polypeptide innerhalb ihrer Aminosäurekette in sog. „Oligopeptide“ (unter 10 Aminosäuren).
Die verbliebenen, kleinen Oligopeptide werden zu guter Letzt im Dünndarm durch andere Enzyme (sog. Aminopeptidasen) in einzelne Aminosäuren aufgespalten und können so als Material für den Aufbau körpereigener Eiweiße zu dienen.
Als Energiequelle setzt der Körper Proteine erst bei langen Ausdauerbelastungen und reduziertem intramuskulären Glykogenspeicher ein. So liegt der Anteil der oxidativen Energiebereitstellung aus Proteinen im Ruhezustand bei nur etwa 2 Prozent. Beim Fasten (Glykogenmangel) und bei lang andauernder körperlicher Belastung kann der Anteil der Proteinoxidation an der Energiebereitstellung auf 10 bis maximal 15 Prozent ansteigen.
Proteine spielen im Energiestoffwechsel somit nur eine untergeordnete Rolle. Unter Belastung verbrennt der Körper zuerst Glykogen aus Muskeln und Leber, bevor im Rahmen der Lipolyse (Fettspaltung) auch Fette metabolisiert werden. Jedoch lässt sich durch den Proteinabbau – insbesondere bei starker Beanspruchung – die Aufrechterhaltung des Energiestoffwechsels gewährleisten.
Wird beispielsweise länger als zwei Stunden Sport getrieben und dabei keine Energie aufgenommen, ist die Leber im Rahmen der sog. „Gluconeogenese“ in der Lage, aus Nichtzuckern, wie glucogenen Aminosäuren, Lactat und Glycerin (aus dem Fettabbau) Glucose, also Einfachzucker aufzubauen.
Zu diesen „glucogenen Aminosäuren“, deren Abbauprodukte für die Gluconeogenese verwendet werden können, zählen insbesondere Alanin, Glycin, Serin und Cystein. Bis auf zwei Ausnahmen sind alle proteinogen Aminosäuren glucogen.
Lediglich Leucin und Lysin stellen reine „ketogene“ Aminosäuren dar, da sie zu Ketonkörpern abgebaut und nicht für die Gluconeogenese verwendet werden können. Die Aminosäuren Phenylalanin, Isoleucin, Tryptophan, Tyrosin und Threonin weisen sowohl glucogene, als auch ketogene Eigenschaften auf.
Somit lässt sich zusammen: beim Abbau von proteinogenen Aminosäuren entstehen Endprodukte, die in Glucose umgewandelt werden können. Mengenmäßig stellen glucogene Aminosäuren die wichtigsten Vorstufen der Gluconeogenese dar.
Der Anteil der Energiebereitstellung an der Gesamtenergiemenge unter Belastung liegt bei Proteinen insgesamt bei maximal 10 bis 15 Prozent der gesamt umgesetzten Energiemenge. Der Zugriff auf die Aminosäuren hängt dabei von Dauer und Intensität der Belastung ab. Generell gilt: je höher die Intensität, umso höher der prozentuale Zugriff.
Negative Kohlenhydrat-Bilanzen, eine Minderversorgung mit Aminosäuren, sowie eine chronische kalorische Unterversorgung fördern den erhöhten Abbau von funktionellem Protein (vor allem in Form von Muskeleiweiß) und damit den Abbau von Muskelzellen.
Protein ist nicht gleich Protein
Proteine sind sowohl in tierischen, als auch in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten. Jedoch ist nicht jedes Protein qualitativ gleichwertig. Die Qualität eines Nahrungsproteins hängt davon ab, in welches Maße es die für das Wachstum, die Aufrechterhaltung und Reparatur von proteinhaltigen Strukturen notwendige Menge an Aminosäuren zur Verfügung stellen kann. Diese Fähigkeit wird zum einen durch die Verdaulichkeit und zum anderen durch die Aminosäurenzusammensetzung des Proteins bestimmt.
Zur Beurteilung der Proteinqualität reicht es daher nicht aus, den Proteingehalt je 100 g – welcher eine Standardangabe in den meisten Nährwerttabellen ist – zu vergleichen. Zur Bestimmung der Eignung eines Proteins zur Biosynthese und damit seiner Qualität, muss auf andere Methoden zurückgegriffen werden.
Zwei anerkannte und häufig angewandte Methoden sind die biologische Wertigkeit (BW) und der Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS).
Biologische Wertigkeit (BW)
Die biologische Wertigkeit (BW) gibt an, mit welcher Effizienz Nahrungsproteine in körpereigene Proteine umgesetzt werden können. Untersuchungen am Menschen haben gezeigt, dass die minimale, für eine ausgeglichene Stickstoffbilanz erforderliche Proteinmenge (eine ausreichende Energiezufuhr und stabile Stoffwechsellage vorausgesetzt), von der Aminosäurenzusammensetzung der zugeführten Proteine abhängt.
Dabei gilt: je ähnlicher die Nahrungsproteine den körpereigenen Proteinen in ihrer Aminosäurenzusammensetzung sind, desto weniger Nahrungsproteine werden für deren Aufbau benötigt und umso höher ist die biologische Wertigkeit. Der Gehalt an essentiellen Aminosäuren spielt dabei eine besondere Rolle.
Als Referenzwert dient meist Vollei (BW = 100), da es zum Zeitpunkt der Definitionsfindung die Proteinquelle mit der höchsten bekannten biologischen Wertigkeit war. Dabei ist jedoch zu beachten, das der Wert 100 nicht bedeutet, dass das Protein aus Vollei zu 100 Prozent in körpereigenes Protein umgewandelt werden kann. Die tatsächliche Menge an Protein, die der Körper herstellen kann, liegt deutlich unter 100 Prozent.
Nach dem Konzept des Mediziners Karl Thomas definiert sich die biologische Wertigkeit anhand der Stickstoffmenge, die im Körper verbleibt. Die Berechnung erfolgt wie folgt:
BW = Retinierte N-Menge (im Körper zurückgehaltene Stickstoffmenge)/ Absorbierte N-Menge (im Körper aufgenommene Stickstoffmenge) x 100
Beispiel: Angenommen, bei einer Eiweißzufuhr von 100 g verbleiben 80 g im Körper und werden in körpereigenes Eiweiß umgebaut werden. Dann beträgt die biologische Wertigkeit 80 / 100 * 100 = 80.
Geht man von der ursprünglichen Bedeutung der biologischen Wertigkeit nach Thomas aus, sind Werte über 100 nicht möglich. Denn das würde bedeuten, dass der Körper mehr körpereigenes Eiweiß erzeugen kann, als ihm zugeführt wurde – wäre schön, geht aber beim besten Willen nicht. Demzufolge kann die biologischen Wertigkeit den Wert 100 niemals überschreiten.
Dennoch findet man in der Literatur z.T. Lebensmittel oder Nahrungsmittel-Kombinationen, die eine biologische Wertigkeit von über 100 aufweisen. Hierbei handelt es sich genau genommen nicht um die biologische Wertigkeit, sondern um den sogenannten „Aminosäureindex“ (engl. amino acid score; AAS) oder „Chemical Score“ (CS).
Exkurs: Aminosäureindex (AAS)/ Chemical Score (CS)
Während es sich bei der biologischen Wertigkeit um ein – wie der Name bereits verrät – biologisches Verfahren zur Bestimmung der Proteinqualität handelt, wird der Aminosäureindex bzw. Chemical Score anhand eines chemischen Verfahrens bestimmt.
Auch beim Aminosäureindex werden die Aminosäuren in einem Nahrungsmittel mit denen in einem Referenzprotein (häufig auch hier das Vollei) verglichen. Der Wert für den Chemical Score ergibt sich dabei aus nur einer ganz bestimmten Aminosäure.
Die essentielle Aminosäure in einem Testprotein, also dem Nahrungsprotein, die im Vergleich zum Referenzprotein (z.B. Vollei) am schlechtesten abschneidet (limitierende Aminosäure), begrenzt den Wert des Gesamtproteins hinsichtlich seiner Aufbauqualität für den Körper.
Die Formel zur Berechnung des Aminosäureindex lautet:
AAS = Konzentration einer limitierenden Aminosäure im Testprotein/ Nahrungsprotein (in mg/ g Protein)/ Konzentration derselben Aminosäure im Referenzprotein, z.B. Vollei (in mg/ g Protein)
Beispiel: 100 g Vollei enthalten 912 mg Lysin. Die gleiche Menge Weizen weist jedoch nur 309 mg Lysin auf. Der Lysingehalt des Weizenproteins beläuft sich damit nur rund 34 Prozent des Lysingehalts im Volleiprotein. Demnach beträgt der Chemical Score für Weizen: (309/912) * 100 = 34.
Der über diese simple Rechnung ermittelte Aminosäureindex oder Chemical Score darf jedoch nicht mit der über biologische Bestimmungsverfahren ermittelten biologischen Wertigkeit verwechselt werden. In der Praxis werden Werte für die biologische Wertigkeit und den Chemical Score gelegentlich in einen Topf geworfen – obwohl eine direkte Vergleichbarkeit aufgrund der unterschiedlichen Bestimmungsmethoden nicht gegeben ist.
Bei der chemischen Wertermittlung sind durchaus Werte über 100 möglich, jedoch sind diese rechnerisch ermittelt. Wie bereits erwähnt, kann es eine biologische Wertigkeit über 100 nicht geben. Einen Chemical Score von über 100 hingegen schon.
Nachteil: Der Chemical-Score bzw. Aminosäureindex berücksichtigt nicht, wie gut der Mensch ein bestimmtes Nahrungsmittel verdauen kann. Die individuell unterschiedliche Verdaulichkeit der Nahrungsproteine schwankt normalerweise zwischen 94 und 98 Prozent bei tierischen Proteinen und 75 bis 85 Prozent bei pflanzlichen Proteinquellen. Da Aminosäureindex auf chemischen Untersuchungen des Proteins beruht, bleibt die Möglichkeit, dass ein oder mehrere essentielle Aminosäuren biologisch nicht verfügbar sind, unberücksichtigt.
Generell ist tierisches Protein, z.B. aus Fleisch, Fisch, Ei oder Milchprodukten, besser verwertbar bzw. „höherwertiger“ als pflanzliches Protein (z.B. aus Hülsenfrüchten oder Getreide), da dessen Aminosäurenzusammensetzung derjenigen des körpereigenen Proteins ähnlicher ist. Entscheidend hierbei ist also, inwieweit das Aminosäuremuster des Nahrungsproteins dem Bedarfsmuster an einzelnen Aminosäuren entspricht.
Je höher die biologische Wertigkeit, umso geringer ist die für das Eiweißgleichgewicht erforderliche Zufuhr. Es wird also eine geringere Menge an Proteinen benötigt, um den Proteinbedarf des Körpers zu decken.
Die biologische Wertigkeit wird maßgeblich von der sog. „limitierenden Aminosäure“ bestimmt. Dabei handelt es sich um eine essentielle Aminosäure, die in einem Nahrungsprotein in der geringsten Menge enthalten ist (am weitesten unter dem Bedarfsmuster liegt) und somit die Proteinqualität bzw. biologische Wertigkeit begrenzt. Kommt eine Aminosäure zu kurz, zieht das die biologische Wertigkeit herunter.
Die biologische Wertigkeit wird im allgemeinen limitiert durch: Lysin (Defizit bei Proteinen aus Getreide und anderen pflanzlichen Quellen), Methionin (Defizit bei Proteinen aus Kuhmilch, Rindfleisch und Hülsenfrüchten), Threonin (Defizit bei Roggen und Weizen) und Tryptophan (Defizit bei Casein, Mais und Reis).
Man muss sich das wie bei einem Rezept vorstellen. Für acht Pfannkuchen werden z.B. 150 g Mehl, 250 ml Milch und 2 Eier benötigt. Diese Zutaten hat meistens jeder im Haus. Die Frage ist nun: Wie viele Pfannkuchen lassen sich aus den Vorräten herstellen, bis eine der Zutaten zur Neige geht? Vielleicht hat man noch genügend Mehl und Milch, dafür jedoch keine Eier mehr im Haus. In dem Fall würden die Eier die „limitierende Aminosäure“ darstellen, da die Zubereitung weiterer Pfannkuchen an eben dieser Zutat scheitert.
In unseren Nahrungsproteinen treten praktisch nur vier limitierende Aminosäuren auf: Lysin, Threonin, Tryptophan und Methionin. Davon sind wichtige pflanzliche Proteinquellen betroffen: Getreide (Lysin, evtl. Threonin), Mais und Reis (Tryptophan), sowie Hülsenfrüchte und Kartoffeln (Methionin, evtl. Cystein). In Fleisch und Milch ist Methionin eine limitierende Aminosäure.
Die folgende Tabelle zeigt die biologische Wertigkeit einiger tierischer und pflanzlicher Proteinquellen. Tatsächlich können die Werte – je nach Quelle – variieren. Die Angaben für die biologische Wertigkeit der Lebensmittel stimmen in der Literatur nicht exakt überein.
Werte über 100 (z.B. beim Whey Protein) oder wie in diesem Beispiel ein Whey Protein Isolat mit einer „biologischen Wertigkeit“ von 170 (!) weisen vielmehr auf eine Berechnung nach dem Chemical Score, als auf die biologische Wertigkeit im Sinne der klassischen Definition hin.
Bei allen Angaben zur Proteinqualität ist es wichtig, dass die Bestimmungsmethode und das Referenzprotein klar und deutlich ausgewiesen werden. Leider ist das in der Literatur nicht immer der Fall. Oftmals wird von „biologischer Wertigkeit“ gesprochen, obwohl es sich um rein rechnerisch ermittelte Werte handelt. Nicht überall wird die ursprüngliche Definition der biologischen Wertigkeit nach Thomas angewandt.
Daher ist ein direkter Vergleich der in der folgenden Tabelle zusammelten biologischen Wertigkeit einzelner Lebensmittel nicht immer gegeben, da sie aus mehreren Quellen stammen, welche wiederum häufig andere (z.T. rein rechnerische) Bewertungsmaßstäbe ansetzten. Dies sollte man bei der Betrachtung berücksichtigen.
Jedoch lässt sich anhand der Tabelle eine deutliche Tendenz erkennen, dass tierische Proteine meist „höherwertiger“ eingestuft werden. Denn die Zusammensetzung der einzelnen Aminosäuren für die Proteinsynthese entspricht eher dem menschlichen Bedarf als bei pflanzlichen Quellen.
Tabelle: Biologische Wertigkeit ausgewählter Lebensmittel |
|
---|---|
Lebensmittel | Biologische Wertigkeit |
Whey Protein (konzentriertes Molkenprotein) | 100-104 |
Vollei (Referenzwert) | 100 |
Speisequark | 98 |
Fisch | 94 |
Milchprotein | 88 |
Edamer Käse | 85 |
Schweinefleisch, mager | 84-85 |
Soja | 84-86 |
Hartkäse | 84 |
Sojamehl | 84 |
Thunfisch | 83-92 |
Schweizer Käse | 83 |
Quinoa | 83 |
Grünalgen | 81 |
Sojaprotein | 81 |
Geflügel | 80 |
Roggenmehl | 80 |
Roggen | 76-83 |
Roggenmehl, 82 % Ausmahlung | 76-83 |
Rindfleisch | 74-96 |
Sojabohnen | 74 |
Kuhmilch | 72-91 |
Kartoffeln | 70-100 |
Casein (Teil des Milcheiweißes) | 70-77 |
Linsen | 60 |
Reis | 59-83 |
Weizenvollkornmehl | 59 |
Weizenmehl, 83 % Ausmahlung | 56-59 |
Pflanzliche Proteinmischung | 55-75 |
Mais | 54-76 |
Weizen | 54-59 |
Weizenprotein | 54 |
Bohnen | 49-79 |
Trockenhefe | 48 |
Weizenmehl hell (Typ 405) | 39 |
Gelatine | 0 |
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Sind pflanzliche Proteine jetzt als „minderwertiges“ oder gar „schlechtes“ Protein einzustufen? Nein, keineswegs. Denn die biologische Wertigkeit einer Mahlzeit lässt sich durch geschickte Protein-Kombinationen aufwerten.
Bei Protein als Nahrung kommt es allein auf den Anteil der Aminosäuren an. Auch wenn einzelne Lebensmittel nur eine relativ geringe biologische Wertigkeit aufweisen, können sich die Aminosäuren verschiedener Nahrungsmittel in Kombination bzw. in einer Mahlzeit ergänzen, sodass es zu einer Aufwertung kommt.
Lebensmittel oder Proteinquellen, die nicht alle essentiellen Aminosäuren enthalten, haben eine biologische Wertigkeit von 0 (z.B. fehlt Gelatine die essentielle Aminosäure Tryptophan). Sie werden als „unvollständiges Protein“ bezeichnet. Durch die geeignete Kombination mit anderen Proteinquellen (z.B. Rindfleisch) kann die biologische Wertigkeit jedoch deutlich erhöht werden. So hat die Kombination aus 84 Prozent Rindfleisch + 16 Prozent Gelatine eine biologische Wertigkeit von 98.
Die biologische Wertigkeit einer Mahlzeit kann damit höher liegen, als die der einzelnen Proteine und sogar die Referenzmenge übersteigen. Greifen wir zur Veranschaulichung ein weiteres Beispiel aus der folgenden Tabelle mit Lebensmittel-Kombinationen heraus: Kartoffeln + Ei. Obwohl Kartoffeln nur 2 g Protein je 100 g enthalten – und damit nicht gerade zu den proteinreichsten Lebensmitteln zählen – stellen sie in ihrem Aminosäurenmuster eine ideale Ergänzung zum Eiprotein dar.
Ein Mix aus Kartoffel- und Eiprotein im Verhältnis von rund 3:2 (65 Prozent zu 35 Prozent) hat mit 136 die höchste „biologische Wertigkeit“ aller untersuchten Proteinmischungen. Selbstverständlich können aus 100 g Nahrungsprotein nicht 136 g Körpereiweiß werden. Die legendäre Kombination aus Kartoffel- und Eiprotein basiert rein auf Berechnungen!
In Kartoffeln werden die Aminosäuren Methionin und Cystein als limitierende Aminosäuren angesehen, da sie im Kartoffelprotein nur in vergleichsweise niedrigen Konzentrationen vorkommen. Das Ei als Beilage kann das Aminosäuren-Profil vervollständigen.
Was jedoch häufig nicht erwähnt wird ist, dass zur Erreichung dieses Wertes ein Ei (ca. 60 g und 7,5 g Protein) mit 700 g (!) Kartoffeln (14 g Protein) kombiniert werden müssten. Kartoffeln enthalten nur wenig Protein. Entsprechend höher muss die Menge sein, um auf 14 g zu kommen.
Auch kann man niedrige Lysin-Gehalte von Weizenmehl durch Zugabe von Milcheiweiß ausgleichen, welches durch einen besonders hohen Gehalt an Lysin auszeichnet. Durch die Kombination von Lebensmitteln mit unterschiedlichen Profilen an (essentiellen) Aminosäuren kann eine Qualitätssteigerung auch dahingehend erfolgen, dass in Kombination weit weniger Protein benötigt wird, als die Zufuhr einer einzelnen Proteinquelle alleine erfordern würde.
Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele für geschickte Lebensmittel-Kombinationen, mit denen sich die „biologische Wertigkeit“ aufwerten lässt. Wichtig hierbei ist, dass es sich bei den Werten nicht um die biologische Wertigkeit gemäß Definition handelt bzw. handeln kann.
Aufwertung der biologischen Wertigkeit durch Kombination von Lebensmitteln |
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---|---|---|
Proteinquellen | ||
Kartoffel + Vollei | ||
Molkenprotein + Kartoffel | ||
Milch + Weizenmehl | ||
Vollei + Soja | ||
Vollei + Weizen | ||
Erbsen + Vollei | ||
Vollei + Milch | ||
Reis + Hefe | ||
Milch + Kartoffel | ||
Vollei + Mais | ||
Rindfleisch + Kartoffel | ||
Vollei + Bohnen | ||
Kartoffel + Soja | ||
Weizen + Soja | ||
Bohnen + Mais | ||
Rindfleisch + Gelatine | ||
Reis + Soja |
Demnach kann auch bei vegetarischer oder veganer Ernährung eine im Proteingehalt vollwertige und ausgewogene Kost zusammengestellt werden. Gute komplementäre Proteinquellen in der veganen Ernährung sind beispielsweise Getreide und Hülsenfrüchte (z.B. Weizen oder Kartoffeln mit Soja oder Bohnen mit Mais).
Getreideprotein ist arm an Lysin, Threonin und Tryptophan, enthält dafür aber größere Mengen an Methionin, das im Protein der Samen von Hülsenfrüchten eine limitierende Aminosäure darstellt. Der höhere Gehalt an Threonin und Tryptophan in Hülsenfrüchten wertet die Proteinqualität dieser Kombination auf.
Wer sich vegetarisch ernährt und auf Fleisch verzichtet, kann seinen Eiweißbedarf i.d.R. durch pflanzliche und andere tierische Lebensmittel (z.B. Eier und Milch) decken. Bei rein veganer Kost zählen Proteine bzw. essentielle Aminosäuren – neben langkettigen Omega-3-Fettsäuren, den Vitaminen Riboflavin (Vitamin B₂) und D, sowie den Mineralstoffen Calcium, Eisen, Jod, Zink und Selen – zu den kritischen Nährstoffen.
Um den Bedarf an essentiellen Aminosäuren über pflanzliche Lebensmittel zu decken, ist eine sorgfältige Auswahl erforderlich. Gute Proteinquellen für Veganer sind u.a. Hülsenfrüchte, Sojaprodukte und Getreide, aber auch Nüsse und Samen. So erreicht beispielsweise die Kombination aus Bohnen und Mais eine (hohe) biologische Wertigkeit von 99.
Ohne den regelmäßigen Verzehr von Hülsenfrüchten und/oder Sojaprodukten lässt sich der Bedarf an essenziellen Aminosäuren bei veganer Ernährung nur schwer decken. Eine abwechslungsreiche Lebensmittelauswahl, sowie eine ausreichende Kalorienzufuhr sind daher wichtig.
Die folgende Tabelle zeigt, durch welche ergänzenden Lebensmittel sich die limitierenden Aminosäuren Lysin, Threonin, Methionin und Tryptophan auch bei rein pflanzlicher Kost ersetzen lassen:
Lebensmittel | limitierende Aminosäure | Ergänzung |
---|---|---|
Bohnen | Methionin | Getreide, Nüsse, Samen |
Getreide | Lysin, Threonin | Hülsenfrüchte |
Nüsse/ Samen | Lysin | Hülsenfrüchte |
Gemüse | Methionin | Getreide, Nüsse, Samen |
Mais | Lysin, Tryptophan | Hülsenfrüchte |
Quelle: Nutrition.org |
Durch geeignete pflanzlichen Protein-Kombinationen, wie z.B. Reis mit Bohnen, Pita mit Hummus oder einem Erdnussbutter-Sandwich, kann der Proteinbedarf auch ohne Fleisch, Fisch oder Milchprodukte gedeckt werden. Ein solcher Protein-Mix ist der effizienteste Weg, den Bedarf an allen neun essentiellen Aminosäuren in einer vegetarischen oder veganen Ernährung zu decken.
Protein-Kombinationen müssen dabei nicht in derselben Mahlzeit erfolgen. Wer mittags Bohnen isst und sich ein paar Nüsse oder Mandeln als Nachmittags-Snack aufhebt, hat ebenfalls clever kombiniert!
Übrigens gibt es auch vollständige, vegane Proteinquellen. Zu den wichtigsten zählen Sojabohnen, Amaranth, Quinoa, geschälter Buchweizen, Hanfsamen, Chiasamen und Spirulina (Blaualgen).
Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS)
Ein weiterer Parameter zur Bestimmung der Wertigkeit von Nahrungsproteinen ist der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entwickelte Protein Digestibility Corrected Amino Acid Score (PDCAAS). Dieser stellt laut FAO/ WHO) die „bevorzugt ‚beste'“ Methode zur Bestimmung der Proteinqualität dar.
Der PDCAAS basiert auf dem Aminosäurebedarfsmuster des Menschen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verwertbarkeit des Proteins bzw. der Fähigkeit, es zu verdauen. Gemäß seiner Definition bezieht sich der PDCAAS dabei auf die erstlimitierende Aminosäure eines Proteins.
Beim PDCAAS handelt es sich um eine chemisch-biologische Bewertungsmethode von Nahrungseiweiß. Die Formel zur Ermittlung des Protein Digestibility Corrected Amino Acid Scores lautet:
PDCAAS = Aminosäureindex * wahre Verdaulichkeit (wV)
Der Aminosäureindex bzw. Chemical Score ist wie im Exkurs bereits erläutert, ein chemischer Parameter, während die wahre Verdaulichkeit einen biologischen Messwert darstellt. Die wahre Proteinverdaulichkeit wird (für neuartige Lebensmittel) tierexperimentell ermittelt, ansonsten werden die Werte Tabellenwerken entnommen. Das Produkt aus Aminosäureindex und der wahren Proteinverdaulichkeit ergibt dann den PDCAAS-Wert.
Ein PDCAAS-Wert von 1 ist am höchsten, 0 am niedrigsten. Alle Werte über 1 werden abgerundet. Dabei orientiert sich die Berechnung des Proteinbedarfs an den Bedarfswerten für Kinder im Alter von 2 bis 5 Jahren, da diese aufgrund von Wachstumsvorgängen einen sehr hohen Bedarf an Aminosäuren aufweisen. Hier stellt sich die Frage der Zuverlässigkeit, da Erwachsene in bestimmten Situationen (z.B. Genesung oder Kraftsport) einen anderen Aminosäurebedarf haben. Doch bis es auf diesem Gebiet eine ausreichende Datengrundlage zur Neubewertung des Aminosäurebedarfs gibt, gilt der PDCAAS sowohl für Kinder (ab einem Jahr), als auch für Erwachsene.
Der höchste PDCAAS-Wert von 1,0 bedeutet, dass nach der Verdauung des Proteins, pro Proteineinheit 100% oder mehr der essentiellen Aminosäuren zur Verfügung gestellt werden. Nach dem PDCAAS haben tierische Proteine und Soja aufgrund der hohen Verdaulichkeit und der günstigen Aminosäurenzusammensetzung höhere Werte (> 0,9) als pflanzliche Proteine (0,4-0,6):
Lebensmittel | PDCAAS-Wert |
---|---|
Vollei | 1,0 |
Milchprotein-Konzentrat | 1,0 |
Casein | 1,0 |
Whey Protein Konzentrat (konzentriertes Molkenprotein) | 1,0 |
Whey Protein Isolat | 1,0 |
Kuhmilch | 1,0 |
Sojamehl | 1,0 |
Sojaprotein | 1,0 |
Rindfleisch | 0,92 |
Erbsenprotein-Konzentrat | 0,893 |
Kichererbsen | 0,78 |
Sojabohnen | 0,78 |
Gemüse | 0,734 |
Hülsenfrüchte, Durchschnitt | 0,6958 |
Erbsenmehl | 0,69 |
Kidney-Bohnen (Konserve) | 0,68 |
Haferflocken, gekocht | 0,670 |
Kichererbsen (Konserve) | 0,66 |
Pintobohnen (Konserve) | 0,66 |
Obst, frisch | 0,643 |
Erbsen, gekocht | 0,597 |
Kidneybohnen, gekocht | 0,648 |
Kartoffel | 0,6 |
Reis | 0,6 |
Getreide und Getreideprodukte | 0,585 |
Haferflocken | 0,57 |
Linsen | 0,52 |
Erdnussmehl | 0,52 |
Mais | 0,5 |
Weizenkleie | 0,525 |
Erdnüsse | 0,52 |
Erdnüsse, geröstet | 0,509 |
Obst, getrocknet | 0,5 |
Reisprotein-Konzentrat | 0,419 |
Bohnen | 0,4 |
Weizen | 0,4 |
Weizengluten | 0,25 |
Frühstücks-Cerealien auf Maisbasis (z.B. Cornflakes) | 0,078 |
Quellen: |
Als ideale Proteinquellen gelten demnach Sojaproteine, ebenso wie Milch- und Eiprotein. Sie erscheinen aufgrund ihres hohen PDCAAS-Wertes im Vergleich zu Proteinen in Fleisch und Fisch in einem günstigeren Licht als bei anderen Methoden.
Anhand des PDCAAS-Scores kann auf einfache Weise eine routinemäßige Proteinbewertung vorgenommen werden. Die Bewertung deckt sich jedoch nicht mit der durch die „Biologische Wertigkeit“ von Nahrungsproteinen vorgenommenen. Die biologische Wertigkeit bezieht sich auf den verdaulichen Anteil (absorbierte Stickstoffmenge). Dabei bleiben jedoch bestimmte Faktoren, die die Verdauung des Proteins beeinflussen, unberücksichtigt. Was gemessen wird, ist die das maximale Potential der Qualität, nicht jedoch eine wahrheitsgetreue Einschätzung der Qualität auf Anforderungsebene.
Doch auch beim PDCAAS gibt es Einschränkungen. Dazu zählt vor allem, dass der PDCAAS antinutrive Substanzen – das sind Stoffe, die eine maximale Verwertung der mit der Nahrung aufgenommenen Nährstoffe einschränken (z.B. Phytinsäure und Trypsin-Inhibitoren) – nicht berücksichtigt.
Phytinsäure bzw. Phyate, die in Hülsenfrüchten, Getreide und Ölsaaten vorkommen, können die mit der Nahrung aufgenommenen Mineralstoffe, wie Calcium, Magnesium, Eisen und Zink, aufgrund ihrer komplexbildenden Eigenschaften in Magen und Darm unlöslich binden, sodass diese vom Körper nicht mehr aufgenommen werden können. Ebenso führen Trypsin-Inhibitoren (z.B. in Weizen) zu einer kompetitiven Hemmung des Verdauungsenzyms Trypsin und schränken damit den Proteinabbau im Dünndarm ein.
Eine neuere Methode namens Digestible Indispensable Aminosäure Score (DIAAS) bestimmt die Aminosäuren-Verdaulichkeit am Ende des Dünndarms und liefert ein genaues Maß für die Menge an Aminosäuren, die vom Körper absorbiert bzw. aufgenommen werden und den Beitrag des Proteins für die menschlichen Aminosäure- und Stickstoffanforderungen.
Der PCAAS basiert hingegen auf einer Schätzung der rohen Proteinverdaulichkeit, die über den gesamten Verdauungstrakt bestimmt wird. Werte, die mit dieser Methode angegeben werden, überschätzen die Menge der absorbierten Aminosäuren im Allgemeinen. So können einige Nahrungsmittel zwar einen hohen Proteingehalt aufweisen, aber da der Dünndarm nicht alle Aminosäuren gleich absorbiert, liefern sie nicht denselben Beitrag zu den Ernährungsanforderungen des Menschen.
Aufgrund dieser Einschränkungen empfiehlt die FAO, den PDCAAS durch den neueren DIAAS zu ersetzen. Während der PDCAAS alle Proteintypen, die die Anforderungen an essentielle Aminosäuren erfüllen, auf 1,0 kappt, erlaubt der DIAAS auch Werte, die 1,0 übersteigen.
Die Milchindustrie wird das freuen: nach dem PDCAAS-System ranken Soja-Protein-Isolat und Whey Protein Isolat beide mit dem Höchstwert 1,0. Nach dem DIAAS haben Milchprotein-Konzentrat und Whey Protein Konzentrat eine höhere Punktzahl als Soja (1,18 und 1.09 vs. 0.898-0.906; Vgl. PDF, S. 6).
Die Formel zur Berechnung des DIAAS lautet:
DIAAS % = 100 * [(mg der verdaubaren essentiellen Aminosäure in 1 g Nahrungsprotein) / (mg der gleichen essentiellen Aminosäure in 1 g Referenzprotein)].
Die Verdaulichkeit soll dabei auf der wahren Ileumverdaulichkeit jeder essentiellen Aminosäure beruhen (d.h. am Ende des Dünndarms bestimmt werden),welche vorzugsweise beim Menschen definiert wird. Ein DIAAS über 100 deutet auf das Potential der Proteinquelle zur Vervollständigung anderer Proteine mit niedrigerer Qualität hin, sofern eine angemessene Gesamt-Stickstoffaufnahme aufrechterhalten wird.
DIAAS vs. PDCAAS
Der DIAAS ist vielerlei Hinsicht korrekter als der PDCAAs. Der PDCAAS berechnet die Verdaulichkeit eines Proteins anhand der Betrachtung der Proteingehalte, die im Fäzes bzw. Kot zurückbleiben. Der DIAAS bestimmt den Proteingehalt am Ende des Darms (oder Ileums), um eine genauere Messung zu liefern. Diese ist deshalb genauer, da Fäkalien auch endogene Proteine (wie Verdauungssekrete, Schleim, Zellen und Bakterien) enthalten, die sich auf die Messung auswirken.
Im Gegensatz zu PDCAAS kann mit dem DIAAS die Verdauung der einzelnen Aminosäuren, statt nur die Verdauung von Rohprotein bestimmt werden. Der DIAAS ist somit ein sensitiveres Tool und zeichnet ein besseres Bild der einzelnen Aminosäureverdauung.
Der DIAAS beschreibt zudem den Wert der Proteinbestandteile, da Werte über 1,0 nicht (wie beim PDCAAS) gekappt werden. Somit erkennt der DIAAS den Wert von überschüssigen Aminosäuren in einem Lebensmittel oder einer Zutat im Kontext der gesamten Ernährung, wo ein Überschuss die unvollständigen Proteine in anderen Quellen (z.B. Hülsenfrüchten und Gemüse) ausgleichen kann. Eine Kappung bei 1,0 bedeutet, dass überlegene Proteinquellen, wie Milchprodukte, durch den PDCAAs ernährungsphysiologisch unterbewertet wurden.
Ein weiterer Unterschied zwischen DIAAS und PDCAAS ist, dass letzterer die Proteinquellen gegen das Aminosäure-Referenzmuster eines 2 bis 5 Jahre alten Kindes bewertet. Der DIAAS hingegen unterscheidet zwischen den Bedürfnissen von Säuglingen und Kindern mit drei Referenzmustern (0 bis 6 Monate, 6 Monate bis 3 Jahre und über 3 Jahre).
Der Mix macht´s!
Biologische Wertigkeit, Aminosäure-Idex, PDCAAS, DIAAS – die Bestimmung der Proteinqualität kann zu einer komplexen und komplizierten Angelegenheit werden.
Statt jetzt wild den Taschenrechner zu zücken und die Proteinqualität anhand diverser Formeln und Berechnungsmethoden bestmöglich zu optimieren, sollte man bei der Ernährung vielmehr auf einen ausgewogenen Mix setzen. Proteine sind wichtig, aber sie sind auch ein Makronährstoff, der Bestandteil vieler Lebensmittel ist.
Eine isolierte Betrachtung – ob nach der biologischen Wertigkeit oder dem PDCAAS – wird der Sache nicht gerecht. Demnach wäre es auch nicht clever, sich einzig und alleine an bestimmte Proteinquellen zu klammern, nur weil diese eine „bessere“ Qualität haben (wie auch immer „besser“ definiert sein mag). Mit einer gemischten Kost aus tierischen und pflanzlichen Proteinquellen lässt sich der Bedarf an essentiellen Aminosäuren am besten decken.
Obwohl tierische Proteinquellen, wie Fleisch, Fisch, Milch, Milchprodukte und Eier gegenüber pflanzlichen Quellen, wie Hülsenfrüchten, Getreide, Sojaprodukten, Nüssen, Samen etc., einen qualitativen Vorteil haben, ist es nicht empfehlenswert, sich nur von tierischen Quellen zu ernähren.
Lebensmittel mit einer hohen biologischen Wertigkeit oder einem hohen PDCAAS-Ranking sind nicht automatisch besser, als solche mit niedrigeren Werten. Hier stellt sich die Frage: Woran bemisst sich eigentlich der „Wert“ eines Lebensmittels?
Ist es eine Zahl in einer Tabelle? Ist es die Herkunft? Oder gar der Geschmack?
Hochwertiger im Sinne der biologischen Wertigkeit oder anderer Bewertungsverfahrung zur Proteinqualität ist nicht automatisch mit „wertvoller“ oder „vollwertiger“ gleichzusetzen. Schließlich wird der gesundheitliche Wert eines Lebensmittels nicht nur durch die Menge und Qualität der Proteine, sondern durch zahlreiche weitere Faktoren bestimmt: Art und Menge der enthaltenen Kohlenhydrate, Fette, Ballaststoffe, den Gehalt an Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffe, sowie die eventuelle Belastung durch Schadstoffe und Rückstände (Schwermetalle, Acrylamid, Pestizide) etc.
Natürlich schließen eine hohe biologische Wertigkeit oder ein hohes PDCAAS-Ranking nicht aus, dass es sich tatsächlich um ein hochwertiges Lebensmittel handelt. Zur Beurteilung der Proteinqualität sind diese Parameter durchaus sinnvoll, sollten jedoch nicht überbewertet werden.
Ob ein Shake mit Whey-Proteinpulver einem Spiegelei vorzuziehen ist? Meiner Meinung nach nein– auch wenn auf der Whey-Packung womöglich eine höhere „biologische Wertigkeit“ (oder vielmehr ein höherer Chemical Score) ausgewiesen werden sollte. Letztendlich wird eine hochwertige Proteinquelle, neben dem Gehalt an Proteinen und essentiellen Aminosäuren, auch durch ihren Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen bestimmt. Zudem ist es sowohl für den Geschmack, als auch für die Zufriedenheit ein Unterschied, ob man gebratene Spiegeleier isst einen Proteinshake trinkt. Natürliche Eiweißquellen sollten daher den Vorzug erhalten.
Obwohl man von tierischen Produkten, wie Fleisch, Fisch, Milch, Eier und Käse, weniger essen muss, um auf die gleiche Menge an Protein zu kommen (und tierische Produkte über ein vollständiges Aminosäureprofil verfügen und leichter und effizienter vom menschlichen Körper absorbiert und verdaut werden können als pflanzliche Lebensmittel), reicht es für eine ausgewogene Ernährung nicht aus, nur auf Tierprodukte zurückzugreifen.
Fast alle Lebensmittel enthalten alle 21 proteinogen Aminosäuren in einer bestimmten Menge. Essentielle Aminosäuren sind in nahezu sämtlichen tierischen Nahrungsmittel in ausreichender Menge enthalten. Die Anteile können jedoch variieren, wobei es den meisten pflanzlichen Nahrungsmittel an einer oder mehreren essentiellen Aminosäuren mangelt (inbesondere an Lysin und in geringerem Maße auch an Methionin und Threonin). Doch es gibt auch Ausnahmen. So stell z.B. Soja unter den pflanzlichen Vertretern ein komplettes Protein mit einer hohen Konzentration an BCAA's dar.
Geht es nach dem Aminosäureindex, können auch weitere Proteine aus pflanzlichen Lebensmitteln (Hülsenfrüchte, Samen, Getreide und Gemüse) vollständig sein, z.B. Kartoffeln, Kichererbsen, schwarze Bohnen, Kidneybohnen, Kürbiskerne, Blumenkohl, Quinoa oder Pistazien. Sie weisen einen Aminosäureindex von über 100 auf (Vgl. amino acid scores auf nutritiondata.self.com), wobei jedoch die Proteinverdaulichkeit unberücksichtigt bleibt. Diese hängt von der Art des Proteins (tierische Proteine können effektiver umgesetzt werden als pflanzliche Proteine), sowie von der Herstellungsmethode ab. Unter Berücksichtigung der Verdaulichkeit fällt der Aminosäurewert entsprechend niedriger aus.
Neben der niedrigeren biologischen Wertigkeit bleibt bei vielen pflanzlichen Proteinquellen zudem zu bedenken, dass der Proteingehalt je 100 g z.T. sehr gering ausfällt, sodass man höhere Mengen essen muss, um seinen Proteinbedarf zu decken. Zudem gibt es keine natürlichen, pflanzlichen Lebensmittel, die ausschließlich Protein als Nährstoff enthalten. Mit steigender Zufuhr erhöht sich damit auch die Zufuhr an Kohlenhydraten und/oder Fetten.
Durch den Verzehr verschiedener pflanzlicher Proteinquellen lässt sich das unvollständige Aminosäurenprofil einer Proteinquelle vervollständigen und die biologische Wertigkeit der Nahrung aufwerten.
Ergänzende Proteine müssen dabei nicht in derselben Mahlzeit verzehrt werden. Der Körper ist durchaus Lage, komplementäre Proteine, die im Laufe des Tages gegessen werden, zu kombinieren. Man muss also nicht zwingend tierische Produkte essen oder sich bei den Mahlzeiten auf bestimmte Lebensmittel-Kombinationen beschränken, um über die Ernährung ausreichend Protein und alle essentiellen Aminosäuren aufzunehmen, die der Körper benötigt.
Die Qualität einer Proteinquelle ist weitaus mehr als eine Zahl in einer Tabelle. So hängt die Qualität – vor allem bei tierischen, aber auch bei pflanzlichen Lebensmitteln – mit der Haltung bzw. dem Anbau zusammen. Konventionell produzierte Fleisch- und Wurstwaren haben nicht nur enorme ökologische Auswirkungen, sie enthalten auch einfach weniger Nährstoffe als Fleisch aus Weidehaltung. Es macht hinsichtlich der Protein- und Fettqualität durchaus einen Unterschied, ob die Tiere mit Kraftfutter und gentechnisch verändertem Soja gefüttert werden und kein Tageslicht zu sehen bekommen oder ob ihnen frische Grünfutter, Tageslicht und frische Luft zur Verfügung standen.
Ähnlich sieht es beim Fisch aus. Beispielsweise ernährt sich Lachs, der ein Raubfisch ist, in freier Wildbahn von Garnelen, Krebstieren und anderem Fisch. In der Massenzucht kann aus Ressourcen- und Kostengründen jedoch kaum noch Fisch verfüttert werden. So besteht übliches Lachsfutter in Aquakultur laut NDR zu rund zwei Dritteln aus pflanzlichen Bestandteilen, aber nur noch zu einem Fünftel aus Fischöl und -mehl.
Die Folge: aufgrund der überwiegen pflanzlichen Nahrung der Lachse ist der Gehalt an wertvollen Omega-3-Fettsäuren deutlich geringer. Außerdem wird zur Haltbarmachung des Fischfutters z.T. mit chemischen Konservierungsmitteln gearbeitet (u.a. Ethoxyquin; als Futtermittelzusatzstoff [E 324] in Deutschland zugelassen, als Pflanzenschutzmittel jedoch verboten). Auch verschiedene Insektizide kommen bei der Lachszucht zum Einsatz.
Und wie sieht es bei Eiern aus? Bei Eiern aus Biohaltung sind synthetische Dotterfarbstoffe und Futter aus genmanipulierten Pflanzen verboten. Eier aus ökologischer Erzeugung müssen EU-weit ganz besondere Anforderungen erfüllen. So stammt das Futter überwiegend aus ökologischem Anbau und auch die Lebensbedingungen sind gegenüber der konventionellen Haltung verbessert (Grünauslauf, mehr Stallfläche etc.).
Tierische Proteinquellen sind ein wertvolles Lebensmittel – keine Frage. Dennoch sprechen gesundheitliche Gründe, das Tierwohl, sowie Umweltapsekte für einen bewussten Konsum. Qualität geht vor Quantität – dies sollte man bei der Wahl geeigneter Proteinquellen berücksichtigen.
Es kommt auf eine ganzheitliche Betrachtung an. Wie hochwertig ist eine Proteinquelle, die zwar ein überragendes Aminosäurenprofil vorweisen mag, jedoch auf Kosten der Tiere (Massentierhaltung) und der Umwelt (hohe Treibhausemissionen durch künstliche Düngemittel und gentechnisch verändertes Soja aus Monokulturen, Pestiziden, Abholzung wertvoller Wälder, Verunreinigung des Grundwassers, Verlust an Artenvielfalt etc.) geht?
Bio-Lebensmittel sind zwar nicht zwangsläufiger besser, nahrhafter oder gesünder. Der nachhaltigere und umweltschonendere Weg bei Tierhaltung und Produktion sollte dennoch Grund genug sein, zur Bio-Ware zu greifen.
Wie viel Protein braucht der Mensch?
Im Grunde genommen haben wir gar keinen Proteinbedarf, sondern einen Bedarf an Aminosäuren – den Proteinbausteinen. Aminosäuren sind die kleinste Basis von Nahrungsproteinen und Körperproteinen. Im Zuge der Verdauung werden Proteine zu Aminosäuren abgebaut, welche dem Körper dann gemäß seinem spezifischen Bauplan zum Aufbau körpereigener Proteine dienen. Die Aminosäuren sind praktisch die biochemische Zwischenstufe des Proteinstoffwechsels.
Die Proteinbilanz im Köpers unterliegt dabei einem ständigen Turnover. Der „Protein Turnover“ oder Proteinumsatz ist das Gleichgewicht zwischen Proteinsynthese und Proteinabbau. Die mit der Nahrung zugeführten Aminosäuren werden dem Aminosäurepool zugeführt und z.T. für den Neuaufbau körpereigener Proteine verwendet (anaboler Stoffwechsel).
Ein weiterer Teil der Aminosäuren im Aminosäurepool unterliegt dem katabolen Stoffwechsel und wird zur Energiegewinnung herangezogen. Darüber hinaus werden Aminosäuren nach erfolgter Umwandlung als Glykogen oder Fett gespeichert. Einige Aminosäuren werden für die Synthese verschiedener Stoffe bzw. Verbindungen herangezogen, darunter Kreatin, Kreatinphosphat, Purin- und Pyrimidbasen, sowie Porphyrin.
Der Proteinbestand im Körper beträgt durchschnittlich 16 Prozent des Körpergewichts und ist über längere Zeit weitgehend konstant. Bei Erwachsenen lässt sich eine ausgeglichene Proteinbilanz bereits mit einer täglichen Proteinzufuhr von mindestens 32 g hochwertigem Protein aufrechterhalten (siehe Ausführungen zur Stickstoffbilanz weiter unten).
Ungeachtet dessen liegt der tatsächliche Proteinumsatz deutlich höher, nämlich zwischen 200 und 400 g pro Tag (abhängig vom Ernährungszustand und der Verfügbarkeit freier Aminosäuren im Aminosäurepool). Das bedeutet, dass im stationären Gleichgewicht bzw. Fließgleichgewicht durchschnittlich etwa jeweils 300 g Protein pro Tag auf- und abgebaut werden. Bei einer 75 kg schweren Person entspricht das einem Proteinumsatz von 4 g pro Kilogramm Körpergewicht.
Muss man jetzt 4 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht über die Nahrung zuführen? Nein! Der Proteinumsatz ist nicht mit der Proteinzufuhr zu verwechseln. Zum Vergleich: die durchschnittliche deutsche Mischkost enthält etwa 100 g Protein pro Tag. Die Differenz zwischen der täglichen Proteinzufuhr von 100 g und dem Proteinumsatz (Turnover) von 300 g am Tag beweist die Wiederverwertung („Recycling“) der im Proteinstoffwechsel freigewordenen Aminosäuren.
Für den hohen Proteinumsatz sind vor allem die täglichen Erneuerung der Darmmukosazellen (Zellen der Darmschleimhaut), der Muskelstoffwechsel, der Ab- und Aufbau von Plasmaproteinen, sowie auch die Bildung von Hämoglobin (Protein der roten Blutkörperchen) und der weißen Blutkörperchen verantwortlich.
Die DGE empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Proteinzufuhr von 0,8 g je Kilogramm Körpergewicht:
Referenzwerte für die tägliche Proteinzufuhr |
||||
---|---|---|---|---|
Alter | Körpergewicht | |||
Säuglinge | ||||
0 bis unter 1 Monat | ||||
1 bis unter 2 Monate | ||||
2 bis unter 4 Monate | ||||
4 bis unter 6 Monate | ||||
6 bis unter 12 Monate | ||||
Kinder | ||||
1 bis unter 4 Jahre | ||||
4 bis unter 7 Jahre | ||||
7 bis unter 10 Jahre | ||||
10 bis unter 13 Jahre | ||||
13 bis unter 15 Jahre | ||||
Jugendliche und Erwachsene | ||||
15 bis unter 19 Jahre | ||||
19 bis unter 25 Jahre | ||||
25 bis unter 51 Jahre | ||||
51 bis unter 65 Jahre | ||||
65 Jahre und älter | ||||
Schwangere ab 4. Monat | ||||
Stillende** |
** ca. 2 g Protein-Zulage pro 100 g Muttermilch
Quelle: Referenzwerte Protein der DGE
Was ist der Tabelle nicht enthalten ist: den höchsten Proteinbedarf hat der wachsende Fötus im dritten Schwangerschaftsdrittel (3. Trimester). Er erhält allerdings ein vorselektiertes, ideales Aminosäurengemisch direkt ins Blut. Der Fötus benötigt Aminosäuren in ausreichender Menge zur Bildung von Proteinen, die für Wachstum und Aufbau der Gerüst- und Grundsubstanzen von Bedeutung sind.
Bei Frühgeborenen herrschen diese optimalen Bedingungen in der Aminosäurenversorgung nicht mehr vor. Der Proteinbedarf bei Frühchen kann bei enteraler bzw. künstlicher Ernährung und je nach Körpergewicht auf bis zu 4,5 g/ kg Körpergewicht am Tag ansteigen. Dieser Bedarf lässt sich häufig nur durch mit Protein angereicherte Muttermilch decken.
Bei Säuglingen ist der Proteinbedarf innerhalb der ersten fünf Monate durch die Versorgung mit Muttermilch (1,2 g/ 100 ml) gedeckt. Zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat erfolgt die schrittweise Einführung der B(r)eikost und im 10. bis 12. Monat der allmähliche Übergang zur Familienkost.
Unter Berücksichtigung aller individueller Schwankungen soll die von der DGE für Erwachsene empfohlene, durchschnittliche Zufuhr an Protein hoher Qualität (Ei, Milch, Fleisch, Fisch) 0,8 g pro kg Körpergewicht am Tag betragen.
In einer ausgewogenen Mischkost entspricht dies einem Anteil des Nahrungsproteins von 9 bis 11 Prozent des Energierichtwerts (EN %) – unter Zugrundelegung eines PAL-Wertes von 1,4 (ausschließlich sitzende Tätigkeit mit wenig oder keiner anstrengenden Freizeitaktivität). Unter Berücksichtigung der Umsetzung in die Praxis wird eine Zufuhr von 15 EN % als akzeptabel angesehen (Vgl. hier).
Die Empfehlungen gelten jedoch nur für gesunde Erwachsene. Bei einigen Erkrankungen kann die Proteinzufuhr entweder weitaus höher liegen oder eine reduzierte Proteinzufuhr bis zum minimalen Erhaltungsbedarf (siehe weiter unten) angezeigt sein.
Der Proteinbedarf für Schwangere steigt ab dem 4. Monat an (um ca. 20 Prozent auf rund 1 g/ kg Körpergewicht). Auch Stillende sollten mehr Protein zu sich nehmen (+ ca. 30 Prozent; zwischen 1 und 1,1 g/ kg Körpergewicht). Der Proteinbedarf für ältere Menschen (65 Jahre und älter) unterscheidet sich hingegen nicht von dem jüngerer Altersgruppen. Auch gibt es keine Differenzierung zwischen Männern und Frauen.
Auch die WHO (siehe PDF, S. 126) sieht keine festen Belege dafür, die unterschiedliche Werte für ältere Menschen bzw. Männer und Frauen rechtfertigen würden. Schwangere sollten jedoch zusätzlich 1, 9 und 31 g Protein im ersten, zweiten und dritten Trimester zu sich nehmen. Für Stillende sind zusätzlich durchschnittlich 19 g Protein am Tag erforderlich (Bedarf reduziert sich nach 6 Monaten auf 12,5 g Protein).
Bedarf an essentiellen Aminosäuren
Für den Menschen sind neun proteinoge Aminosäuren essentiell. Bei ungenügender Zufuhr essentieller Aminosäuren ist die notwendige körpereigene Proteinbildung nicht ausreichend möglich. Neben Lysin, Methionin und Histidin sind dies alle verzweigtkettige Aminosäuren oder abgekürzt „BCAA“ für Branched-Chain Amino Acids (Valin, Leucin, Isoleucin, Threonin) und die aromatischen Aminosäuren Phenylalanin und Tryptophan.
In der Literatur gibt es durchaus Kontroversen über die Art und Menge an essentiellen Aminosäuren, die der Mensch über die Nahrung zuführen muss. Die folgende Tabelle zeigt die von der WHO empfohlene tägliche Nahrungsmenge an essentiellen Aminosäuren:
Empfehlung für die Zufuhr an essentiellen Aminosäuren für Erwachsene |
||
---|---|---|
Aminosäuren | ||
Lysin | ||
Methionin (10.4) + Cystein* (4.1) | ||
Valin | ||
Leucin | ||
Isoleucin | ||
Threonin | ||
Phenylalanin + Tyrosin* | ||
Tryptophan | ||
Histidin? | ||
Quelle: WHO | Protein and amino acid requirements in human nutrition (PDF)
Die Tabelle enthält auch die Aminosäure Histidin, deren Einstufung als „essentiell“ lange Zeit umstritten war und z.T. auch heute noch ist. Histidin muss (ebenso wie die semi-essentielle Aminosäure Arginin) nur in bestimmten Situationen, wie beim Heranwachsen oder während der Genesung, mit der Nahrung aufgenommen werden.
Für Säuglinge ist Histidin eine essentielle Aminosäure, ob das aber auch für Erwachsene zutrifft, ist – wie im Abschnitt über essentielle Aminosäuren ausgeführt – strittig. Auf der einen Seite verfügt der menschliche Organismus über erhebliche Histidin-Vorräte, sodass Mangelerscheinungen bei histidinfreier Ernährung erst spät zu erwarten sind. Ob der Körper Histidin aber auch in ausreichender Menge synthetisieren kann, ist nach wie vor nicht eindeutig belegt.
So zeigten Studien, dass durch eine histidinfreie Ernährung die Plasmakonzentration sinkt und die Hämoglobinsynthese eingeschränkt wird. Demnach wäre auch Histidin als unentbehrliche Aminosäure einzustufen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stuft auch Histidin als für den Menschen unentbehrlich (essentiell) ein.
Lässt sich der Bedarf durch natürliche Lebensmittel decken?
Der Bedarf an essentiellen Aminosäuren lässt sich in der Regel durch eine abwechslungsreiche, bedarfsgerechte Ernährung decken. Die meisten Nahrungsproteine enthalten 40 bis 50 Prozent essentielle Aminosäuren, sodass der Bedarf großzügig abgedeckt wird (siehe weiter unten Abschnitt „Exemplarischer Ernährungsplan“).
Allerdings spielt hierbei auch die Proteinqualität eine Rolle. Wer seinen Proteinbedarf nur über Weizen deckt, wird (aufgrund der limitierenden Amniosäure Lysin) eventuell Probleme damit haben, alle essentiellen Aminosäuren in ausreichender Menge zuzuführen. In Kombination mit Milch oder Ei lässt sich das Aminosäureprofil von Weizen und damit die biologische Wertigkeit jedoch aufwerten (siehe weiter unten Abschnitt „Optimale Versorgung durch richtig Kombinationen“).
Welche Rolle spielt die Stickstoffbilanz?
Der Eiweißstoffwechsel im menschlichen Organismus lässt sich recht aussagekräftig mit der sog. Stickstoffbilanz beurteilen. Proteine stellen (neben Nukleinsäuren) die wichtigste Stickstoffquelle für den Menschen dar um müssen daher in ausreichender Menge mit der Nahrung zugeführt werden.
Von den Aminosäuren, welche die Bausteine der Proteine darstellen, enthält jedes mindestens ein Stickstoff-Atom. Beim Abbau von Proteinen (beispielsweise aus der Muskulatur), entstehen einzelne Aminosäuren, bei deren Verstoffwechslung Stickstoff anfällt.
Das Hauptausscheidungsorgang für den verstoffwechselten Stickstoff ist die Niere. Bei den ausgeschiedenen Verbindungen handelt es sich um Harnstoff, Kreatinin und Ammoniak. Der Rest wird über den Stuhl und die Haut (Drüsensekrete, abgestoßene Zellen, Haut, Haare, Nägel) ausgeschiedenen. Die Differenz zwischen aufgenommener und ausgeschiedener Stickstoffmenge wird als Stickstoffbilanz bezeichnet.
Bei einer ausgeglichenen Stickstoffbilanz halten sich die über die Nahrung zugeführte Stickstoffmenge mit den Stickstoffverlusten über Urin, Kot und Haut die Balance (Stickstoffgleichgewicht: Stickstoffzufuhr = Stickstoffabgabe).
Die Stickstoffausscheidung ist über einen relativ weiten Bereich proportional zur Proteinzufuhr. Das heißt, dass ein gesunder Erwachsener bei ausgeglichener Ernährung im Stickstoffgleichgewicht genau die Menge an stickstoffhaltigen Verbindungen ausscheidet, die dem Stickstoffgehalt des zugeführten Nahrungsproteins entspricht.
Negative Stickstoffbilanz (Stickstoffverluste)
Eine negative Stickstoffbilanz tritt im Rahmen von eiweißkatabolen bzw. eiweißabbauenden Vorgängen auf. Dabei übersteigt die ausgeschiedene Menge an stickstoffhaltigen Verbindungen die Proteinzufuhr. Die Ursachen für eine negative Stickstoffbilanz sind vielfältig und können sowohl krankheits-, als auch ernährungsbedingt sein.
So kommt es beim sog. „Postaggressionsstoffwechsel“ bzw. „Postaggressionssyndrom“ – auch „Stressstoffwechsel“ genannt, der im Rahmen von Infektionen, Operationen, Verletzungen (Traumata) und anderer Erkrankungen auftritt – zur Freisetzung einer Reihe von Hormonen (vor allem Adrenalin und Noradrenalin, Glucagon und Cortisol), die dem Körper neben der Steigerung von Herzfrequenz, Herzminutenvolumen und Blutdruck auch zur der Bereitstellung von Energieträgern dienen. Es stellt sich also eine katabole Stoffwechsellage ein, bei der es zur Steigerung der Proteolyse (Eiweißabbau) kommt.
Fieberhafte Infektionen gehen häufig mit Appetitverlust einher, wodurch weniger Nahrung und damit auch weniger Protein aufgenommen wird. Aber auch psychischer Stress (z.B. vor Prüfungen, bei Streit, finanziellen Sorgen etc.) erhöht die Stickstoffausscheidung im Urin und kann den Abbau von Körperprotein fördern.
Darüber hinaus kann auch eine ausgeprägte Hyperthyreose (krankhafte Überfunktion der Schilddrüse), die sich in einer übermäßigen Produktion von Schilddrüsenhormonen äußert, zu einer negativen Stickstoffbilanz führen, da sie u.a. die Proteinneubildung hemmt. Auch ein Insulinmangel (Diabetes mellitus) führt in den Muskeln u.a. dazu, dass Proteine zu Aminosäuren abgebaut werden.
Bei sehr geringer Proteinzufuhr oder gar proteinfreier Ernährung fällt die Stickstoffausscheidung auf einen relativ konstanten Wert ab. Dabei können eine Eiweißmangelernährung oder eine schlechte Proteinqualität der Nahrungsmittel – auch bei ausreichender Kalorienzufuhr – zu eiweißabbauenden Vorgängen führen. Um dies zu verhindern, sollten Proteine in ausreichender Menge und hochwertiger Qualität zugeführt werden (z.B. tierische Lebensmittel, geeignete Lebensmittel-Kombinationen).
Der obligatorische Stickstoffverlust über Harn, Stuhl, Haut, Haare, Nägel etc. beträgt bei einer isokalorischen (Kalorienverbrauch = Kalorienzufuhr), aber proteinfreien Ernährung, bei Erwachsenen im Durchschnitt 54 mg/ kg Körpergewicht. Da Proteine ziemlich genau 16 Prozent Stickstoff enthalten (0,16 g/g Protein; Umrechnungsfaktor 6,25), ergibt das einen täglichen Verlust an Körperprotein von rund 340 mg bzw. 0,34 g/ kg Körpergewicht. Ein 80 kg schwerer Mann würde demnach innerhalb von 24 Stunden über 27 g Körperprotein abbauen.
Würde es in dem Fall ausreichen 27 g Protein am Tag zuzuführen, um eine ausgeglichene Stickstoffbilanz zu erreichen? Theoretisch ja. Aufgrund von Schwankungen bei den Probanden (+/- 30 Prozent) wird jedoch ein höherer Bedarf als eine Art „Sicherheitszuschlag“ angesetzt.
Um den oberen Bereich der Ausscheidung abzudecken werden zum Durchschnittswert zusätzlich 30 Prozent addiert. Damit erhöht sich die täglich empfohlene Proteinmenge (Erhaltungsminimum, absolutes Eiweißminimum) von 0,34 g auf 0,45 g je Kilogramm Körpergewicht. Unter Berücksichtigung der individuellen Schwankungsbreite steigt die empfohlene Proteinmenge für einen 80 kg schweren Mann damit von 27 g auf 36 g.
Die Menge von 0,45 g/ kg Körpergewicht ist nicht die allgemein empfohlene Proteinmenge im Rahmen einer bedarfsgerechten Ernährung, sondern die minimale Proteinmenge zur dauerhaften Erhaltung der Proteinmasse des Körpers – vorausgesetzt alle mit der Nahrung zugeführten Aminosäuren können vom Darm absorbiert, d.h. aufgenommen werden.
Da eine 100%ige Resorption in der Praxis nur unter standardisierten diätischen Bedingungen realisiert werden kann, muss für die Allgemeinbevölkerung von höheren Werten ausgegangen werden. Laut WHO erfüllen 0,66 g Protein pro kg Körpergewicht die Anforderungen des durchschnittlichen Bevölkerungsbedarfs für gesunde Erwachsene („average requirement“).
In Anbetracht der individuellen Variabilität (variierende intestinale Ausnutzungsrate bzw. unter Berücksichtung einer verminderten Verdaulichkeit der Nahrungsproteine in einer gemischten Kost), schlägt die WHO aus Sicherheitsgründen eine tägliche Zufuhr von 0,83 g Protein pro kg Körpergewicht vor („safe intake„). Dieser Wert soll die Anforderungen der meisten (97,5%) der gesunden erwachsenen Bevölkerung erfüllen. Damit deckt sich die Empfehlung für die Proteinzufuhr der WHO mit denen der DGE.
In der folgenden Tabelle werden die obligatorischen Verluste an Körperprotein bzw. der sich darauf ableitende Proteinbedarf in der Übersicht dargestellt:
Proteinbedarf am Beispiel eines gesunden Mannes, 80 kg | ||
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Verlust bei proteinfreier Ernährung: | 0,34 mg/ kg | 27 g |
Minimaler Proteinbedarf nach FAO/WHO (inkl. 30% Sicherheitszuschlag): | 0,45 mg/ kg | 36 g |
Schätzwert des durchschnittlichen Bedarfs für gesunde Erwachsene nach WHO: | 0,66 mg/ kg | 53 g |
Sichere Proteinzufuhr für Erwachsene nach WHO (bei PDCAAS = 1): | 0,83 mg/ kg | 66 g |
Biesalski H.K., Bischoff S.C., Puchstein C. Ernährungsmedizin: nach dem Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2010
Löffler G., Petrides P.E. Basiswissen Biochemie mit Pathobiochemie. Berlin Heidelberg: Springer-Verlag; 2005
Ein erwachsener, 80 kg schwerer Mann wäre mit einer täglichen Proteinzufuhr von 0,83 g/ kg Körpergewicht, was in diesem Fall 66 g Protein entsprechen würde, auf der „sicheren Seite“. Vorausgesetzt, es handelt es sich um hochwertiges Protein.
Positive Stickstoffbilanz (Stickstoffüberschuss)
Wird mehr Stickstoff aufgenommen als abgegeben und damit mehr Protein auf- als abgebaut, spricht man von einer positiven Stickstoffbilanz. Diese stellt sich dann ein, wenn Körpersubstanz aufgebaut wird, also beispielsweise infolge eiweißanaboler Prozesse im Wachstum, in der Schwangerschaft oder in Regenerationszeiten bei Kraftsportlern.
Eine positive Stickstoffbilanz wird durch anabole Hormone, z.B. Insulin, Wachstumshormone, wie Somatotropin, Sexualhormone (Androgene und Östrogene), sowie – in physiologischen Konzentrationen – die Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) gefördert.
Einfluss der Energieaufnahme auf die Stickstoffbilanz
Damit die zugeführten Eiweiße auch zum Aufbau körpereigener Proteine herangezogen werden, reicht eine ausreichende Proteinversorgung alleine nicht aus. Proteinaufbau erfordert Energie. Damit die zugeführten Proteine nicht primär als Energielieferant genutzt werden, ist daher auch eine adäquate Energieversorgung unumgänglich.
Die optimale Energiezufuhr für eine ausgeglichene Stickstoffbilanz liegt bei 50 kcal je g Protein. Ein Mann, der z.B. 64 g Protein am Tag zu sich nimmt, sollte demnach auf eine Gesamtkalorienzufuhr von 3.200 kcal kommen. Die untere Grenze der Energiezufuhr wird mit 25 kcal/ g Protein angegeben, was in unserem Beispiel 1.600 kcal entspricht.
Energiezufuhr und Proteinzufuhr haben – unabhängig voneinander – Einfluss auf die Stickstoffbilanz. Bei reduzierter Energiezufuhr gerät die Stickstoffbilanz zunehmend in den negativen Bereich. Eine niedrigere Energiebereitstellung führt selbst bei ausreichender Proteinzufuhr unweigerlich zum Katabolismus, also abbauenden Stoffwechselvorgängen.
Daher ist es bei der Betrachtung von Faktoren, die Einfluss auf die Stickstoffbilanz nehmen (wie z.B. die Proteinzufuhr) wichtig, dass die Energiezufuhr im Verhältnis zum Bedarf steht und sorgfältig berechnet wird. Übersteigt die Proteinzufuhr einen bestimmten Wert, steht nicht mehr genügend Energie für den Proteinstoffwechsel zur Verfügung. In dem Fall kann eine weitere Zufuhr von Protein die Stickstoffbilanz nicht mehr beeinflussen.
Daraus lässt sich ableiten: Wer viel Protein isst, muss auch insgesamt viel essen bzw. entsprechend viele Kalorien zuführen, um die Stickstoffbilanz positiv zu beeinflussen. Auf der anderen Seite gilt aber auch: sinkt die Proteinzufuhr unter eine gewisse Konzentration, lässt sich die Stickstoffbilanz auch mit einer ausreichenden Energiezufuhr nicht verbessern.
Viel Protein und zu wenig Kalorien sind ebenso wenig zur Verbesserung der Stickstoffbilanz geeignet, wie viele Kalorien und zu wenig Protein.
Wie sieht die Proteinversorgung in Deutschland aus?
Die mediane Proteinzufuhr liegt laut Nationaler Verzehrstudie II (NVZ II, Ergebnisbericht Teil 2) bei Männern bei 85 g/Tag und bei Frauen bei 64 g/Tag. Das entspricht einem Anteil an der Energiezufuhr von 14 Prozent für Männer und Frauen (Empfehlung: 9 bis 11 Prozent).
Verglichen mit den DGE-Referenzwerten für die Proteinzufuhr, die bei Männern zwischen 53 und 57 g pro Tag und bei Frauen zwischen 46 und 48 g pro Tag betragen liegt der Median der Proteinzufuhr (Zentralwert; Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt) in allen Altersgruppen über der empfohlenen Zufuhr.
Lediglich etwa 11 Prozent der Männer und 15 Prozent der Frauen liegen unterhalb der empfohlenen Zufuhr. Je nach Altersgruppe liegt der Anteil der Männer, die die Empfehlung unterschreiten, bei 8 bis 14 Prozent. Am höchsten ist der Anteil bei den älteren Männern im Alter von 65 bis 80 Jahren.
Bei den Frauen sieht es anders aus. Hier liegen die Anteile mit 13 bis 21 Prozent etwas höher. Der wesentliche Unterschied zu den Männern ist jedoch, dass die empfohlene Proteinzufuhr am häufigsten von jungen Frauen im Alter von 19 bis 24 Jahren unterschritten wird.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Proteinversorgung in Deutschland i.d.R. mehr als ausreichend ist, auch wenn sich einzelne Altersgruppen unter den Zufuhrempfehlungen bewegen. Generell liegt die tatsächliche Proteinzufuhr in den westlichen Industrieländern über den Empfehlungen. In den USA werden 16 Prozent des Energiebedarfs über Proteine gedeckt (siehe hier).
Exemplarischer Ernährungsplan
Der folgende Ernährungsplan dient als Beispiel, wie sich der tägliche Bedarf an Proteinen und essentiellen Aminosäuren mit einer abwechslungsreichen Kost decken lässt.
Ein 80 kg schwerer Erwachsener hätte laut WHO und DGE einen täglichen Proteinbedarf von 0,8 g/ kg Körpergewicht, was 64 g Protein am Tag entspricht. Dieser wird mit dem beispielhaften Ernährungsplan mehr als ausreichend gedeckt. Dasselbe gilt für die essentiellen Aminosäuren, die sich ebenfalls mit einer durchschnittlichen Kost problemlos decken lassen.
Frühstück | |||||||||
40 g Haferflocken | |||||||||
150 ml Milch (1,5%) | |||||||||
1 Banane (100 g) | |||||||||
30 g Walnüsse | |||||||||
Mittagessen | |||||||||
200 g Kartoffeln | |||||||||
2 Eier (Größe M) | |||||||||
250 g Blattspinat | |||||||||
150 g fettarmer Joghurt | |||||||||
Abendessen | |||||||||
2 Scheiben Vollkornbrot (á 55 g) | |||||||||
400 g Erbsensuppe mit Schinken | |||||||||
Summe | |||||||||
WHO Empfehlung |
Optimale Versorgung durch richtige Kombinationen
Pflanzliche und tierische Proteinquellen üben eine Ergänzungswirkung aus. So lässt sich die Proteinqualität durch Kombinationen, wie Getreide mit Milchprodukte, Kartoffeln mit Ei oder Getreide mit Hülsenfrüchte (siehe exemplarischer Ernährungsplan) aufwerten.
„Richtige“ Kombinationen müssen dabei nicht bedeuten, dass man zwangsläufig immer pflanzliche Lebensmittel mit tierischen Lebensmitteln verbinden muss, um eine höhere biologische Wertigkeit zu erreichen. Auch pflanzliche Lebensmittel untereinander führen zu einer Qualitätsverbesserung.
Bei der Vielzahl an Lebensmitteln tierischer und pflanzlicher Herkunft ergeben sich zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten. Inspiration für die nächste Mahlzeit gesucht? Hier ein paar Beispiele für eiweißreiche Lebensmittelkombinationen:
Beispiele für eiweißreiche Lebensmittelkombinationen |
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Lebensmittel-Kombinationen | Beispiele für Mahlzeiten |
Getreide mit Milch bzw. Milchprodukten: | Bircher Müsli, Joghurt mit Müsli, Porridge, Grießbrei, Milchnudeln, Milchreis, Brot mit Quark oder Käse, Nudelauflauf, Lasagne |
Kartoffeln mit Ei oder Milch bzw. Milchprodukten: | Bratkartoffeln mit Spiegelei, Salzkartoffeln mit Senfeiern, Pellkartoffeln mit Kräuterquark, Kartoffelgratin (mit Sahne und Käse) |
Getreide mit Hülsenfrüchten: | Brot mit Erbseneintopf, Linseneintopf oder Chili con Carne, Reispfanne mit Tofu, Kichererbsen-Couscous-Salat, Risi e bisi (Erbsenreis) |
Getreide mit Eiern: | Pfannkuchen, Pancakes, Waffeln, Bratnudeln/ Bratreis mit Ei |
Getreide mit Fleisch: | Spaghetti bolognese, Reispfanne mit Hähnchen, Pizza Salami |
Weizen und Fisch: | Tagliatelle mit Lachs, Fischbrötchen |
Weizen und Hefe: | Hefegebäck, Hefekuchen, Pizzateig |
Wie man sieht, zählen viele Beispiele für Mahlzeiten zu gängigen Mahlzeiten, die bei dem ein oder andere regelmäßig auf den Tisch kommen. Eine ausgewogene, vielfältige und abwechslungsreiche Ernährung, die sich am persönlichen Bedarf orientiert, reicht bei gesunden Personen i.d.R. vollkommen zur Deckung des Proteinbedarfs aus.]
Proteine in der Sporternährung
Nahrungsproteine erfüllen vielerlei Funktionen und wirken – wie im Abschnitt zur Stickstoffbilanz bereits erläutert – auf zweierlei Weise. Bezogen auf den Sportler können Proteine zum einen als Baustoff für anabole Stoffwechselvorgänge (z.B. zum Muskelaufbau in Kombination mit Krafttraining), zum anderen aber auch zur Energiegewinnung, z.B. bei längeren Ausdauerbelastungen, herangezogen werden (kataboler Stoffwechsel).
Doch auch wenn die Proteinzufuhr die für den Aufbau benötigte Menge übersteigt, wird das „überschüssige“ Protein energetisch genutzt bzw. „verheizt“. In begrenztem Umfang können überschüssige Aminosäuren auch gespeichert werden.
Brauchen Sportler mehr Protein?
Die allgemeinen Empfehlungen für die tägliche Proteinzufuhr liegen bei 0,8 g pro kg Körpergewicht. Bei Sportlern kann der Proteinbedarf – je nach Art des ausgeführten Sports – schwanken. Ein erhöhter Proteinbedarf besteht jedoch nicht nur in Phasen des Muskelaufbaus, sondern auch unter Trainingsbedingungen mit intensiver Muskelarbeit bei Kraft- und Ausdauersport.
Ausdauerbelastungen wirken sich insofern auf den Proteinbedarf aus, als dass sie die Proteinoxidation zwecks Energiebereitstellung erhöhen. Daher kann die Stickstoffbilanz bei Anfängern vorübergehend negativ ausfallen. Mit zunehmender Dauer des Trainingsprogramms kommt es zu einer körperlichen Anpassung an die erhöhten Anforderungen, sodass die Stickstoffbilanz wieder ausgeglichen ist und weniger Proteine bzw. Aminosäuren oxidiert werden als noch zu Trainingsbeginn.
Im Kraftsport führt der gesteigerte Abbau und Wiederaufbau in den Muskelfasern zu einem erhöhten Proteinumsatz. Ein erhöhter Proteinbedarf von Kraftathleten gründet sich somit nicht auf einer erhöhten Energienutzung von Protein, sondern vielmehr auf einer verstärkten Proteinbiosynthese zum Muskelaufbau.
Trainierte Kraftsportler (Bodybuilder, Gewichtheber, Powerlifter) benötigen zur Aufrechterhaltung der Stickstoffbilanz nur geringfügig mehr Protein am Tag als Nichtsportler, da sich ihr Körper bereits an das Training adaptiert hat und die Proteinverwertung effektiver ausfällt. Hingegen kann ein Anfänger in den ersten Trainingswochen durchaus mehr Protein benötigen, da hier die signifikantesten Zuwächse in der Muskelgröße auftreten.
Aber wie viel Protein sollten Ausdauer- bzw. Kraftsportler nun konkret zu sich nehmen?
Für diese Frage kann es keine einheitliche Antwort geben. Der Proteinstoffwechsel während und nach dem Training wird von zahlreichen Faktoren, wie Geschlecht, Alter, Intensität, Dauer und Art der körperlichen Aktivität, sowie der Energiezufuhr und Verfügbarkeit an Kohlenhydraten beeinflusst. Auch kann sich der Proteinbedarf bei mittlerem bis hartem Ausdauer- und Krafttraining erhöhen.
Breitensportler bzw. moderate Ausdauersportler (4–5 x pro Woche 30 min bei 55 % VO2max) sind mit einer täglichen Zufuhr von 0,8 bis 1,0 g Protein je kg Körpergewicht gut versorgt. Somit unterscheidet sich ihr Proteinbedarf kaum von dem von Nichtsportlern.
Zwei Studien werten eine Proteinzufuhr von 12 bis 15 Prozent der Gesamtenergieaufnahme für aktive Personen bzw. sowohl für Ausdauer-, als auch für Kraftsportler als ausreichend (Vgl. hier und hier). Dies entspricht bei einem Tagesbedarf von 2.000 kcal rund 59 bis 73 g Protein täglich. Eine 70 kg schwere Person würde mit diesen Proteinmengen ungefähr bei den genannten 0,8 bis 1 g am Tag liegen.
Indessen argumentieren zwei jüngere Studien für eine höhere Proteinaufnahme. Die erste Studie tendiert zu der Aussage, dass regelmäßige körperliche Aktivität zu erhöhten Protein-Anforderungen führt. So steigen die täglichen Anforderungen an die Proteinaufnahme – im Vergleich zu den allgemeinen Empfehlungen für Personen mit überwiegend sitzender Tätigkeit – um etwa 100 Prozent (auf 1,6 bis 1,8 g Protein vs. 0,8 g / kg Körpergewicht).
Doch auch diese Zufuhrmengen seien viel geringer, als die von den meisten Athleten berichteten. Dies kann bedeuten, dass der tatsächliche Bedarf unter dem liegt, was benötigt wird, um die sportliche Leistung zu optimieren. Zahlreiche interagierende Faktoren, wie Energieaufnahme, Kohlenhydratverfügbarkeit, Dauer, Art und Intensität des Training, Proteinqualität, Trainingsgeschichte, Geschlecht, Alter, Zeitpunkt der Nährstoffzufuhr etc. machen dieses Thema äußerst komplex, sodass noch viele Fragen zu klären sind.
Die zweite Studie (ein Review) sieht einige überzeugende Ergebnisdaten, die indizieren, dass hohe Proteinmengen von 2 bis 3 g je kg Körpergewicht am Tag erforderlich seien. Auch hier wird darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, sich auf die Empfehlungen für bestimmte Proteinmengen zu verlassen. Denn unabhängig von der zugeführten Proteinmenge zugeführt wird, ist die metabolische Reaktion von anderen Faktoren abhängig, einschließlich des Zeitpunkts der Zufuhr in Bezug auf das Training und/oder andere Nährstoffe, die Zusammensetzung der aufgenommenen Aminosäuren und die Art des Proteins.
Zudem sei es wichtig daran zu erinnern, dass Athleten und Trainer nicht an den wissenschaftlichen Argumente beider Seiten zum Thema Proteinzufuhr interessiert sind. Für sie steht der Erfolg im Wettbewerb im Vordergrund. Bei Athleten aus dem Kraft- und Powersport sei es gängige Praxis, die Mengen an Protein zu konsumieren, die benötigt werden, um das Gleichgewicht der Stickstoffbilanz aufrechtzuerhalten.
Nach Angaben der International Society of Sports Nutrition (ISSN) ist eine Proteinzufuhr von 1,4 bis 2 g je kg Körpergewicht für körperlich aktive Personen nicht nur sicher, sondern kann auch die Trainingsadaption bei Widerstandstraining verbessern. Auch die American Dietetic Association, Dietitians of Canada und das American College of Sports Medicine (ACSM) unterstützen eine hohe Proteinzufuhr für aktive Personen im Bereich von 1,2 bis 1,7 g / kg Körpergewicht.
Ein Grund für die höhere Proteinzufuhr könnte eine erhöhte Oxidation von Leucin sein (ein Marker für Aminosäuren, der als Kraftstoff dient, indem er in Glucose umgewandelt wird). Körperliche Anstrengung führt zur Oxidation von Aminosäuren und bei diesem Vorgang werden Proteine zur Energiegewinnung verbrannt. Wird Leucin im Muskelgewebe oxidiert, kommt es zur Bildung von Ketoisocaproat (KIC), das vermutlich den Proteinaufbau und damit das Muskelwachstum stimuliert. Die erhöhte Leucinoxidation erfordert eine höhere Aufnahme an Aminosäuren, um die Stickstoffbilanz aufrechtzuerhalten (siehe hier und hier).
Darüber hinaus erhöht eine Proteinzufuhr, die über der standardmäßigen Empfehlung (0,8 g/kg KG) liegt die Proteinsynthese und senkt (bei doppelter empfohlener Menge) den Proteinabbau. Eine erhöhte Muskelhypertrophie wird als vorteilhaft für die sportliche Leistung angesehen.
So hat das ACSM im Jahre 2009 Empfehlungen für Ausdauer- und Kraftsportler ausgesprochen. So wurde zur Erholung von intensivem Ausdauertraining und zur Unterstützung der Sticksoffbilanz eine Proteinzufuhr von 1,2 bis 1,4 g/ kg Körpergewicht am Tag als notwendig erachtet.
Ultra-Ausdauer-Athleten, die über mehrere Stunden kontinuierlich aktiv sind (z.B. Marathon) oder an aufeinander folgenden Tagen intermittierend trainieren, sollten ebenfalls 1,2 bis 1,4 g Protein pro kg Körpergewicht oder etwas mehr zu sich nehmen. In einer Studie aus dem Jahre 2004 wird der maximale Proteinbedarf für Top-Ausdauerathleten mit etwa 1,6 g pro kg Körpergewicht angegeben.
Laut ACSM kann auch Krafttraining eine erhöhte Proteinzufuhr erfordern, da zusätzliches Protein – insbesondere essentielle Aminosäuren – gemeinsam mit einer ausreichenden Energiezufuhr zur Unterstützung des Muskelwachstums erforderlich sind. Die empfohlene Proteinzufuhr für Kraftsportler reichen von 1,2 bis 1,7 g pro kg Körpergewicht ab Tag. Trainierte können sich eher am unteren Bereich der Empfehlung orientieren, ein Trainingsanfänger kann sich in den ersten Trainingswochen an den oberen Wert halten.
Laut aktuellsten Empfehlungen des ACSM aus dem Jahre 2016 reicht der Proteinbedarf, der zur Unterstützung der metabolischen Anpassung, für Reparatur- und Umwandlungsprozesse, sowie den Proteinumsatz erforderlich ist i.d.R. von 1,2 bis 2 g pro kg Körpergewicht am Tag. Bei intensiverem Training oder einer reduzierten Energiezufuhr kann für kurze Zeit auch eine höhere Proteinzufuhr erforderlich sein.
Zur Deckung des täglichen Proteinbedarfs bei Sportlern empfiehlt sich ein Ernährungsplan, der eine gleichmäßige Verteilung von moderaten Proteinmengen hoher Qualität über den Tag und nach anstregenden Trainingseinheiten vorsieht. Die Proteinempfehlungen des ACSM von 1,2 bis 2,0 g Protein am Tag gelten für die meisten Trainingsprogramme und ermöglichen eine flexible Anpassung bei periodisiertem Training und zunehmender Trainingserfahrung.
Obwohl das ACSM weiterhin Empfehlungen für eine tägliche Proteinzufuhr bei Sportlern ausspricht, setzt es sich auch dafür ein, dass Einzelpersonen nicht länger einzig und allein in Kraft- und Ausdauerathleten kategorisiert und mit statischen Proteinzufuhrmengen versehen werden sollten (im Jahre 2009 hatte das ACSM diese Katagorisierung noch vorgenommen).
Die aktuellen Leitlinien von 2016 sollten vielmehr auf einer optimalen Anpassung der Proteinzufuhr an spezifische Trainings- und Wettkampfsituationen innerhalb eines periodisierten Programms beruhen, welche durch den größeren Kontext der sportlichen Ziele, des Nährstoffbedarfs, der Energieaspekte und der Lebensmittelauswahl untermauert werden.
Der Proteinbedarf kann je nach Trainingszustand (erfahrene Athleten benötigen weniger), dem Training an sich (bei Einheiten mit höherer Frequenz oder Intensität, bei neuem Trainingsreiz am oberen Ende des Proteinbereichs), der Versorgung mit Kohlenhydraten und vor allem der Energieversorgung schwanken.
Eine ausreichende, an den Energieverbrauch angepasste Energiezufuhr – insbesondere in Form von Kohlenhydraten – ist wichtig, damit die Aminosäuren für die Proteinsythese aufgespart bzw. „verschont“ und nicht als Energieträger herangezogen werden.
Bei eingeschränkter Energiezufuhr (z.B. im Rahmen einer Diät) oder plötzlicher Inaktivität, wie sie als Folge einer Verletzung auftritt, können über den Tag verteilt erhöhte Proteinmengen von 2 g je kg Körpergewicht oder höher vorteilhaft sein, um einem Verlust an Muskelmasse vorzubeugen.
In einer Diät auf eine hohe Proteinzufuhr zu achten, hat sich in in mehreren Studien als vorteilhaft erwiesen. So können proteinreiche, kalorienrestriktive Diäten bei übergewichtigen Personen zum Erhalt der fettfreien Muskelmasse beitragen und die Wahrnehmung für das Sättigungsgefühl und den Genuss während der Energieeinschränkung verbessern.
Eine Studie im Parallelgruppen-Design an 20 jungen, gesunden Kraftsportlern kam zu dem Ergebnis, dass eine hohe Proteinzufuhr von etwa 2,3 g je kg Körpergewicht (bzw. etwa 35 Energieprozent) zur Aufrechterhaltung der mageren Körpermasse während einer kurzfristigen, hypoenergetischen Diät signifikant überlegener war, als eine Zufuhr von etwa 1 g Protein je kg Körpergewicht, was etwa 15 Energieprozent entspricht.
Eine weitere, randomisierte Studie zeigte, dass eine Diät mit einem höheren Protein- und reduzierten Kohlenhydratanteil in Kombination mit Training additiv zu einer verbesserten Körperzusammensetzung während des Gewichtsverlustes beitrug.
Eine Verdoppelung der Proteinzufuhr von 0,9 g / kg KG (entspricht ungefähr der täglichen empfohlenen Aufnahme für die allgemeine Bevölkerung) auf 1,8 g / kg KG ist in der Lage, die Muskelmasse während einer kurzzeitigen und relativ drastischen Kalorienrestriktion (z.B. „Mini Cut“) zu erhalten.
Pauschale Antwort auf exakten Proteinbedarf? Gibt es nicht!
Wie viel Protein man als Sportler zu sich nehmen sollte, lässt sich – wie anhand der erwähnten Studien zu erkennen ist – nicht pauschal beantworten. Die „optimale“ Proteinmenge für eine Person hängt von den Art, Ausmaß und Dauer der körperlichen Aktivität, dem Ernährungs- und Gesundheitszustand, dem Lebensstil (z.B. Veganismus) und diversen weiteren Variablen ab. Und auch wenn die erwähnten Parameter bekannt sind, so ist eine gewisse Spanne der empfohlenen Proteinzufuhr weitaus brauchbarer als eine fixe Zahl.
Auf Examine.com wird der empfohlene Proteinbedarf (je kg Körpergewicht) gemäß der aktuellen Studienlage in Form des folgenden Guides zusammengefasst:
- 1,5 bis 2,2 g Protein: für Sportler oder hochaktive Personen, die derzeit versuchen, Körperfett zu verlieren und die Muskelmasse zu erhalten
- 1 bis 1,5 g Protein: für Sportler oder hochaktive Personen ODER Personen, die versuchen, Körperfett zu verlieren und die Muskelmasse zu erhalten
- 0,8 g Protein und mehr: für Personen mit überwiegend sitzender Tätigkeit, die ihre Körperzusammensetzung nicht großartig verändern wollen
Fettleibige Personen sollte die Proteinmenge nicht in Relation zu ihrem aktuellen Körpergewicht berechnen, sondern entweder die magere Muskelmasse (Körpergewicht abzgl. Fettmasse, die sich anhand des Körperfettanteils berechnen lässt) oder aber das Zielgewicht/ Wunschgewicht als Grundlage für die Berechnungen heranziehen.
Wie wichtig ist das Protein-Timing?
Laut ACSM führt die Zufuhr von Proteinen mit einer hohen biologischen Wertigkeit (und ca. 10 g essentiellen Aminosäuren) in der frühen Erholungsphase (bis zu 2 Stunden nach dem Training) laut laborbasierten Studien zu einer optimierten Muskelproteinsythese. Dies entspricht einer empfohlenen Proteinzufuhr von 0,25 bis 0,3 g je kg Körpergewicht oder 15 bis 25 g Protein. Für besonders großen oder kleinen Athleten können eventuell abweichende Werte gelten.
Höhere Zufuhrmengen (z.B. >40 g) vermögen die Muskelproteinsythese nach aktuellem Kenntnisstand nicht weiter zu erhöhen und sollten nur bei besonders großen Sportlern oder während einer Diät in Erwägung gezogen werden.
Die trainingsbedingte Erhöhung der Muskelproteinsynthese, die durch Zeitpunkt und Muster der Proteinzufuhr bestimmt wird, spricht auch auf eine Proteinaufnahme innerhalb des 24-Stunden-Fensters nach dem Training an und kann laut ACSM letztendlich in eine andauernde Muskelprotein-Akkretion (Wachstum, Zunahme) und funktionelle Veränderungen übergehen.
Obwohl das Protein-Timing durchaus Einfluss auf die Rate der Muskelproteinsythese hat, ist das Ausmaß der Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit bei der Masse und Kraft einstellen, weniger klar. Nach derzeitigem Kenntnisstand deuten jedoch Langzeit-Trainingsstudien darauf hin, dass die Steigerungen bei Kraft und Muskelmasse am höchsten ausfallen, wenn unmittelbar nach dem Training Protein bereitgestellt wird.
Während sich traditionelle Richtlinien für die Proteinzufuhr auf die gesamte Proteinzufuhr über den Tag (g pro kg Körpergewicht) fokussieren, deuten neuere Empfehlungen darauf hin, dass die Muskelanpassung an das Training durch eine entsprechende Verteilung der Proteinzufuhr über den Tag maximiert werden kann. Empfohlen werden 0,3 g Protein je kg Körpergewicht nach dem Training und alle 3 bis 5 Stunden über verschiedene Mahlzeiten verteilt.
Insgesamt besteht ein hoher Evidenzgrad, dass die Einnahme von Protein (etwa 20 g bis 30 g Gesamtprotein oder etwa 10 g essentielle Aminosäuren) während des Trainings oder in der Erholungsphase (nach dem Training) zu einer erhöhten Proteinbiosynthese im gesamten Körper und in der Muskulatur, sowie zu einer verbesserten Stickstoffbilanz führt.
Hilf viel Protein wirklich viel?
Eine erhöhte Proteinaufnahme (über 0,8 g pro kg Körpergewicht) kann den Muskelaufbau – ein hartes Krafttraining vorausgesetzt – fördern. Allerdings soll das kein Freifahrtschein für eine übermäßige Proteinaufnahme sein.
Für Sportler sind 1,2 bis 2 g Protein je kg Körpergewicht am Tag vollkommen ausreichend. Unter der Prämisse, dass der Energiebedarf gedeckt wird, werden 15 Energieprozent Protein in der Nahrung – sowohl bei Ausdauerbelastungen, als auch im Kraftsport – als ausreichend gewertet. Nur unter Trainings- und Diätzwängen mit unterkalorischer Ernährungsweise sollte speziell auf die Proteinzufuhr und die unterschiedlichen biologischen Wertigkeiten tierischer und pflanzlicher Proteine geachtet werden.
Wie den zuvor erwähnten Ergebnissen der NVZ II zu entnehmen ist, liegt die übliche Proteinzufuhr in der deutschen Bevölkerung mit durchschnittlich 14 Energieprozent für Männer und Frauen im Rahmen dieser spezifischen Nährstoffempfehlungen für Leistungssportler.
Zufuhren von mehr als 2 g/ kg KG/Tag erscheinen als nicht vertretbar und sollten selbst für Spitzensportler in Maximalkraftdisziplinen nicht überschritten werden. Diese Obergrenze kommt einer täglichen anteiligen Nahrungsenergieaufnahme von 20 bis 25 Prozent gleich.
Laut dem im Abschnitt „Brauchen Sportler mehr Protein?“ bereits erwähnten Review scheint – solange die Einnahme anderer Nährstoffe, die für den Erfolg eines Athleten wichtig sind, nicht beeinträchtigt wird – selbst eine Einnahme von 2,5 bis 3 g Protein am Tag wenig schädlich zu sein. So könnte eine hohe Proteinmenge beispielsweise bei Kraftsportlern mit hoher Energiezufuhr (~6400 kcal am Tag) als vernünftig angesehen werden. Dies ist jedoch eher als Ausnahme zu werten und gilt nicht für den 0-8-15-Hobbysportler.
Ein übermäßiger Verzehr von Proteinen führt im Körper zu einem Proteinüberschuss. Und was passiert mit überschüssigem Protein? Es wird für den Energiehaushalt herangezogen bzw. als Brennstoff „verheizt“ und nicht wie erhofft für den Aufbau von noch mehr Muskelmasse.
Proteine – genauer gesagt Aminosäuren – können im Rahmen der sog. Gluconeogenese in Glucose (Zucker) und diese wiederum in Fett umgewandelt werden. Liegt ein Kalorienüberschuss vor, kann auch Protein fett machen.
Zu viel Protein ist nicht nötig und eine recht teure und unökonomische Energiequelle. Der Energiebedarf, der über die erforderliche Menge an Proteinen hinausgeht, sollte stattdessen mit Kohlenhydraten und/oder Fetten gedeckt werden.
Trotzdem werden im Kraftsport – und vor allem im Bodybuilding – werden z.T. exorbitante Proteinmengen ohne positiven „Extra-Effekt“ eingenommen. Getreu dem Credo „Viel hilft viel“. Dabei bleibt nicht nur die erhoffte Wirkung auf den zusätzlichen Muskelaufbau aus, eine zu hohe Proteinzufuhr kann auch zu verstärktem Calciumverlust führen. Ab einer Zufuhr von 4 g Protein je kg Körpergewicht sind auch Nierenschäden möglich. Auch können bei zu hohen Proteinmengen Magen-Darm-Probleme auftreten (für weitere Ausführungen siehe Abschnitt „Ist zu viel Protein gefährlich?“)
Protein gemeinsam mit Kohlenhydraten aufnehmen?
Die Aufnahme von Kohlenhydraten führt zu einer Ausschüttung von Insulin – einem anabol wirkenden Hormon –, was sich wiederum günstig auf den Muskelaufbau auswirken soll. In Anbetracht der Studienlage (Nutrition and Athletic Performance; Table 1), herrscht eine gute Beweislage, dass die gemeinsame Zufuhr von Proteinen und Kohlenhydraten in der Erholungsphase zu einer verbesserten Netto-Protein-Bilanz nach dem Training führt.
Für die Rate der Muskel-Glykogensynthese in der Erholungsphase macht es keinen Unterschied, ob Kohlenhydrate alleine oder in Kombination mit Proteinen verzehrt werden. Die Wirkung von Proteinen plus Kohlenhydraten auf die Creatin-Kinase-Aktivität ist nicht schlüssig und zeigt keine Auswirkungen auf den Muskelkater nach dem Training. Zur Erläuterung: Creatin-Kinasen sind Enzyme, die am Aufbau des Energiespeichers für Muskelzellen beteiligt sind. Wird Muskelgewebe geschädigt (z.B. nach exzessivem und ungewohntem Muskeltraining) treten vermehrt Creatin-Kinasen aus den Muskelzellen aus und sind im Blut nachweisbar.
Darüber hinaus zeigte die gemeinsame Zufuhr von Kohlenhydraten plus Proteinen in der Erholungsphase keinen eindeutigen Einfluss auf die spätere Kraft oder Sprintleistung. Jedoch führt die Einnahme von Protein in der Erholungsphase (post-exercise) zu einer beschleunigten Rückgewinnung von statischer Kraft und dynamischer Kraftproduktion bei verzögertem Einsetzen von Muskelkater und mehr durchgeführten Wiederholungen nach intensiven Widerstandstraining.
Was sind gute Proteinquellen für Sportler?
Sportler greifen zur Deckung ihres Proteinbedarf am besten auf natürliche, möglichst unverarbeitete Lebensmittel zurück. Gegen einen gelegentlichen Proteinshake ist zwar nichts einzuwenden, jedoch sollten Proteinpulver nicht als primäre Eiweißquelle dienen, sondern – wenn überhaupt – eine Nahrungsergänzung sein.
Langzeit-Trainingsstudien haben gezeigt, dass der Konsum von Protein auf Milchbasis nach einem Widerstandstraining wirksam bei der Steigerung der Muskelkraft ist und günstige Veränderungen in der Körperzusammensetzung bewirkt. Darüber hinaus gibt es Berichte über eine erhöhte Muskelproteinsythese und Muskelprotein Akkretion bei Vollmilch, magerem Fleisch und Nahrungsergänzungsmittel, von denen einige die isolierten Proteine Whey, Casein, Soja und Ei beinhalten.
Gute Proteinquellen für Sportler sind Milch und Milchprodukte, wie Joghurt, Hüttenkäse, Harzer Käse, griechischer Joghurt, Quark etc., mageres Fleisch (z.B. Geflügel, Rindertatar), Fisch (z.B. Lachs mit seinen wertvollen Omega-3-Fettsäuren), Eier (inbesondere in Kombination mit Kartoffeln und Getreide), sowie Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Bohnen und Linsen.
Welche Bedeutung haben BCAAs für Sportler?
Als BCAAs (für englisch Branched-Chain Amino Acids) bzeichnet man die verzweigtkettigen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin. Alle drei essentiellen Aminosäuren mit verzweigter Kohlenstoffkette dienen der Ernährung des Muskels.
Muskelproteine bestehen zum Großteil aus eben diesen drei Aminosäuren, weshalb ihre Aufgaben hauptsächlich proteinogener Natur sind. „Proteinogen“ bedeutet „Proteine erzeugend“ bzw. „für die Proteinsynthese verwendet“. Valin, Leucin und Isoleucin dienen also in erster Linie zum Aufbau von Proteinstrukturen und weniger als Baustoff für Hormone etc.
Leucin spielt eine wichtige Rolle bei der Muskelproteinsynthese und wird häufig auch als die „wichtigste“ Aminosäure bezeichnet, da die bekannten Vorteile von BCAAs für den Muskelaufbau hauptsächlich auf Leucin zurückzuführen sind. Leucin sorgt für den Erhalt und Aufbau von Muskelgewebe, indem es die Proteinbiosynthese in der Muskulatur und Leber unterstützt, den Abbau von Muskelprotein hemmt und Heilungsprozesse fördert.
Auch Valin und Isoleucin werden als Baustein zur Proteinbiosynthese benötigt, jedoch wirken sie viel schwächer als Leucin, sodass 5 g Leucin effektiver sind als 5 g BCAA-Mix. Studien deuten darauf hin, dass Leucin (als Nahrungsergänzung oder in einer Testmahlzeit) in der Lage zu sein scheint, die Muskelproteinsynthese nach Testmahlzeiten zuverlässig zu erhöhen. Ob dies nun auch zu einer Zunahme an fettfreier Muskelmasse über einen bestimmten Zeitraum führt, ist weniger zuverlässig.
Die verzweigtkettige Aminosäure Isoleucin hat die Fähigkeit, die Muskelproteinsynthese (stärker als Valin, aber viel schwächer als Leucin) zu induzieren. Zudem ist Isoleucin in der Lage, die Glucoseaufnahme in die Muskelzellen und die Verwendung von Glucose während des Trainings signifikant zu steigern, wobei Isoleucin nicht die Glykogensynthese (Aufbau der Speicherform der Glucose) fördert.
Zwar hat auch Leucin die Fähigkeit, die direkte Glukoseaufnahme in eine Zelle ohne Insulin zu stimulieren, jedoch wirkt Leucin auch genau auf dem gegenteiligen Wege, indem es die insulin-stimulierte Glukoseaufnahme hemmt und sich somit selbst behindert bzw. im Weg steht und den Gesamteffekt abschwächt.
Hingegen wirkt Isoleucin nur in vorhersagbarer und linearer Weise. Isoleucin wird wird daher als das BCAA angesehen, welches in einem größeren Ausmaß zur Glucoseaufnahme (in die Zellen) und zum Abbau (in Energie) führt. Bei Aufnahme vor dem Training und ausreichend gefüllten Kohlenhydratspeichern kann Isoleucin durchaus zur Leistungsverbesserung beitragen.
Auch die BCAA Valin wird als Baustein zur Proteinbiosynthese benötigt, wobei die Effekte auf den Muskelaufbau wahrscheinlich geringer ausfallen als bei Leucin und Isoleucin. Ähnlich wie Leucin kann auch Valin einen vorübergehenden Zustand der Insulinresistenz bewirken, der jedoch zügiger auftritt.
BCAAs fördern die Proteinsytnhese und den Proteinumsatz, die Signalwege im Muskel und den Glucosestoffwechsel. Darüber hinaus können BCAAs die Oxidation von Fettsäuren steigern.
Aus physiologischer Sicht spielen BCAAs auch für das Immunsystem und das Gehirn eine Rolle. Alle drei BCAA können auch als Energielieferant herangezogen werden und zur Energiegewinnung in Muskelzellen dienen (z.B. bei proteinreicher Kost/ Proteinüberschuss, bei längeren Anstrengungen und in Hungerphasen bzw. der Mobilisierung körpereigener Proteinreserven).
Wie alle essentiellen Aminosäuren, können auch Valin, Leucin und Isoleucin nicht vom Körper gebildet werden. Sportler müssen sie mit der Nahrung zuführen. Das ist insofern kein Problem, da BCAAs in allen proteinhaltigen Nahrungsmitteln vorkommen. In der Nahrung machen BCAAs etwa die Hälfte aller essentiellen Aminosäuren aus. Während andere Aminosäuren zunächst über die Leber verstoffwechselt werden, können BCAA aufgrund ihrer Struktur direkt über den Darm in die Muskulatur aufgenommen werden. Ihnen bleibt der Weg über die Leber sozusagen „erspart“.
Die erhofften Wirkungen von BCAAs im Bodybuildung- und Kraftssportbereich sind dabei ein verbesserter Muskelaufbau mit geringerem Muskelabbau und spätere Ermüdung bei Ausdauerbelastungen.
Eine Supplementierung verhindert einen Serumabfall von BCAAs, der während des Trainings auftritt. Ein solcher Serumabfall würde normalerweise zur Steigerung der Tryptophanaufnahme ins Gehirn führen, welche mit einer gesteigerten Serotoninsynthese assoziiert wird, die wiederum Müdigkeit verursacht.
Die tägliche Aufnahme von BCAA ist zwar wichtig, jedoch liefern viele Proteinquellen, wie Fleisch und Eier, bereits BCAAs. Daher ist eine Supplementierung für Personen mit einer ausreichend hohen Proteinzufuhr (1 bis 1,5 g / kg KG pro Tag oder mehr) unnötig.
Eine zusätzliche Einnahme von BCAA kann für Menschen mit geringer Proteinaufnahme über die Nahrung sinnvoll sein und hier im Laufe der Zeit die Muskelproteinsynthese fördern und den Muskelwachstum erhöhen. Auch kann eine BCAA-Supplementierung bei Anfänger-Athleten die Ermüdungserscheinungen vorbeugen.
Sind Protein-Supplemente sinnvoll?
Der Markt für Fitness- und Sportbegeisterte wimmelt nur so von Proteinpulvern, Proteinriegeln, BCAAs & Co. Glaubt man den Werbeversprechen, soll die gezielte isolierte Aufnahme von Protein oder Aminosäuren den Muskelaufbau besonders effektiv fördern. Aber sind Protein-Supplemente wirklich sinnvoll? Und wenn ja: wann?
Nun, grundsätzlich kann man festhalten, dass die Supplementierung von Protein i.d.R. nicht erforderlich ist. Breiten- und Hobbysportler können sich das Geld für Proteinpulver & Co. sparen, da sie über eine ausgewogene und bedarfsgerechte Ernährung bereits ausreichend Protein zuführen. Auch Hochleistungsathleten können ihren Proteinbedarf i.d.R. problemlos über natürliche Lebensmittel decken und auf Proteinpräparate verzichten. Schließlich resultiert ein höherer Energiebedarf bwz. eine höhere Energiezufuhr auch in einer höheren Proteinaufnahme.
Das wissenschaftliche Gremium für Diätetische Produkte, Ernährung und Allergien (Dietetic Products, Nutrition and Allergies; NDA) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam zu dem Schluss, dass kein Nachweis dafür vorliegt, dass die Zufuhr bestimmter Proteinquellen (Whey Protein, Casein Hydrolysat, Kolostrum), spezifischer Aminosäuren, die Bestandteil von Proteinen sind (z.B. BCAA, β-Alanin, L-Glutamin) oder chemischer, aus Aminosäuren aufgebauten Verbindungen (L-Carnitin, L-Carnosin) eine Wirkung auf die Gesamtkörpermasse, Muskelmasse oder andere für Sportler als vorteilhaft angesehene Ergebnisse (z.B. Ausdauerkapazität und/oder Leistungsfähigkeit, Muskelkraft, Wiederauffüllung der Glykogenspeicher in der Muskulatur nach einem anstrengenden Training, die Reparatur des Skelettmuskelgewebes und die Regeneration ermüdeter Muskeln nach dem Training) hat, die über das hinausgeht, was man von einer Proteinzufuhr im Rahmen einer Mischkost erwarten kann, sofern die Energie- und Nährstoffanforderungen erfüllt sind.
Oder kurz gesagt: isolierten Protein-Supplementen kann – im Vergleich zu proteinreichen Lebensmitteln – keine besondere Förderung des Muskelaufbaus zugesprochen werden.
Hochgereinigte Protein-Nahrungsergänzungsmittel haben im Direktvergleich zu natürlichen Lebensmitteln sogar zwei gravierende Nachteile. Zum einen werden die Proteine in Supplementen schneller aus dem Verdauungstrakt aufgenommen und führen zu einem starken Anstieg der Aminosäurenkonzentration im Blut. Der Körper kann somit direkt auf die Aminosäuren zur Energiegewinnung zurückgreifen, anstatt sie zur Proteinsysthese aufzusparen. Zum anderen führt die Zufuhr von überwiegend reinem Protein zu einem ungünstigen Hormonbild für den Proteinaufbau. Eine gemischte Kost hat aufgrund ihres Kohlenhydratanteils den Vorteil, dass die Insulinausschüttung eine anabole Stoffwechsellage und damit auch die Proteinsynthese begünstigt.
Laut Gremium stellen Training und Ernährung die wichtigsten anabolen Einflüsse auf die Muskulatur dar. Die Zufuhr von ausreichend Energie und Protein über die Nahrung ist Voraussetzung für die Muskelproteinsynthese und den Erhaltung von Muskelmasse und Muskelfunktion.
Wo wir bereits bei einem Punkt angekommen wären, an dem der Einsatz von Protein-Supplementen sinnvoll sein kann – nämlich dann, wenn keine ausreichende Energiezufuhr sichergestellt bzw. vorgesehen ist. Dies ist z.B. im Rahmen stark energiereduzierter Diäten bei gleichbleibendem Trainingsumfang der Fall (z.B. in der Definitionsphase bei Bodybuildern). Kann der tägliche Proteinbedarf (unter Berücksichtigung der Ernährungsziele hinsichtlich der Energiebilanz und anderer Makro-Nährstoffe) nicht oder nicht ausreichend über natürliche Lebensmittel gedeckt werden, kann über die Verwendung eines Protein-Supplements nachgedacht werden.
Bei der Wahl zwischen Protein- und Aminosäure-Präparat (selektive Einnahme einzelner Aminosäuren für erhoffte selektive Wirkung) sollte man bedenken, dass bei der Einnahme von isolierte Aminosäuren in größeren Mengen ein potentielles Gesundheitsrisiko besteht. Isolierte Aminosäuren kommen in der Ernährung so nicht vor und können die Aufnahme anderer wichtiger Aminosäuren blockieren und ein Ungleichgewicht entstehen lassen.
Hinsichtlich der Qualität von Protein-Supplementen ist es ratsam, auf Präparate seriöser Hersteller zurückzugreifen, um Wirkstoffschwankungen innerhalb der Produkte oder gar Verunreinigungen mit dopingähnlichen Substanzen vorzubeugen. Gute Proteinpräparate erkennt man nicht anhand von vollmundigen Versprechungen der Hersteller, sondern z.B. anhand von unabhängigen Laboranalysen, die viele Anbieter auf den Produktseiten im Internet frei zugänglich machen.
Auch die sog. Kölner Liste, die Nahrungsergänzungsmittel enthält, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden, ist ein guter Anhaltspunkt. Da die Kölner Liste für die Laboranalysen Gebühren vom Hersteller verlangt, sind Produkte, die sich nicht in der Liste befinden, nicht automatisch schlecht. Auf die Transparenz kommt es an. Hersteller, die die „hohe Qualität“ ihrer Produkte anpreisen, sollte diese auch anhand von unabhängigen Analysen belegen können.
Laut wissenschaftlichem Lebensmittelausschuss der Europäischen Kommission sollten Protein-Supplemente eine hochwertige Proteinquelle als Basis haben und 70 Prozent Protein (bezogen auf die Trockenmasse bei Proteinkonzentraten, z.B. Proteinpulver) bzw. mindestens 25 Prozent der Gesamtenergie bei mit Protein angereicherten Lebensmitteln (z.B. Proteinriegeln) haben. Die Zugabe von Aminosäuren sollte – falls nötig – nur zur Verbesserung der Proteinqualität eingesetzt werden.
Sofern Aminosäuren zugesetzt wurden, sollten diese Produkte mindestens 0,02 mg Vitamin B6 pro 1,0 g Protein enthalten. Da Vitamin B6 seine Wirkung im Aminosäurestoffwechsel entfaltet, hängt der Bedarf mit der Proteinzufuhr zusammen. Je mehr Eiweiß der Körper aufnimmt, desto mehr Vitamin B6 benötigt er. Bei übermäßiger Proteinzufuhr (inbesondere in Form von isolierten Proteinen und Aminosäuren) könnte der Bedarf ggf. nicht gedeckt werden kann.
Bei einer ausgewogenen Ernährung ist jedoch sowohl die Supplementierung von Vitamin B6, als als auch von Proteinen i.d.R. überflüssig, da eine optimale Versorgung über die Nahrung problemlos erreicht werden kann. Wer dennoch zu Protein-Supplementen, z.B. in Form eines Proteinpulvers greift, sollte diese zusammen mit Kohlenhydraten (z.B. Haferflocken, Obst) aufnehmen, um den Hormonspiegel und den Muskelaufbau positiv zu beeinflussen. Im Rahmen einer Diät oder erschöpften Kohlenhydratspeichern kann eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr zudem zum Muskelschutz beitragen.
Nach dem Training kann ein Proteinriegel aufgrund seines höheren Kohlenhydratgehalts (im Vergleich zum Proteinshake) eine schnelle und zeitsparende – wenn auch nicht adäquate – Alternative zu einer protein- und kohlenhydrathaltigen Post-Workout-Mahlzeit sein.
Ist zu viel Protein gefährlich?
Für einen durchschnittlichen Erwachsen werden täglich 0,8 g Protein pro kg Körpergewicht empfohlen, bei Sportlern gelten 1,2 bis 2 g als ausreichend. Laut einer Studie im Parallelgruppendesign aus dem Jahre 2010, kann eine höhere Proteinzufuhr (2,3 vs. 1 g / kg KG/ Tag) bei Sportlern im Rahmen einer kürzeren (2 wöchigen) energiereduzierten Ernährung zum Erhalt der Muskelmasse bei Verlust von Körpergewicht und Körperfett beitragen.
Höhere Proteinmengen können kurzfristig durchaus angebracht sein, z.B. um im Rahmen einer Diät oder während eines intensiven Trainingsprogramms die Muskelproteinsynthese und den Erhalt der fettfreien Masse zu unterstützen.
Aber ist auch eine dauerhaft erhöhte Proteinzufuhr (> 2 g/ kg KG/ Tag) schädlich? Nun, laut den meisten Empfehlungen sollten 2 g Protein pro kg Körpergewicht am Tag als Obergrenze eingehalten werden. Ob, wann und inwiefern eine dauerhaft zu hohe Proteinaufnahme von über 2 g pro kg Körpergewicht zu eventuellen Nebenwirkungen führt, wird kontrovers diskutiert.
Bis dato ist eine klare gültige Fachmeinung nicht möglich. Fakt ist: wer sich sehr eiweißreich ernährt, sollte eine gesunde Niere haben. Immerhin ist die Niere erforderlich, um den Harnstoff – das Hauptabbauprodukt des Proteins – auszuscheiden. Bei einer permanent (zu) hohen Proteinzufuhr wird die Niere stärker belastet.
Denn Proteine werden im Vergleich zu Kohlenhydraten und Fetten anders verstoffwechselt. Letztere werden im Stoffwechselgeschehen rückstandslos zu Wasser und Kohlendioxid „verbrannt“. Wasser kann problemlos über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden oder im Organismus weiterverwendet, Kohlendioxid über die Lungen abgeatmet werden.
Lediglich Eiweiß lässt sich nicht zu Wasser und Kohlendioxid abbauen. Die stickstoffhaltige Aminogruppe der Eiweißbausteine muss als Harnstoff entgiftet und mit Aufwand aus dem System über die Nieren ausgeschieden werden. Um das Organ bei seiner Arbeit zu unterstützen, ist es daher sinnvoll, viel zu trinken. Dadurch kann der Harnstoff im Urin verdünnt werden. Auch Basenlieferanten, wie Gemüse und Obst, können eine eiweißreiche Ernährung durch den Ausgleich der bei der Verstoffwechslung des Proteins entstehenden Säure unterstützen.
Wer gesunde Nieren hat, muss sich bei einer erhöhten Proteinzufuhr eher wenig Sorgen machen. Bei einer Ernährungsumstellung hin zu mehr Protein (z.B. bei Low Carb oder einer ketogenen Diät) ist es ratsam, die Proteinzufuhr langsam über einen mäßigen Zeitraum zu steigern, statt von heute auf morgen deutlich höhere Mengen zuzuführen.
Was sollten Personen mit Nierenschäden beachten?
Personen mit chronischen Nierenerkrankungen sollten ihre Proteinzufuhr hingegen kontrollieren. Ihnen werden i.d.R. empfohlen, die Eiweißzufuhr mit der Nahrung moderat einzuschränken (auf 0,8 bis 1 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht). Die Empfehlung deckt sich damit zwar mit den allgemeinen Empfehlungen der DGE für die Proteinaufnahme bei gesunden Erwachsenen. Jedoch wird die empfohlene Proteinmenge – wie die Ergebnisse der Nationalen Verzehrstudie II nahelegen – mit der heutigen Ernährung in vielen Fällen überschritten.
Da chronische Nierenkrankheiten zur kontinuierlichen Verschlechterung neigen, hat die Proteinrestriktion als Behandlungsmaßnahme das Ziel, die Progression zu hemmen, also den jährlichen Nierenfunktionsverlust zu mindern.
Mithilfe der sog. Glomerulären Filtrationsrate (GFR) – dem wichtigsten Maß (Laborwert) zur Einschätzung der Nierenfunktion – wird die chronische Nierenschwäche (CKD; chronic kidney disease) in 5 Stadien unterteilt. Bei normal funktionierenden Nieren liegt die GFR bei 95 bis 110 ml pro Minute. Das bedeutet, dass eine gesunde Niere pro Minute mindestens 95 ml Blut von frei filtrierbaren Stoffen reinigt und diese über den Urin ausscheidet.
Im ersten Stadium einer Nierenerkrankung (GFR ≥ 90) zeigen die Patienten oftmals keinerlei Symptome. Lediglich die Eiweißausscheidung über den Urin kann erhöht sein. Wird eine Niereninsuffizienz in diesem frühen Stadium diagnostiziert, handelt es sich meistens um einen Zufallsbefund. Mit fortschreitendem Funktionsverlust können die Nieren ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Fallen die Nieren vollständig aus, spricht man von einer terminalen Niereninsuffizienz, genauer gesagt von Niereninsuffizienz Stadium 5 (GFR: <15).
Ab einer mittelgradigen Einschränkung der Nierenfunktion sollte eine Proteinbegrenzung erfolgen. In den frühen Stadien der chronischen Nierenkrankheiten ist eine Einschränkung der täglichen Zufuhr auf 0,8 g pro kg Körpergewicht biologisch hochwertigen Eiweißes sinnvoll und kann wohl ohne Gefährdung des Patienten durchgeführt werden. Die kontrollierte Proteinzufuhr kann das Fortschreiten der Niereninsuffizienz verzögern und eine Dialysetherapie aufschieben.
Stark eiweißreduzierte Diäten (< 0,4 g/ kg KG/ Tag) werden wegen des erhöhten Risikos einer Malnutrition (Unterernährung, quantitative Mangelernährung) nicht mehr empfohlen. Eine zu hohe Proteinzufuhr (>1,3 g/ kg KG/ Tag) sollte jedoch ebenso vermieden werden, da sie – anders als bei Personen mit normaler Nierenfunktion – bei Bestehen einer leichten Nierenfunktionseinschränkung zur einer Verschlechterung des Nierenfunktion führen können.
Im Endstadium einer chronischen Nierenerkrankung (dialysepflichtiges Nierenversagen) kommen die Hämodialyse bzw. Blutwäsche und die Peritonealdialyse oder auch „Bauchfelldialyse“ als Nierenersatzverfahren zum Einsatz. Während die Blutreinigung bei der Hämodialyse außerhalb des Körpers stattfindet, wird das Dialysat bzw. die „Reinigungslösung“ bei der der Bauchfelldialyse in die Bauchhöhle gegeben.
Bei beiden Dialyseverfahren gehen Aminosäuren mit der Dialysatlösung verloren (bei der Bauchfelldialyse in etwas höherem Maße). Daher sollte die Ernährung von einer zuvor eher proteinarmen auf eine eher eiweißreiche Kost umgestellt werden. Bei Hämodialysepatienten wird eine Proteinzufuhr von ≥ 1,1 g Protein je kg Körpergewicht empfohlen, bei Peritonealdialysepatienten aufgrund des noch höheren Protein- und Aminosäureverlustes im Dialysat sogar ≥ 1,2 g.
Proteinmengen > 1,4 g je kg Körpergewicht werden nicht empfohlen, da sie das Risiko für eine quantitative Mangelernährung und kardiovaskuläre Mortalität bzw. Sterblichkeit nicht weiter zu senken vermögen.
Trotz leicht erhöhter Proteinzufuhr in der Dialysephase sollte aber gleichzeitig auf eine möglichst niedrige Phosphatzufuhr geachtet werden. Phosphate stecken u.a. in konservierten Fleisch- und Wurstwaren, Fischkonserven und Backwaren, stabilisierten und verdickten Milchprodukten, Schmelzkäse, Cola, Fast Food und anderen hochgradig verarbeiteten Fertiglebensmitteln.
Hinsichtlich der Proteinzufuhr bei Dialysepatienten gilt es zu bedenken, dass die höhere Proteinmengen in erster Linie dazu dienen sollen, einer Mangelernährung vorzubeugen. Nierenerkrankte Patienten weisen aufgrund verschiedener Ursachen einen gesteigerten Proteinkatabolismus bei gleichzeitiger Hemmung anaboler Stoffwechselvorgänge auf.
Ein vermindertes Hungergefühl und infolge dessen eine geringere sponante Energie- und Proteinaufnahme, sowie Störung des Geruchsempfindens können ebenfalls zu einer Mangelernährung führen, weshalb bei Dialysepatienten höhere Proteinmengen empfohlen werden. Wer jedoch trotz niedrigerer Proteinzufuhr (leicht unterhalb der Empfehlungen) keine Anzeichen einer Mangelernährung zeigt, für den ist auch nicht zwingend die fixe Einhaltung der höheren Proteinmengen erforderlich.
Viel Protein – schädlich für die Leber?
Neben möglichen Gefahren einer hohen Proteinzufuhr für die Nieren, werden auch die Folgen für die Leber diskutiert. Bei gesunden Personen gibt es derzeit keine Hinweise darauf, dass eine relativ normale Art der Proteinzufuhr im Rahmen der üblichen Ernährung schädlich für die Leber ist.
Auch bei Patienten mit einer Leberzirrhose sollte die tägliche Eiweißzufuhr nicht eingeschränkt werden und bei 1,2 g pro kg Körpergewicht am Tag liegen (bei einer defizitären Protein- und Energieversorgung auch 1,5 g/ kg KG).
Eine Proteinrestriktion darf nur in Ausnahmefällen, z.B. in einem fortgeschrittenen Stadium der hepatischen Enzephalopathie (Funktionsstörungen des Gehirns) oder mit therapierefraktärer (= mit üblichen Mitteln nicht therapierbarer) chronischer hepatischer Enzephalopathie, verordnet werden.
Zur Erläuterung: eine hepatische Enzephalopathie entsteht durch eine unzureichende Entgiftungsfunktion der Leber. Dabei kann zu neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten kommen, die durch die mangelhafte Elimination verschiedener Substanzen im Blut verursacht werden (u.a. Ammoniak als Abbauprodukt des Aminosäurestoffwechsels und aromatischen Aminosäuren bei abnehmender Konzentration verzweigtkettiger Aminosäuren). Eine reduzierte Proteinzufuhr (auf 40 bis 60g / Tag) soll helfen, den Ammoniakspiegel zu senken.
Da Zirrhose-Patienten einen Mangel an verzweigtkettigen Aminosäuren im Blut haben, kann bei ihnen eine Ergänzung mit Leucin, Isoleucin und Valin vorteilhaft sein. Dabei sind Milch bzw. Milchprodukte und pflanzliche Proteinquellen günstiger zu bewerten als tierisches Eiweiß aus z.B. Fleisch, Fisch und Eiern, da sie vorweigend in der Muskulatur und weniger in der Leber abgebaut werden, den den Ammoniakspiegel dadurch nicht ansteigen lassen und den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
Die Zufuhr aromatischer Aminosäuren (von Fleisch, Wurst, Fisch und Eiern) ist einzuschränken, da sie in der Leber verstoffwechselt werden und den Ammoniakspiegel erhöhen können. Überwiegen nämlich die aromatischen und fehlen verzweigtkettige Aminosäuren, baut der Organismus körpereigenes Protein ab, um seinen Bedarf an verzweigtkettigen Aminosäuren zu decken. Die Folge ist eine massive Eiweiß-Katabolie. Beim Abbau entstehen jedoch neben verzweigtkettigen, auch wieder aromatische Aminosäuren, die man eigentlich reduzieren möchte.
Da es sehr schwierig ist, gezielt verzweigtkettige Aminosäuren zuzuführen, kann auf BCAA-Präparate (in Form von ärztlich verordneten Medikamenten) zurückgegriffen werden. Verzweigtkettige Aminosäuren liefern dem Körper gut verträgliche Vorstufen für die Proteinsynthese und beugen bei eiweißarmen Diäten mit < 50g Eiweiß pro Tag der Gefahr einer Proteinunterversorgung und infolge dessen auch einem Abbau von körpereigenem Protein vor.
Obwohl eine relativ normale Proteinzufuhr im Rahmen der üblichen Ernährung bei gesunden Personen zu keinen Leberschäden führen dürfte, gibt es einige vorläufige Hinweise aus Tierversuchen darauf, dass eine sehr hohe Proteinzufuhr nach einer längeren Fastenphase (> 48 Stunden) akute Verletzungen der Leber verursachen kann.
Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine permanent hohe Proteinzufuhr langfristig nicht doch negative Auswirkungen haben könnte. Ein Beispiel hierfür ist die Toxizität von sog. Aflatoxinen (Schimmelpilzgiften), die bei einer proteinreichen Ernährung stärker als bei proteinarmer Ernährung ist. Aflatoxine können aufgrund eines vor oder nach der Ernte auftretenden Pilzbefalls auftreten.
Zu den Lebensmitteln, die potentiell mit Aflatoxinen belastet sein können, gehören ölhaltige Samen (z.B. Mohn, Sesam), Nüsse (z. B. Erdnüsse, Haselnüsse, Paranüsse, Mandeln oder Pistazien), Getreidesorten wie Reis und Hirse, bestimmte Hülsenfrüchte (Ackerbohnen, Soja und z.T. exotische Bohnen aus Afrika), aber auch Trockenfrüchte – insbesondere Feigen – und diverse Gewürze, wie Chili, Paprika, Pfeffer, Muskatnuss, Ingwer oder Gelbwurz.
Aflatoxine zählen zu den stärksten in der Natur vorkommenden Giften und weisen ein hohes krebserzeugendes Potential auf. Sie können die Leber schädigen und auf Dauer Leberkrebs begünstigen. Da Aflatoxine hitzebeständig sind, können die Gehalte durch Garvorgänge, wie Kochen, Backen oder Braten nicht verringert werden. Die europäische Kommission hat zwar Höchstwerte für Aflatoxine festgelegt, allerdings stellen die Überwachungsbehörden der Bundesländer in Einzelfällen Überschreitungen der Höchstgehalte für Aflatoxine in Lebensmitteln und Futtermitteln fest.
Aflatoxinen wirkt stärker karzinogen bzw. krebserzeugend, wenn die Ernährung sehr hoch an Protein ist. Dies liegt daran, dass das Gift durch die sog. „Cytochrome P450“ (Hämproteine mit enzymatischer Aktivität) aktiviert wird, deren Gesamtaktivtät bei einer proteinreichen Ernährung erhöht ist. Wenn Aflatoxin mit unterschiedlichem Proteingehalt verfüttert wird, fällt die Inzidenz bzw. Häufigkeit von Lebertumoren bei niedrigeren Proteingehalt geringer aus.
Die potentiell höher Toxizität von Aflatoxinen ist kein genereller Nachteil einer proteinreiche Ernährung (immerhin muss dafür Aflatoxin zugeführt werden, was sich vermeiden lässt). Außer den erwähnten Situationen scheint es nach jetzigem Kenntnisstand keine nachteiligen Wechselwirkungen zwischen Nahrungsproteinen an sich und der Leber zu geben. Für Personen mit einer gesunden Leber gilt die Zufuhr von Protein i.d.R. als sicher.
Viel hilft nicht viel
Bei gesunden Personen stellt eine hohe Proteinzufuhr in den meisten Fällen keine Probleme dar. Überschüssig aufgenommenes Eiweiß wird verstoffwechselt und hat keine direkten negativen Wirkungen.
Gerade im Kraftsport werden jedoch gelegentlich noch sehr hohe Proteinmengen (bis zu 4 g/ kg KG/ Tag) empfohlen. Doch viel hilft nicht unbedingt viel. Der erhoffte zusätzliche Effekt auf den Muskelwachstum oder die Kraftleistungsfähigkeit durch noch mehr Protein bleibt – zumindest bei Natural Athleten – aus. Eine Proteinaufnahme von über 2 g pro kg Körpergewicht fördert den Muskelwachstum nicht zusätzlich, sondern wird nur zur Energiegewinnung und Speicherung in Form von Fett genutzt.
Daher ist es unnötig, mehr als 2 g Protein pro kg Körpergewicht aufzunehmen und dem Körper damit ggf. zu viel zuzumuten. Selbst bei Hochleistungssportlern reicht eine ausgewogene, dem insgesamt höheren Energieumsatz kalorisch angepasste Ernährung i.d.R. völlig aus, um den erhöhten Protein- und Aminosäurebedarf zu decken. Proteinshakes können (eher aus organisatorischen als aus physiologischen Gründen) eine praktische Lösung sein, stellen jedoch keinen adäquaten Ersatz für natürliche Lebensmittel dar.
Ergänzend bleibt zu bedenken, dass die isolierte Einnahme von Proteinpräparaten zu einer vermehrten Calcium-Ausscheidung über den Urin führen kann, was eine Abnahme der Knochendichte zur Folge kann. Eine proteinreiche Ernährung, die gleichzeitig arm an Calcium ist, wirkt sich damit abträglich auf die Knochengesundheit aus.
Im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln ist die Gefahr eines ungünstigen Calcium-Protein-Verhältnisses geringer, da vor allem Milch und Milchprodukte viel Calcium liefern und die vermehrten Ausscheidung von Calcium bei hoher Proteinaufnahme i.d.R. mehr als ausgleichen.
Bei einer Ernährungsweise, die täglich mehr als 2 g Protein/kg KG liefert und hierfür Lebensmittel tierischer Herkunft bevorzugt, ist zudem zu bedenken, dass ggf. der Anteil gesättigter Fettsäuren (z.B. aus Fleisch, Wurst, Käse) auf Kosten ungesättigter Fettsäuren verschiebt und eventuell andere Lebensmittel bzw. Nährstoffe vom Speiseplan verdrängt werden. Als weitere „unerwünschte“ Begleiter einer proteinreichen Kost, die bevorzugt aus tierischen Produkten stammt, sind Cholesterol und Purine (Harnsäurebildner) zu nennen.
Eine übermäßige Eiweißaufnahme (> 200 g/ Tag) kann die Harnstoffkonzentration im Blutplasma auf Werte bis zu 80 mg/dl ansteigen lassen (Normalwert: 10 bis 50 mg/dl). Dies wird durch eine eingeschränkte Flüssigkeitszufuhr, stärkeres Schwitzen oder eine erniedrigte Urinproduktion zusätzlich begünstigt. Grund für den Anstieg der Harnstoffkonzentration ist die Energiegewinnung aus dem überschüssigen Protein, welche zu einer vermehrten Harnstoffbildung führt.
Es bleibt somit zu berücksichtigen, dass eine erhöhte Proteinzufuhr zu eine Anstieg ausscheidungspflichtiger Abbauprodukte von Stoffwechselvorgängen und zu einer Erhöhung der glomerulären Filtrationsrate bzw. des durch die Nieren geklärten/ filtrierten Volumens beiträgt. Bei Personen mit gesunden Nieren bleibt dies ohne wesentliche Folgen. Eine GFR über den Normalwerten kann jedoch auch ganz am Anfang einer Nierenschädigung auftreten, da die Nieren in diesem Stadium versuchen, die Filterleistung durch eine Überfunktion vorübergehend zu erhöhen. Warum also den Nieren unnötig zu viel zumuten?
Obwohl eine erhöhte Proteinzufuhr bei (Nieren-)Gesunden keine wesentlichen nachteiligen Folgen hat, ist ein Übermaß an Protein aus vielerlei Hinsicht ungünstig und vor allem überflüssig.
Mit bis zu 2 g Protein pro kg Körpergewicht (großzügige Sicherheitspuffer bereits enthalten) ist man mit Proteinen und Aminosäuren mehr als gut ausgerüstet. Der Mythos, das mehr Protein mehr Wirkung erzielt, beruht z.T. auf kopierten Ernährungsplänen von Profibodybuildern und Steroidnutzern, veralteten Studien zur Stickstoffbilanz, Werbeversprechen der Supplementindustrie usw.
In Anbetracht der Tatsache, dass das „zu viel“ an Proteinen als Energieträger herangezogen wird, sollte man sich das Geld für teure und hochwertige Proteinquellen, wie gutes Fleisch, Fisch, Eier usw. besser sparen und den verbleibenden Energiebedarf im Sinne einer ausgewogenen und vielseitigen Ernährung lieber über Kohlenhydrate (Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst, Reis, Nudeln, Haferflocken etc.) und/oder Fette (z.B. Nüsse, Samen, Mandelbutter, Butter, Kokosfett etc.) decken.
Welche Folgen hat ein Proteinmangel?
Eine unzureichende Versorgung des Körpers mit Protein und essentiellen Aminosäuren kann vielfältige Ursachen haben. Dazu zählen z.B. eine ungenügende Zufuhr von Nahrungsprotein durch extrem eiweißarme Ernährungsformen (u.a. bei einer unausgewogenen rein vegetarische oder vegane Ernährung).
Ein ernährungsbedingter Proteinmangel kommt in den Industrieländern jedoch höchst selten vor. Die mediane Zufuhr hierzulande liefert mit täglich 85 g bei Männern und 64 g bei Frauen genug Protein (entspricht – bezogen auf die Energiezufuhr – bei beiden Geschlechtern unabhängig vom Alter einem Proteinanteil zwischen 13 und 15 Prozent). Diverse Erkrankungen, wie Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimie) oder Dysphagie (Schluckstörung) können eine unzureichende Proteinzufuhr begünstigen.
Weitere mögliche Ursachen für einen Proteinmangel sind eine unzureichenden Aufspaltung der Nahrungsbestandteile (Maldigestion) bzw. Proteinen aufgrund unterschiedlichster Störungen im Verdauungstrakt oder eine mangelhafte Aufnahme (Malabsorption) von Substraten bzw. Aminosäuren aus dem bereits vorverdauten Speisebrei.
Auch eine Proteinkatabolie, bei welcher der Proteinabbau die Rate der Neusynthese übersteigt, kann zu einem Proteinmangel führen. Sie tritt bei Immobilisation, akuten und chronischen Entzündungen, Tumorleiden, Sepsis (Blutvergiftung), Trauma, Verbrennungen, nach Operationen und bei Mangelernährung auf. Eine ungenügende Syntheseleistung der Leber für Proteine (bei Leberfunktionsstörungen) ist eine weitere mögliche Ursache.
Ebenso können gesteigerte Proteinverluste zu einem Proteinmangel führen. Dazu zählen:
- Verluste über die Haut: z.B. durch großflächige Verbrennungen, Blutungen, nässende Ekzeme
- Renale Verluste (die Niere betreffen): z.B. beim nephrotischen Syndrom bzw. akuter oder chronischer Nierenschädigung, chronischer Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung), Glomerulonephritis (eine i.d.R. beide Nieren befallende Entzündung der sog. Glomeruli, einem Teil der Nierenkörperchen)
- Enterale Verluste (den Darm betreffend): z.B. exsudative bzw. eiweißverlierende Enteropathie, bei der über den Darm weit über die physiologischen Mengen hinaus Eiweiß verloren wird, Colitis ulcerosa (gehört zur Gruppe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen), Malabsorptionssyndrome bzw. Erkrankungen, die mit einer Malabsorption einhergehen, wie Zöliakie/Sprue und Morbus Crohn oder eine Dünndarmresektion (Dünndarmteilentfernung).
Ein erhöhter Proteinverbrauch, wie er u.a. in der Schwangerschaft, bei fieberhaften Infekten, Tumoren, im Wachstum oder bei der Wundheilung vorkommt, ist als weitere mögliche Ursache eines Proteinmangels zu nennen.
Da es – anders als bei Kohlenhydraten und Fetten – keine Depotproteine zur Protein- und Aminosäurenspeicherung gibt, wird der Glucosebedarf des Gehirns (nach Aufbrauchen der Glykogenspeicher; beim Fasten in ca. 24 Stunden ) durch die sog. Gluconeogenese bestritten. Die Ausgangsstoffe zur Neusynthese von Glucose stammen aus dem Proteinabbau und von Endprodukten aus dem Muskelstoffwechsel.
Die Aminosäuren, die der Körper benötigt, werden durch erhöhten Proteinabbau (infolge einer gesteigerten Absonderung von Glucagon und verminderten Absonderung von Insulin) aus der Skelelettmuskulatur und der Leber bereitgestellt. Dabei kommt es zunächst zu einem Abbau von Funktionsproteinen. Strukturproteine werden erst später vermehrt abgebaut.
Proteinmangelzustände können – unabhängig von der Ursache – eine Reihe von Symptomen bzw. Krankheitsbildern nach sich ziehen. Dazu zählen ein geschwächtes Immunsystem und eine damit einhergehende gesteigerte Infektanfälligkeit. Bereits bestehende Infekte können sich verschlimmern oder manifest werden. Der gesteigerte Abbau von Gewebeproteinen führt zu einer zunehmenden Reduktion sämtlicher Körperfunktionen.
Da die Halbwertszeit (die Zeit, nach der die Hälfte der im untersuchten Pool vorhandenen Proteinmenge durch Neusynthese ersetzt worden ist) von Proteinen in der Herzmuskulatur geringer ist als von Proteinen der Skelettmuskulatur, ist insbesondere der Herzmuskel gefährdet und das Risiko für einen plötzlichen Herztod groß.
Als Resultat einer unter dem Bedarf liegenden Energie- und/oder Proteinzufuhr kann eine Protein-Energie-Malnurtrion (PEM) auftreten. Zu den Formen von PEM, die im Zuge eines andauernden Proteinmangels auftreten können zählen Marasmus und Kwashiorkor.
Marasmus bezeichnet den Endzustand eines Protein- und Energiemangels, bei dem alle endogenen bzw. körpereigenen Reserven ausgeschöpft sind. Die Erkrankung tritt häufig bei Säuglingen und Kleinkindern auf, die einer unzureichenden Nahrungsversorgung ausgesetzt sind. Als klinische Symptome zeigen sich ein ausgeprägtes Untergewicht, praktisch ohne subkutanes Fettgewebe, allgemeiner Muskelschwund und Dehydrierung.
Bei protein- und mikronährstoffarmer, jedoch im Hinblick auf die Kalorienzufuhr adäquater bzw. kohlenhydratreicher Ernährung, kann ebenfalls eine Form der Protein-Energie-Mangelernährung eintreten, nämlich Kwashiorkor (Hungerödem). Diese Erkrankung tritt gegenwärtig vornehmlich in Entwicklungsländern bei Kindern auf. Das Krankheitsbild ist insbesondere auf den Mangel bestimmter essentieller Aminosäuren zurückzuführen.
Bei Kwashiorkor ist der Albuminspiegel im Blut sehr niedrig (Albumine sind globuläre bzw. „kugelförmige“ Proteine). Die Folgen sind ausgeprägte und generalisierte Ödeme bzw. Wassereinlagerungen, die den ganzen Körper betreffen können und sich u.a. in Form des charakteristischen Hungerbauchs zeigt.
Weitere Folgen sind Resorptionsstörungen im Darm, Infektneigung, Leberverfettung (Nahrungsfett reichert sich in den Leberzellen an, da nicht genügend Proteine zum Transport der Fette in das Fettgewebe synthetisiert werden), verzögertes Wachstum, sowie starke psychische Veränderungen, wie Apathie und geistige Behinderung aufgrund Myelinisierungs- bzw. Entwicklsungsstörungen des Zentralen Nervensystems.
In den Industriestaaten wird eine Protein-Energie-Malnutrition überwiegend in Krankenhäusern gesehen. Marasmus kann bei einer inadäquaten Nährstoffzufuhr (primäre Malnutrition) auftreten oder durch Krankheiten oder Wirkstoffe ausgelöst werden, die die Nutzung von Nährstoffen beeinflussen (sekundäre Malnutrition). So können sekundäre Formen der Mangelernährung u.a. bei Krebspatienten, schweren Lungen- oder Herzerkrankungen, sowie HIV eintreten.
Kwashiorkor kann bei akuten, schweren Erkrankungen (hypermetabolischer bzw. den Stoffwechsel steigernder Stresssitionen), wie Trauma, chronischen/keimbehafteten Infektionen, sowie ungenügender Zufuhr von Protein und Energie beobachtet werden.
Ein andauernder Eiweißmangel – bei extrem proteinarmen Ernährungsformen und/oder schlechter Proteinverwertung aufgrund von Infektionskrankheiten – führt letzten Endes zum Tod. Weitere Nebenwirkungen, wie Haarausfall, erscheinen angesichts dieser Tatsache mehr als nebensächlich.
Proteine sind essentiell. Ohne geht es nicht.
Welches ist das „beste“ Protein?
Beim Thema Protein wird nicht nur die Frage „Wieviel?“, sondern auch „Wovon?“ unter Sportlern und Nicht-Sportlern kontrovers diskutiert. Die Anzahl an Proteinquellen ist bunt und vielfältig. Zur Auswahl stehen eine Reihe tierischer und pflanzlicher Lebensmittel, sowie Protein-Supplemente. Doch welches ist das „beste“ Protein?
Tierische Proteinquellen
Nun, i.d.R. sind tierische Proteinquellen für den menschlichen Organismus besser verfügbar als Proteine aus pflanzlichen Lebensmitteln. Tierisches Protein weist unter allen Lebensmitteln die höchste Qualität auf, was vor allem auf die Vollständigkeit der essentiellen Aminosäuren zurückzuführen ist.
Obwohl Proteine aus tierischen Quellen auch mit einer hohen Zufuhr an gesättigten Fettsäuren und Cholesterol assoziiert werden, gibt es eine Reihe von Studien, die positive Vorteile von tierischen Proteinen in verschiedenen Populationsgruppen nachgewiesen haben.
So gibt es Hinweise darauf, das Protein aus tierischen Quellen während des letzten Trimesters einer Schwangerschaft mit einem normalen Säuglingsgewichts in Verbindung steht, während eine geringe Zufuhr an Proteinen aus Milch/Milchprodukten und Fleisch zu niedrigeren Geburtsgewichten führt.
Auch ältere Personen profitieren von tierischen Proteinquellen. So führte eine Ernährung, die Fleisch beinhaltete, zu höheren Zuwächsen an fettfreier Körpermasse als bei Probanden, die sich ovo-lacto-vegetarisch (inkl. Eier, Milch und Milchprodukte, aber ohne Fleisch und Fisch) ernährten.
Zudem führt eine Ernährung mit viel tierischem Protein zu einer signifikant höheren Netto-Proteinsynthese als bei proteinreicher Ernährung aus pflanzlichen Quellen. Dies ist wohl auf den reduzierten Proteinabbau zurückzuführen, der bei proteinreicher Ernährung aus tierischen Lebensmitteln auftritt. Bei einer proteinreichen Ernährung aus pflanzlichen Quellen wird der Proteinabbau weniger stark gehemmt.
Obwohl tierische Proteinquellen durchaus Vorteile bieten, werden immer wieder gesundheitliche Bedenken und Risiken im Zusammenhang mit einer vorwiegend auf tierischen Lebensmitteln basierenden Proteinzufuhr laut. Diese diskutierten Gesundheitsrisiken konzentrieren sich dabei in erster Linie auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen (aufgrund des hohen Gehalts an gesättigten Fetten und Cholesterol), die Knochengesundheit (Knochenabbau durch schwefelhaltige Aminosäuren, der mit tierischem Protein assoziiert wird) und anderen Erkrankungen.
Whey Protein: Konzentrat, Isolat oder Hydrolysat?
Molkenprotein (engl. Whey Protein) und Casein sind die Haupt-Proteinkomponenten von Kuhmilch. 100 ml Vollmilch enthalten 3,3 g Protein, wovon etwa 2,7 Prozent auf Casein und ca. 0,6 Prozent auf Molkenprotein entfallen. Somit setzt sich der Proteingehalt von Milch aus über 80 Prozent Casein und 20 Prozent Whey zusammen.
Es gibt jedoch deutliche Unterschiede zwischen Molkenproteinen einerseits, welche Hauptbestandteil der Proteine in Molke sind und andererseits Casein – dem Proteinanteil der Milch, der zu Käse weiterverarbeitet wird und nicht in die Molke gelangt.
Alle Bestandteile von Whey Protein (verschiedene Albumine und Globuline, wie beta-Lactoglobulin, alpha-Lactalbumin, Proteosepepton, Immunoglobuline, Rinderserumalbumin) stellen hohe Gehalte an essentiellen und verzweigtkettigen Aminosäuren bereit. Darüber hinaus ist Molke reich an Vitaminen und Mineralstoffen.
Beim Whey Protein werden drei Hauptformen bzw. Verarbeitungsrechniken zur Trennung des Molkeproteins unterschieden: Whey Protein Konzentrat, Whey Protein Isolat und Whey Protein Hydrolysat.
Molkenproteinpulver kommen nicht nur als Nahrungsergänzung für Sportler, sondern mit einem deutlich geringeren Proteinanteil (als z.B. Whey Protein Konzentrate) auch in der Lebensmittelindustrie zum Einsatz. So werden „Molkenpulver“ oder „Molkepulver“ zahlreichen Lebensmitteln zugesetzt, beispielsweise verarbeitetem Fleisch, Würstchen, Reformkost, Getränken, Babynahrung, Milchprodukten, Backwaren, Süßwaren, Snacks, Salatdressings etc.
Moderne Whey Protein Konzentrate besitzen einen Proteingehalt von etwa 75 bis 85 Prozent – der durch das Ultrafiltrations-Verfahren erreicht wird. Dabei wird das Molkenprotein nach dem Filtrierungsprozess schonend sprühgetrocknet, um eine Denaturierung des Whey Protein Konzentrats weitgehend zu verhindern.
Gleichzeitig wird mit der Ultrafiltration ein hoher Immunglobulin-Anteil sichergestellt. Preislich ist ein Whey Protein Konzentrat wesentlich günstiger einzuordnen als Whey Protein Isolate und -Hydrolysate. Allerdings kann Whey Protein Konzentrat in puncto Lactose- und Fettanteil nicht mit einem Isolat mithalten.
Whey Protein Isolat zeichnet sich durch einen hohen Proteingehalt von etwa 90 bis 97 Prozent, sowie einen äußerst geringen Gehalt an Lactose (Kohlenhydraten) und Fett aus. Whey Protein Isolat wird auch als das „ultimative Proteinprodukt“ bezeichnet, da es unter allen bekannten Proteinen über die höchstmögliche biologische Wertigkeit und über einen hohen Anteil an essentiellen und nicht essentiellen Aminosäuren verfügt.
Damit das Whey „biologisch aktiv“ bleibt und seine natürlichen und gesundheitsfördernden Bestandteile behält, muss es bei der Herstellung bei niedrigen Temperaturen und säurearmen Bedingungen verarbeitet werden.
Dabei kommen zwei Verfahren zum Einsatz: das Ionentauschverfahren und das Mikrofiltrationsverfahren (auch „CFM“ für Cross Flow Microfiltration). Beim Ionentauschverfahren wird die elektrische Ladung des Molkenproteins durch den Einsatz von Chemikalien, wie Salzsäure und Natriumhydroxid, verändert, damit es sich in der sog. Ionenaustauschsäule an spezielle Harze binden kann.
Die Vorteile des Ionentauschverfahrens für Hersteller sind, dass es deutlich geringere Kosten als die Mikrofiltration verursacht. Verbraucher erhalten ein Whey Protein Isolat mit extrem niedrigem Fett- und Lactose-, dafür aber mit dem höchstmöglichen Proteinanteil.
Mit dem Ionentauschverfahren kann ein Reinheitsgrad von bis zu 99 Prozent erreicht werden. Dies könnte für Personen, denen es in erster Linie auf den Proteingehalt je 100 g ankommt oder die eine Lactoseintoleranz haben, der ausschlaggebende Kaufgrund für ein Whey Protein Isolat nach dem Ionenaustauschverfahren sein.
Nachteil dieses Verfahrens ist, dass durch die eingesetzten Chemikalien extreme pH-Werte verursacht werden, die einige Aminosäuren und besonders immunologisch wertvolle Bestandteile des Proteins denaturieren. Viele wichtige Protein-Unterarten werden stark reduziert oder gehen ganz verloren, während andere (weniger interessante, sehr pH-beständige, wie beta-Lactoglobulin) besonders angereichert werden. Dies relativiert den höheren Proteingehalt, zumal die Unterschiede zu mikrofiltriertem Whey Isolat minimal sind.
Beim Mikrofiltrationsverfahren werden die Proteine mithilfe von Keramikfiltern mikrogefiltert, d.h. dass alle Partikel in den Fluiden, die größer als die Membranporen sind, von der Membran zurückgehalten werden. Dadurch kann der Anteil an ungewünschten Bestandteilen eines Whey Protein Isolats, wie Latose oder Fett (die aufgrund ihres Molekülgewichts und ihrer Größe von den Keramikmembranen festgesetzt werden) reduziert und der Proteingehalt bzw. Reinheitsgrad gesteigert werden.
Im Gegensatz zum Ionentauschverfahren kommen beim Mikrofiltrationsverfahren keine Chemikalien zum Einsatz – es handelt sich dabei um ein rein physikalisches bzw. mechanisches Verfahren ohne Hitzeeinwirkung – , sodass eine höchstmögliche Erhaltung und Konzentrierung der wertvollen Proteinfraktionen in ihrer natürlichen Tertiärstruktur (räumliche Struktur einer kompletten Aminosäurekette) und Quartärstruktur (Zahl und Anordnung der verschiedenen Aminosäureketten in einem Proteinkomplex) sichergestellt werden kann.
Der Proteingehalt eines Whey Isolats, das mit dem Mikrofiltrationsverfahren hergestellt wurde, liegt zwar leicht unter dem von Produkten, die mit dem Ionentauschverfahren produziert wurden (Reinheitsgrad bzw. Proteingehalt von max. 90 Prozent). Der große Vorteil liegt jedoch darin, dass viele Protein-Unterarten, die es nur bei Whey Protein gibt (samt ihrer immunologischen Extras) erhalten bleiben. Durch den Prozess der Mikrofiltration erfolgt so gut wie keine Denaturierung.
Bei der Herstellung von mikrofiltriertem Whey Protein Isolat kommen zahlreiche Verarbeitungstechniken zum Einsatz. Die wohl bekannteste und gängigste Methode ist CFM (Cross Flow Micro filtration) bzw. die Milkrofiltration mit Kreuzzstrom, die gelegentlich auch als Synonym für das Mikrofiltrationsverfahren allgemein gebraucht wird.
Die Herstellung von Whey Protein Isolat mit der CFM ist aufgrund der Filtration ohne Chemikalien und mit niedriger Temperatur besonders schonend. Vorteile von filtriertem Whey sind die minimale Proteindenaturierung, ein besseres Aminosäurenprofil, höhere Calcium- und niedrigere Natrium-Werte (als beim Ionentauschverfahren), sowie die Erhaltung der immunologisch wirksamen Bestandteile, z.B. Immunglobuline bzw. Antikörper und Lactoferritin, welches antivirale und antimikrobielle Eigenschaften besitzt.
CFM gilt als beste und reinste Herstellungsmethode von Whey Protein und liefert ein Proteinpulver mit sehr niedrigem Anteil denaturierter Protein bei Erhalt wichtiger Protein-Unterarten in ihrem natürlichen Verhältnis.
Kleiner Exkurs zum Thema Denaturierung:
Eine Denaturierung von Proteinen ist im Prinzip nichts Schlimmes und findet im Rahmen der täglichen Ernährung (z.B. beim Erhitzen von Proteinen) statt. Denaturierung bezeichnet eine strukturelle Veränderung von Biomolekülen, wie Proteinen. Übersetzt aus dem Lateinischen „de natura“ bedeutet Denaturierung so viel wie „weg von der natürlichen Beschaffenheit“.
Ein Protein kann durch Hitzeeinwirkung, extreme ph-Werte, Harnstoff, sowie durch organische Lösungsmittel denaturiert werden. Eine Denaturierung ist dabei meistens mit einem Verlust der biologischen Funktion dieser Moleküle verbunden ist, wobei deren Primärstruktur (Aminosäurensequenz, Reihenfolge der Aminosäuren) unverändert bleibt. Zerstört wird lediglich die dreidimensionale Struktur.
Der Verlust der biologischen Aktivität ist eine der wichtigsten Konsequenzen der Denaturierung. Proteine sind meist biologisch aktiv und wirken in (bio)chemischen Prozessen als Katalysatoren. Man bezeichnet derart spezifische Biokatalysatoren als Enzyme. Sie beschleunigen die chemischen Reaktionen im Körper, indem sie die dazu nötige Aktivierungsenergie herabsetzen.
Weitere Folgen der Denaturierung sind eine herabgesetzte Löslichkeit, da dadurch die mizellare Struktur des Proteins aufgehoben wird. Zudem zeigen denaturierte Proteine eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Proteasen (proteinspaltende Enzyme).
Ein bekanntes Beispiel für eine Denaturierung ist das Kochen eines Hühnereis. Eiklar und Eidotter werden beim Kochen fest, da sich die natürliche, räumliche Struktur der Proteine verändert hat. Proteine, die wir mit der Nahrung aufnehmen, können nur dann von Enzymen abgebaut und verdaut werden, wenn sie zuvor denaturiert wurden (z.B. durch Hitze beim Kochen oder die starke Salzsäure des Magens). Sie erleichtert zudem die Verdauung.
Die Denaturierung von Proteinen ist somit ein alltäglicher Vorgang, der zudem für die Nahrungshygiene von von großer Bedeutung ist, da hierbei auch Bakterien und Pilze zerstört werden.
Im Falle einer schädlichen Infektion, reagiert das menschliche Immunsystem mit Fieber, um die Enzyme der Bakterien zu denaturieren. Sehr hohes Fieber kann hingegen zur Denaturierung von Zellproteinen und letztendlich zum Tod führen.
Die Temperatur, bei der eine Denaturierung der Proteine eintritt, ist je nach Aufbau und Organismus recht unterschiedlich, liegt bei den meisten Proteinen aber zwischen 40 und 100°C. Das ist auch der Grund, weshalb die „magische“ Temperaturgrenze unter einigen Rohkost-Verfechtern bei um die 40°C liegt.
Die Hauptargumente der Befürworter der Rohkost sind, dass auch hitzeempfindliche bzw. unveränderte native „heile“ Stoffe mit der Nahrung aufgenommen werden. Dazu zählen neben Enzymen und nichtdenaturierten Proteinen bzw. Aminosäure auch Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe, unraffinierte Fette und Kohlenhydrate. Außerdem werden mit Rohkost keine Reaktionsprodukte, die bei der Erhitzung von Nahrungsmitteln entstehen (z.B. hitzedenaturierte Proteine) aufgenommen.
Dennoch dürfte dies für viele kein Grund sein, nur noch rohes Fleisch oder Rohmilch zu konsumieren, zumal es im Vergleich zu erhitzter Kost zu Hygieneproblemen kommen kann, da rohe Lebensmittel nicht durch Erhitzen desinfiziert werden.
Ähnlich wie bei Eiern, Milch, Fleisch und anderen proteinreichen Lebensmitteln, wird die biologische Aktivität der Enzyme auch bei Whey Protein bei den meisten nicht der entscheidende Grund für den Kauf des Lebensmittels bzw. Produkts gewesen sein. Auch dürften sich die wenigsten beim Kochen eines Hühnereis, Erhitzen von Milch oder dem Braten von Fleisch Sorgen darüber machen, ob das Lebensmittel bzw. Protein dadurch „schlechter“ wird.
Bei Whey Protein geht es weniger um bioaktive Inhaltsstoffe, als vielmehr um den Gehalt an Proteinen und essentiellen Aminosäuren. Denaturierung – die u.a. auch beim Erhitzen von Whey Protein eintritt – setzt den Nährwert der Proteine nicht herab. Denaturierte Proteine sind sogar leichter verdaulich als natürliche.
Ein denaturiertes Whey Protein ist also – auch wenn es von einigen Herstellern so dargestellt wird – nicht „schlecht“ und tut weder Proteinqualität, noch dem Aminosäurenprofil einen Abbruch. Allerdings wird bei der Denaturierung die biologische Aktivität (z.B. die Enzymaktivität) eingeschränkt oder geht ganz verloren. Wer zu ionenausgetauschtem Isolat greift oder sein Whey erhitzt, könnte einige der positiven Nebeneffekte des Proteins verlieren.
Daher: ja, chemische oder physikalische Einflüsse, wie Säure und Hitze, wirken sich auf das Proteinpulver aus. Einige Peptide im Whey, wie beta-Lactoglobulin und alpha-Lactalbumin sind hitzeempfindlich und werden durch Kochen zerstört bzw. denaturieren. Wenn es um den Erhalt aktiver lebender Nährstoffe bzw. die biologische Aktivität des Molkeproteins mitsamt sensibler Protein-Fraktionen und aller für das Immunsystem förderlichen Bausteine geht, sind schonende Produktionsverfahren wie CFM die bessere Wahl.
Allerdings wird ein ein Sportler, der ausreichend Protein aus vielfältigen Quellen zu sich nimmt, den Muskelaufbau in keinem erkennbaren Grad gefährden. Daher muss man sich weder beim Griff zu ionenaugetauschtem Whey Protein Isolat, noch beim gelegentlichen Erhitzen von Whey durch Kochen (im Protein-Porridge, als Protein-Kakao) oder Backen (Proteinkuchen, Protein-Pancakes, Protein-Muffins & Co.) großartig Sorgen machen.
Zusammenfassend lässt sich zum Thema Whey Protein Isolat festhalten: wem es nur um den höchstmöglichen Proteingehalt (und einem möglichst geringen Anteil von Kohlenhydraten und Fetten) geht oder wer eine Lactoseintoleranz hat, kann vom ionenaugetauschten Whey profitieren. Wer hingegen ein Whey mit minimaler Proteindenaturierung und einem geringeren Kohlenhydrat- und Fettanteil, als beim Whey Protein Konzentrat sucht, ist mit mikrofiltriertem Whey Protein Isolat besser bedient.
Und was hat es mit Whey Protein Hydrolysat auf sich? Nun, bei der Herstellung bedient man sich des sog. Hydrolyse-Verfahrens. Mit Hydrolyse ist die Aufspaltung einer (bio)chemischen Verbindung durch Reaktion mit Wasser gemeint. Dabei werden die Proteinmoleküle des Molkenproteins mit Enzymen und Säuren (enzymatischen Methode oder Säurehydrolyse) in kleinere Gruppen (Peptide und Polypeptide) aufgespalten.
Dadurch liegt ein Teil der Peptidbindungen der Aminosäuren in kürzeren Aminosäureketten vor, die so im Magen besser resorbiert werden können. Deshalb spricht man bei Hydrolysat auch von „vorverdautem“ Whey Protein. Der Körper muss bei der Verdauung von Peptiden im Gegensatz zu Proteinen kaum Aufwand betreiben, sodass die Nährstoffe schneller ins Blut gelangen.
Hydrolysiertes Whey Protein ist das mit Abstand am besten zu verarbeitende Molkenprotein. Die Verwendung eignet sich für professionelle Athleten und Trainer. Je höher der Hydrolysegrad, desto hochwertiger und teurer ist das Protein. Ein Hydrolysegrad von beispielsweise 25 Prozent besagt, dass diese Prozentzahl der Proteine in Peptidform vorliegt.
Die Vorteile eines Whey Protein Hydrolysats liegen neben einer schnelleren Verdauung in einer beschleunigten Regeneration und einer erhöhten Proteinsynthese.
Eine doppelblind durchgeführte, randomisierte Studie im Parallelgruppen-Design verglich die Regenerationszeit von Whey Protein Isolat und Whey Protein Hydrolysat nach dem Training. Dabei wurde die Leistungsfähigkeit der Probanden direkt nach dem Training, sowie 1, 2, 6 und 24 Stunden später gemessen. Die Hydrolysat-Gruppe konnte ihre Leistungsfähigkeit bereits nach 6 Stunden wiederherstellen. Dieser positive Effekt eines Hydrolysats auf die beschleunigte Regeneration kann sich vor allem bei zwei Trainingseinheiten am Tag als Vorteil erweisen.
Eine weitere randomisierte Studie verglich Whey Protein Hydrolysat, Casein Protein und Casein Protein Hydrolysat in Bezug auf die Muskelproteinsynthese. Dabei konnte sich das Whey Protein Hydrolysat klar durchsetzen, gefolgt vom Casein Hydrolysat und dem normalen Casein auf Platz drei. Diese Studie wurde zwar an älteren Männern durchgeführt (74 ± 1 Jahre), jedoch nimmt die Proteinsyntheserate mit zunehmendem Alter ab. Bezüglich der Herausforderung, die Proteinsynthese bei dieser Altersgruppe anzuheben – was ohnehin schwierig ist – hat sich das Whey Protein Hydrolysat im Vergleich zu den beiden anderen untersuchten Casein-Proteinen als effektiver erwiesen.
Und was sind die Nachteile von Whey Hydrolysat? Da wäre – neben dem steigenden Preis mit zunehmendem Hydrolysegrad – der leicht bittere/ säuerliche Geschmack zu nennen. Je stärker das Molkenprotein bereits „vorverdaut“ ist und je höher der Anteil an hydrolysiertem Whey, desto mehr leidet der Geschmack.
Die Frage, welches Whey Protein nun das beste ist, lässt sich nicht pauschal beantworten und hängt von den persönlichen Training- und Ernährungszielen, sowie Geschmacksvorlieben ab. Nicht zuletzt ist die Wahl des Whey Protein-Supplements auch eine Kostenfrage.
In der folgenden Tabelle würden die Preise und Nährwerte aller drei Whey Protein-Sorten anhand des exemplarischen Beispiels von MyProtein gegenübergestellt:
Preis | |||||
---|---|---|---|---|---|
Impact Whey Protein (Whey Protein Konzentrat) | ab 16,99 €/ kg | ||||
Impact Whey Isolate (Whey Protein Isolat) | ab 24,99 €/ kg | ||||
Hydrolysiertes Whey Protein (Whey Protein Hydrolysat) | ab 34,49 €/ kg |
Das Whey Protein Hydrolysat ist mit rund 35 Euro pro kg etwa dreimal so teuer wie das Impact Whey Protein, während sich das Isolat preislich im Mittelfeld bewegt. Als kleine Entscheidungshilfe stellt die folgende Tabelle die Vor- und Nachteile von Whey Protein Konzentrat, Isolat und Hydrolysat zusammenfassend gegenüber:
Vorteile | Nachteile | |
---|---|---|
Whey Protein Konzentrat |
|
|
Whey Protein Isolat |
|
|
Whey Protein Hydrolysat |
|
|
Ein hochwertiges Whey Protein zeichnet sich durch einen möglichst hohen Proteingehalt aus. Zudem ist es vorteilhaft, wenn das Molkenprotein währen der Verarbeitung in einer möglichst natürlichen und vollwertigen Form erhalten bleibt. In dem Fall ist CFM Whey Protein Isolat die erste Wahl.
Auch ein Whey Protein Konzentrat, welches durch Filtrierung gewonnen wird, wird vergleichsweise schonend hergestellt und denaturiert nicht. Aufgrund seines sehr guten Preis-/ Leistungs-Verhältnisses und des guten Geschmacks zählt es zu den beliebtesten Protein-Supplementen. Unter 80 Prozent Proteinanteil sollten es jedoch nicht sein, da damit automatisch der Kohlenhydrat- und/oder Fettgehalt steigt. Letztere sind in einem hochwertigen Whey Protein-Pulver weniger willkommen.
Fortgeschrittene und ambitionierte Sportler, die ein möglichst schnell verfügbares Protein suchen, ohne viel Verdauungsenergie zu verschwenden (z.B. Ausdauerathleten oder Bodybuilder mit einem hohen Trainingsvolumen), profitieren von einem Whey Protein Hydrolysat. Die beschleunigte Regeneration und erhöhte Proteinsynthese können auf einem hohen Leistungsniveau durchaus einen Unterschied machen.
Die Einnahme eines hydrolysierten Whey Proteins macht vor allem vor und während des Trainings Sinn – da, wo die Energie für die Muskelarbeit zur Verfügung stehen sollte. Aber auch nach dem Training kann ein Hydrolysat zielführend sein, wenn es darum geht, die Muskulatur schnellstmöglich mit Nährstoffen zu versorgen.
Welche Vorteile bietet Whey Protein?
Die Supplementierung von Whey Protein kann sehr nützlich sein, um die täglichen Proteinziele zu erreichen. Aktive Personen, die Probleme damit haben, über natürliche Lebensmittel auf die empfohlene Zufuhrmenge zu kommen, können von Whey Protein Pulver (als Shake oder Zusatz in Porridge, Pancakes, Muffins, Kuchen etc.) profitieren.
Laut aktueller Studienlage wird Whey vom Körper schneller absorbiert und scheint die Muskelproteinsynthese (unmittelbar nach dem Verzehr) in einem höheren Ausmaß zu erhöhen als andere Proteinquellen. Die Aminosäuren des Whey Proteins gelangen somit schneller in die Blutbahn und erzeugen einen hohen Peak (ähnlich wie bei einfachen Kohlenhydraten im Vergleich zu komplexen Kohlenhydraten).
Darüber hinaus liefert Whey Protein auch größere Mengen der Aminosäure Cystein, die Defizite, die während des Alterungsprozesses und Diabetes auftreten können, sowie bei anderen Zuständen, zu mildern vermag.
Und was ist eigentlich mit dem positiven Effekt von Molkenprotein auf den Gewichtsverlust? Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln preisen nicht selten den potentiellen Abnehmerfolg von Molkenprotein an. Allerdings vermag Whey Protein den Fettabbau nicht zu erhöhen. Vielmehr geht dieser Effekt auf das Protein zurück, da eine erhöhte Proteinaufnahme durchaus förderlich beim Verlust von ungewünschten Fettdepots sein kann (im Rahmen einer hypokalorischen, d.h. kalorienreduzierten Diät).
Schädliche Nebenwirkungen von Whey Protein auf Nieren und Leber sind bei gesunden Personen nicht zu befürchten. Allerdings könnte eine erhöhte Proteinzufuhr (durch Whey oder andere proteinreiche Lebensmittel/Supplemente) bereits bestehende Schäden verschlimmern. Personen mit Nierenerkrankungen oder Leberschäden sollten daher Rücksprache mit ihrem Arzt halten.
Casein – das „Gute-Nacht-Protein“
Während Molkenproteine nur etwa 20 Prozent der Gesamtproteinmenge in der Milch ausmachen, stellen Caseine mit etwa 80 Prozent die wichtigste Proteinfraktion dar. Casein wird auch für die Herstellung von Quark und Käse weiterverarbeitet, welche durch Gerinnung des Caseins eine feste Konsistenz erhalten.
Die Verdauung von Casein geht sehr langsam vonstatten und kann bis zu acht Stunden betragen. Die Aminosäuren im Casein Protein werden – im Gegensatz zum Whey Protein – langsam und kontinuierlich über einen längeren Zeitraum in den Körper abgegeben.
Dies geht auf die Fähigkeit bzw. Eigenschaft von Casein zurück, im Magen eine Art Gel oder „Klumpen“ zu bilden, was für die Nährstoffversorgung sehr effizient ist. Denn dieses Gel ist in der Lage, eine kontinuierlich langsame Freisetzung von Aminosäuren in den Blutstrom bereitzustellen. Dies sorgt für eine bessere Stickstoffretention (= Stickstoff wird zurückgehalten) und -verwendung durch den Körper.
Diesen Vorteil machen sich vor allem Kraftsportler und Bodybuilder zunutze, indem sie vor dem Schlafengehen Casein zu sich nehmen und so in der Nacht (wenn dem Körper normalerweise keine Nährstoffe zugeführt werden) eine Versorgung mit Aminosäuren über mehrere Stunden gewährleisten. Aber auch zwischen den Mahlzeiten kann die antikatabole Wirkung von Casein förderlich sein.
Auch beim Casein Protein gibt es verschiedene Sorten, die sich hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe und des Herstellungsprozesses unterscheiden. Unter den aktuell gängigen Casein Supplements sind drei Varianten zu finden: Micellares Casein, Calcium Caseinat und Milchprotein.
Micellares Casein wird durch Ultrafiltration oder Mikrofiltration gewonnen – beides schonende Verfahren ohne Chemikalien und bei niedrigen Temperaturen. Dadurch bleiben die Nährstoffqualität und -funktion erhalten. Micellares Casein ist eine natürliche und gereinigte Form des Casein und enthält i.d.R. kein Whey.
Bei der Herstellung von Calcium Caseinat kommt ein chemischer Prozess – die sog. „Säurefällung“ der Milch mit anschließender Neutralisierung mittels Calciumhydroxid – zum Einsatz. Während die Denaturierung die Veränderung des Proteins auf molekularer Ebene (also eine Strukturveränderung) bezeichnet, beschreibt die Fällung den physikalischen Vorgang, dass ein Stoff aus seiner gelösten Form zum Ausfallen gebracht wird. Bei der Fällung von Proteinen liegt das Protein dann als Niederschlag (Bodensatz) in der Lösung vor.
Im Fall von Calcium Caseinat wird das Casein durch Fällung chemisch von den restlichen Bestandteilen der Milch getrennt, sodass es es einen sehr niedrigen Anteil an Kohlenhydraten und Fett besitzt. Nach dem Sprühtrocknen erhält man gut dispergierbare bzw. lösliche Produkte. Jedoch denaturieren die Proteine bei dieser Behandlung und liegen dann nicht mehr in ihrer natürlichen Form vor. Es handelt es sich im Gegensatz zu micellarem Casein daher um ein funktionell verändertes Casein bzw. Caseinat.
Es gibt neben micellarem Casein jedoch noch eine andere Quelle für natürliches Casein: Milchprotein bzw. Milchproteinkonzentrat. Dieses enthält aber neben Casein auch Molkenprotein. Die Anteile entsprechen der Proteinaufteilung, wie sie auch in herkömmlicher Milch vorkommt (etwa 80 Prozent Casein und 20 Prozent Molkenprotein bzw. Whey).
Auch Milchproteinkonzentrat wird vom Magen nur langsam absorbiert, sodass die Aminosäuren kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ins Blut und an das Gewebe abgegeben werden.
Die folgende Tabelle zeigt die Nährwerte von vier Casein-Supplementen am Beispiel von MyProtein gegenüber:
kcal | ||||
---|---|---|---|---|
Mizellares Kasein | 335 | |||
Mizellares Kasein Elite | 390 | |||
Calcium Caseinat | 373 | |||
Milchprotein cremig | 354 |
Das Calcium Caseinat verfügt mit 90 Prozent über den höchsten Proteinanteil, dicht gefolgt vom Mizellaren Kasein Elite mit 88 Prozent – der „Premiumoption für jeden Athleten der nach einem langsam verdaulichen Protein sucht“. Zum Vergleich: das Mizellare Kasein von MyProtein liefert je 100 g „nur“ 74 g Protein und damit weniger als das cremige Milchprotein (80 g), welches jedoch neben Casein auch Molkenproteine enthält.
Der Zusatz „Elite“ bezieht sich jedoch nicht auf den (im Vergleich zum „normalen“ Mizellaren Kasein hoheren Proteinanteil), sondern soll aussagen, dass es sich um ein durch Informed Sport Programme und die World Anti-Doping Agency geprüftes Produkt mit einer offiziellen Zulassung handelt. Dabei wird sichergestellt, dass das Produkt frei von verbotenen, natürliche vorkommenden Substanzen ist.
Whey oder Casein?
Vergleicht man die Einnahme derselben Dosis Whey Protein mit Casein Protein, so führt Whey zu einem stärkeren Anstieg des Plasma-Insulinspiegels, der BCAA-Konzentration und ein einem schnelleren Anstieg der Proteinsynthese nach dem Training als Casein.
Die randomisierte Kontrollstudie teilte die Geschwindigkeit der Proteinsynthese in Zeitspannen von 60 bis 210 Minuten und 210 bis 360 Minuten ein (also einen Zeitraum von 1 bis 6 Stunden nach dem Training). Während Whey Protein die Proteinsynthese in der Anfangsperiode signifikant stärker erhöhte, verhielt es sich bei Casein genau andersherum (erhöhte Proteinsynthese in der letzteren Periode). Über den Gesamtzeitraum von 5 Stunden gemessen, konnte jedoch kein Unterschied festgestellt werden, auch wenn es Anzeichen dafür gab, dass Casein effektiver zu sein schien.
Eine weitere Studie kam zu dem Schluss, dass Whey Protein (in dem Fall ein Whey Hydrolysat) die Muskelproteinsynthese bei jungen Männern in einem stärkeren Ausmaß erhöht als (micellares) Casein – und das sowohl im Ruhezustand, als auch nach dem Training. Dies ist vermutlich auf die Verdauungsgeschwindigkeit und möglicherweise auch den unterschiedlichen Leucingehalt der Proteine zurückzuführen. Dies schlussfolgerte auch eine randomisierte Studie an älteren Männern, bei denen Whey Protein die Muskelprotein-Akkretion (Wachstum) nach einer Mahlzeit wirksamer als Casein und Casein Hydrolysat stimulieren konnte.
Trotz der erhöhten Konzentration an Aminosäuren und dem höheren Peak der Proteinsynthese bei Whey Protein, sind die Studien beim Direktvergleich von Whey und Casein sehr gemischt. So besagt eine Studie, dass die Proteinzuwächse während des Alterns bei Whey Protein (schnell verdauliches Protein) größer sind als bei Casein Protein, welches langsamer verdaut wird. Dies deutet darauf hin, dass ein „schnelles“ Protein zur Begrenzung der Proteinverluste während es Alterns vorteilhafter sein könnte als ein „langsames“ Protein.
Eine andere randomisierte Kontrollstudie an älteren Personen ergab bei der Zufuhr von Caseinat (aufgeschlossenes, denaturiertes bzw. funktionell verändertes Milchprotein) und Whey Protein unmittelbar nach einem schweren Widerstandstraining keinen signifikanten Unterschied in den Proteinsyntheseraten. Jedoch wurden beim Whey nach 2 bis 3 Stunden höhere Plasmakonzentrationen an Leucin, Insulin und Aminosäuren festgestellt.
Bei jungen Menschen fielt die Leucinbilanz nach einer „langsamen“ Casein-Mahlzeit über 7 Stunden höher aus als nach einer „schnellen“ Whey-Mahlzeit. Auch scheint Casein bei jungen Leuten eine leicht höhere Gesamtstickstoffretention im Körper zu erzeugen.
Mindestens eine Studie (randomisiert, doppelblind) fand die größten Vorteile bei einer Kombination aus Whey und Casein. Diese Studie wurde an männlichen Kraftsportlern, die einen 4er-Split durchführten, vorgenommen. Die Einteilung erfolgte in drei Gruppen. Eine Gruppe erhielt ein Whey-Casein-Gemisch (40 g, 8 g), die zweite Gruppe Whey mit BCAAs und Glutmain (40g, 5g, 3g) und die Placebo-Gruppe 40 g Kohlenhydrate. Das Ergebnis nach Ablauf von 10 Wochen hartem Widerstandstraining war, dass die Kombination von Whey- und Casein Protein die stärkste Zunahme an fettfreier Masse erzeugte.
Bei einer Studie, die an Personen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD; eng: chronic obstructive pulmonary disease) durchgeführt wurde, welche durch einen gestörten Aminosäurenstoffwechsel gekennzeichnet ist, scheint Casein den Proteinanabolismus stärker anzuregen als Whey. Die Optimierung der Proteinzufuhr könnte bei COPD für den Muskelerhalt während der täglichen körperlichen Aktivitäten von Bedeutung sein.
Im Gegensatz zu Casein (und Caseinat) scheint Whey Protein eher in der Lage zu sein, Triglycerid-Spitzen, wie sie nach dem Verzehr von fetthaltigen Mahlzeiten vorkommen, bzw. die Freiseitzung von Triglyceriden zu reduzieren. Eine weitere randomisierte Studie im Parallelgruppen-Design an Übergewichtigen und Fettleibigen untersuchte den Effekt von Whey Protein Supplementierung auf die Körperzusammensetzung, sowie Lipide, Insulin und Glucose im Vergleich zu Casein und Glucose (Kontrollgruppe).
Hinsichtlich der Körperzusammensetzung oder des Blutzuckerspiegels konnte innerhalb von 12 Wochen kein signifikanter Unterschied zwischen Whey und Casein Protein festgestellt werden. Allerdings konnte das Whey Protein Supplement – im Vergleich zur Casein- und Kontrollgruppe – den Gesamt- und LDL-Cholesterolspiegel nach dem Untersuchungszeitraum von 12 Wochen senken. Desweiteren scheint Whey Protein einen günstigeren Effekt auf die Insulinsensitivität und den Insulinspiegel zu haben als Casein.
Die unterschiedlichen Effekte zwischen Whey und Casein auf den Fettstoffwechsel, könnten mit ihrer spezifischen Wirkung auf die Verdauung und Absorption, sowie ihrem Aminosäuregehalt im Zusammenhang stehen.
Bei der Messung antioxidativer Fähigkeiten (in einer klinischen Umgebung mit künstlicher Ernährung bei Patienten nach einem ischämischen Schlaganfall) zeigte Whey Protein eine stärkere antioxidative und entzündungshemmende Wirkung als Casein.
Wie lassen sich die Studienergebnisse zum Vergleich Whey vs. Casein nun zusammenfassen?
Zunächst einmal gehen wohl die meisten positiven Effekte von beiden Proteinsorten – Whey und Casein – auf den einfachen Umstand zurück, dass es sich um Proteine handelt. Whey könnte bei älteren Personen vorteilhafter sein, während Jüngere eher von Casein profitieren könnten. Das Ausmaß, dass eine von beiden Sorten besser (in Bezug auf die Proteinsynthese) besser sein könnte als die andere, ist – bezogen auf das Verhältnis zu einer proteinarmen Ernährungsweise – minimal.
Whey Protein scheint jedoch eher dazu in der Lage zu sein, (aufgrund des höheren Cystein-Gehalts) bestimmte Blutwerte zu normalisieren, weshalb es möglicherweise als „gesünder“ als Casein Protein bezeichnet werden könnte. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich für Whey oder Casein entscheiden muss.
Sportler können von beiden Proteinquellen bzw. ihren Eigenschaften profitieren. Muskelwachstum hängt von der Proteinsynthese und vom Proteinabbau ab. Muskelaufbau findet nur dann statt, wenn die Synthese von neuem Protein höher ausfällt als der Proteinabbau. Proteine sollen dazu beitragen, die Muskelproteinsynthese zu fördern und gleichzeitig den Abbau von Muskulatur so gering wie möglich zu halten.
Whey Protein wird im Vergleich zu Casein schneller verdaut und absorbiert und erzeugt einen schnelleren Anstieg an Aminosäuren im Blut. Whey wirkt daher in erster Linie anabol und kann zu einer Steigerung der Proteinsynthese (z.B. nach dem Training) führen. Zudem verfügt Whey über einen höheren Gehalt an verzeigtkettigen Aminosäuren (BCAAs). Hier wäre vor allem Leucin zu nennen – eine essenzielle Aminosäure, welche die Proteinbiosynthese in Muskulatur und Leber unterstützt, den Abbau von Muskelprotein hemmt und den Heilungsprozess fördert.
Um die maximale Proteinsynthese nach dem Training zu fördern, ist eine Zufuhr von 3 bis 4 g Leucin erforderlich. Eine 30 g-Portion Whey Protein (hier z.B. das ESN Designer Whey) liefert 3,36 g Leucin, dieselbe Portion ESN Micellar Casein liefert hingegen weniger, nämlich 3,03 g Leucin.
Bei anderen Anbietern sind die Unterschiede z.T. noch größer. So enthält eine Portion (30 g) von Zec+ Whey Connection Professional 3,33 g Leucin, eine 30 g-Portion Zec+ Micellar Casein hingegen nur 2,76 g Leucin. Wenn es um einen Proteinshake nach dem Training geht, hat Whey Protein die Nase leicht vorne.
Betrachtet man die biologische Wertigkeit, so kann Whey im Vergleich zu Casein auch in diesem Bereich punkten (100 bis 104 vs. 70 bis 77), allerdings haben beide einen PDCAAS-Wert – welcher eine verlässlichere Methode zur Beurteilung der Proteinqualität darstellt – von 1,0.
Casein Protein gegenüber Whey Protein abzuwerten, wäre somit nicht richtig. Beides sind „komplette“ bzw, „vollständige“ und hochwertige Proteine. Da Casein vom Körper langsamer verstoffwechselt wird und einen geringeren Peak erzeugt, wirkt es in erster Linie anti-katabol und kann den Proteinabbau (z.B. während der Diät oder längeren Fastenphase, wie während des Schlafens) verringern.
Für Sportler ist eine Kombination beider Sorten empfehlenswert: modernes Whey Protein für den Tag und einem micellarem Casein für die Nacht.
Was können pflanzliche Proteinquellen?
Wenn man bedenkt, dass pflanzliche Lebensmittel, wie Hülsenfrüchte oder Getreide häufig einen geringeren Anteil an gesättigten Fettsäuren und Cholesterol enthalten als tierische Produkte (z.B. Milch, Eier, Käse, Fleisch), können sie eine exzellente Proteinquelle darstellen. Wichtig bei einer überwiegend pflanzlichen oder gar veganen Ernährung ist, für die Abdeckung aller essentiellen Aminosäuren zu sorgen (z.B. durch geeignete Lebensmittel-Kombinationen).
Beliebte pflanzliche Proteinquellen sind Erbsen, Bohnen Linsen, Samen, Nüsse und Soja. Daneben können Sojabohnen auch zu sog. „texturiertem Soja“ – besser bekannt als „Sojafleisch“ oder „Sojaschnitzel“ – verarbeitet werden. Hierfür werden die Sojabohnen zunächst gemahlen und mechanisch in mehreren Vorgängen zu entfettetem Sojamehl gepresst. Das Sojamehl wird anschließend im Rahmen einer sog. Extrusion unter Druck kontinuierlich aus einer formgebenden Öffnung herausgepresst, welches ihm eine fleischähnliche Form und Beschaffenheit verleiht.
Ob Bratlinge, Schnitzel, Geschnetzeltes, Gulasch, Gyros oder Hack – Sojafleisch (TVP; Textured Vegetable Protein) lässt sich zu verschiedenen Formen verarbeiten. Sojafleisch eignet sich als kalorien- und fettarme Quelle von pflanzlichem Protein. So liefern beispielsweise 100 g Soja-Geschnetzeltes von „Bio-Zentrale“ 52 g Protein bei nur 3 g Fett.
Eine weitere ernährungsphysiologisch sehr wertvolle pflanzliche Proteinquelle ist Tempeh. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Fermentationsprodukt aus Indonesien, welches durch Beimpfung von geschälten und gekochten Sojabohnen mit Schimmelpilzen entsteht. 100 g Tempeh enthalten 19 g Protein.
Seitan wird aus aus Gluten, dem wasserunlöslichen Klebereiweiß des Weizenmehls, hergestellt und hat eine bissfeste, an Fleisch erinnernde Konsistenz. Ähnlich wie beim Sojafleisch, sind auch diverse industriell hergestellte vegetarisch-vegane Fleischersatzprodukte (Würstchen, Hack, Gyros, Schnitzel) aus Seitan auf dem Markt. Seiten bzw. reines Weizeneiweiß hat einen Proteingehalt von 70 bis 75 Prozent.
Als heimische Alternative zu Soja können auch Lupinenprodukte als Proteinquelle dienen. Lupinensamen lassen sich – ähnlich wie Sojabohnen – in unterschiedliche Formen bringen und so als Bestandteil vegetarischer Ernährungsformen einsetzen. Süßlupinenmehl enthält beispielsweise 40 g Protein.
Pflanzliche Lebensmittel und Proteinquellen sollten jedoch nicht nur auf ihren Eiweißgehalt reduziert werden, sondern enthalten auch zahlreiche andere Nährstoffe, wie Phytochemikalen bzw. sekundäre Pflanzenstoffe, sowie Ballaststoffe, die gesundheitliche Vorteile bieten.
Alles Soja, oder was?
Eine der beliebtesten pflanzlichen Proteinquellen ist Soja. Vergleicht man die PSCAAs-Werte, so liegt Sojaprotein gleichauf mit tierischen Proteinquellen, wie Eiern, Milch, Whey und Casein. Die hohe Proteinqualität von Soja macht die Pflanze zu einer willkommenen Proteinquelle bei vegetarischer oder veganer Ernährung.
Bei Soja handelt es sich um ein „vollständiges“ Protein mit allen essentiellen Aminosäuren. Sojabohnen sind auch reich an sog. „Phytoöstrogen“ – pflanzlichen Inhaltsstoffen, die eine hormonähnliche Wirkung haben können. Zu den bekanntesten Vertretern der Phytoöstrogene zählen die Isoflavone, welche mehrfach auf ihre lipoprotein-senkenden Fähigkeiten untersucht wurden.
Sie scheinen die Fähigkeit zu haben, LDL- und Gesamtcholesterol zu senken, wenn täglich etwa 25 g Soja-Protein-Isolat zugeführt werden. Diese Studien wurde in den meisten Fällen an postmenopausalen Frauen (postmenopausal = „nach der Menopause“) mit und ohne hohe Blutfettwerte durchgeführt, obwohl dieselben Effekte auch bei prämenopausalen Frauen mit normalem Lipidspiegel, sowie bei Männern beobachtet wurden.
Bei Personen, die zu Studienbeginn einen erhöhten Cholesterolspiegel aufwiesen, sanken diese tendenziell in einem stärken Ausmaß als bei Personen mit normalen Cholesterolwerten. Diese Effekte scheinen auf die Isoflavone – vor allem Genistein und Daidzein – zurückzuführen sein, da sie durch Supplementierung replizierbar sind.
Allerdings ist zu beachten, dass eine sehr hohe Standardabweichung bzw. Variation zwischen Personen existiert. Zwar finden viele Studien klinisch signifikante Ergebnisse, jedoch sind diese zu variabel, um auch statistisch signifikant zu sein. Dies bedeutet, dass – obwohl ein positiver Effekt bei den meisten Personen beobachtet wurde – dieser zwischen den Personen so unterschiedlich ausfiel, dass die Wissenschaftler mit statistischen Analysen keinen Beweis erbringen konnten, dass es tatsächlich die Soja-Aufnahme war, die zur Verringerung der Cholesterol- und LDL-Werte führte.
Bei postmenopausalen Frauen (bei denen im Zuge eines niedrigeren Östrogenspiegels eine Erhöhung von LDL- und Gesamtcholesterol auftritt), können Isoflavone aus Soja die Effekte von Östrogen nachahmen und den sonst zu erwarteten Anstieg reduzieren. Leider ist diese Wirkung nicht zuverlässig und erheblichen Schwankungen von Person zu Person unterworfen.
Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat den Health Claim „25 grams of soy protein a day, as part of a diet low in saturated fat and cholesterol, may reduce the risk of heart disease“ (übersetzt: „Eine an gesättigten Fettsäuren und Cholesterol arme Ernährung, die 25 g Sojaprotein pro Tag enthält, kann das Risiko von Herzerkrankungen reduzieren“) für Produkte, die mind. 25 g Sojaprotein pro Referenzmenge enthalten, zugelassen.
Diese Aussage hat jedoch nur dann Gültigkeit, wenn es sich auch um „echte“ Sojaprodukte handelt. Laut PZ online enthalten Sojabohnen im Schnitt 1,2 mg bis 4,2 mg Isoflavone pro Gramm. Auch Sojamehl, welches aus enthüllten und entfetteten Sojabohnen hergestellt wird, enthält den vollen Isoflavongehalt, der aber je nach Sorte, Kultur- und Erntebedingungen erheblich variieren kann. Am wenigsten Isoflavone enthalten Soja-Konzentrate und -Isolate. Auch Sojasoße enthält nur geringe Mengen an Isoflavonen und in Sojaöl oder Sojalecithin sind Isoflavone ebenfalls in nicht nennenswerter Menge enthalten.
Das Gremium für Diätetische Produkte, Ernährung und Allergien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam 2010 zu dem Schluss, dass zwischen dem Verzehr von Soja-Protein und Soja-Protein-Isolat und der Verringerung der LDL-Cholesterol-Konzentration keine Ursache-Wirkungs-Beziehung festgestellt wurde. Dasselbe gilt für den Verzehr von Soja-Protein-Isolat, wie eine Stellungsnahme aus dem Jahr 2012 zeigt.
Aktuell befinden sich im Unionsregister mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben keine zugelassenen Health Claims für Soja und Sojaprodukte. Im Jahre 2015 hat die EFSA laut einer Stellungsnahme keinen Hinweis auf eine schädliche Wirkung von Isoflavonen in Nahrungsergänzungsmitteln für Frauen nach der Menopause festgestellt. Allerdings empfiehlt das BfR bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmittel mit isolierten Isoflavonen und nach den Wechseljahren die Orientierungswerte für Dosierung und Anwendungsdauer einzuhalten.
Bis hierhin lässt sich zusammenfassen, dass es bei Soja grundsätzlich eine positive Wirkung für die Herzgesundheit (durch die Reduzierung des LDL-Cholesterolspiegels) zu geben scheint und dass diese Wirkung am häufigsten und intensivsten an postmenopausalen Frauen studiert wurde. Ebenso scheint es eine hohe individuelle Variation zu geben, sodass eine Intervention nicht derart zuverlässig ist, wie es wünschenswert wäre.
Die Variation kann an Unterschieden bei den Darmbakterien liegen. So werden besondere Darmbakterien benötigt, um das Isoflavon Daidzein in Equol (eine bioverfügbare, vom Körper verwendbare Form) umzuwandeln. Genistein und Equol sind die am stärksten wirkenden Isoflavone, aber nur 30 bis 50 Prozent der Menschen sind in der Lage, Equol aus Daidzein zu metabolisieren. Unter den Asiaten sind es interessanterweise 50 bis 60 Prozent, die nach der Einnahme von Soja in der Lage sind, Equol zu produzieren.
Personen, denen es an diesen besonderen Darmbakterien mangelt, erhalten eine geringere Dosis des aktiven Wirkstoffs, als Personen, deren Körper Daidzein in Equol biokonvertieren kann. Auch wären ihre Ergebnisse weniger signifikant. Faktoren, die die Equol-Produktion beeinflussen, umfassen u.a. die Genetik, die Mikroflora des Darms, sowie die Ernährung.
Obwohl die meisten cholesterolsenkenden Effekte auf Isoflavone mit östrogenähnlicher Wirkung zurückzuführen zu sein scheinen, könnte es auch noch andere Wirkmechanismen geben. So wurde bei einigen Peptiden in Sojaproteinen festgestellt, dass sie die Cholesterolhomöostase (Homöostase = „Gleichstand“; Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes“) in vitro regulieren und daher eine geeignete alternative Hypothese darstellen könnten.
Die meisten Vorteile von Soja für die Reduzierung des Risikos für Herzkrankheiten sind auf Equol zurückzuführen, welches nicht in jedem Körper produziert wird. Personen, deren Körper das Isoflavon Daidzein nicht in Equol umwandeln kann, scheinen im Bezug auf die Herzgesundheit dennoch von Soja zu profitieren, allerdings fällt die Höhe des Nutzens bei ihnen geringer aus.
Und was ist mit der angeblich testosteronsenkenden Wirkung von Soja bei Männern?
Reduziert Soja das Testosteron? Nun, in Bezug auf Männer und Testosteron sind die Isoflavone der Sojabohne und Daizein in die Senkung des Testosteronspiegels verwickelt bzw. involviert. Wird Soja als Lebensmittel verwendet, scheint das für den Großteil keine große Verringerung des Testosterons zu bewirken.
Auch eine Supplementierung mit Sojaprotein scheint sich laut mehreren Studien (Vgl. hier, hier, hier und hier) nicht nachteilig auf den Testosteronspiegel auszuwirken. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass viele Studien mit Whey Protein oder Casein Protein Supplementen Soja als Kontrollprotein einsetzen. Dieser Umstand kann als indirekter Beweis für die Unwirksamkeit von Soja Protein Supplementen bei der Senkung des Testosteronspiegels gedeutet werden.
Die meisten gut durchgeführten Meta-Analysen (Vgl. hier und hier) kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Der Nachweis ist zu schwach oder variiert zu stark, um pauschal zu schlussfolgern, dass „Soja Testosteron senkt“.
Dies heißt jedoch nicht, dass Soja in keinster Weise mit einem niedrigeren Testosteronspiegel im Zusammenhang steht. Einige Fallstudien (z.B. hier) stellen fest, dass ein drastischer Überkonsum von Soja bzw. ein extensiver Konsum von Isoflavonen eine unzureichende Produktion von Testosteron verursachen kann. Jedoch geht von Fallstudien (in diesem Fall an einem 19-jährigen Typ-1-Diabetiker) keine hohe Aussagekraft aus.
Eine Pilotstudie stellte bei den meisten Probanden ebenfalls niedrigere Testosteronwerte nach der Zufuhr eines Soja-Protein-Supplements fest. Die Studie wurde jedoch – wie es für Pilotstudien üblich ist – im Kleinen, also nur an einer kleinen, überschaubaren Gruppe (indem Fall von 13 Patienten) durchgeführt.
Laut einer randomisierten, einfachblinden, placebokontrollierten Studie im Parallelgruppen-Design kann der Konsum von Sojaproteinisolat zudem die Androgenrezeptor-Expression unterdrücken. (Zur Erläuterung: beim Adrogenrezeptor handelt es sich um einen Steroidrezeptor, der durch die Bindung der androgenen Steroidhormone Testosteron oder Dihydrotestosteron aktiviert wird. Das Anbinden an und Aktivieren des Androgenrezeptors verändert die Expression von Genen und steigert die Proteinsynthese, welche wiederum den Muskelaufbau fördert.)
Auch bestehen einige Nachweise dafür, dass diejenigen, die über Darmbakterien zur Produktion von Equol verfügen, einen niedrigeren Testosteronspiegel aufweisen könnten. Eine andere Studie, die Euqol nicht speziell kontrollierte, jedoch dessen Produktion feststellte, beobachtete ebenfalls eine Senkung des Testosterons. Darüber hinaus wurde Equol im Blut von zwei gesunden Probanden aus der Gruppe der Nicht-Equol-Produzenten nachgewiesen, was auf die Möglichkeit hindeutet, dass Nicht-Produzenten durch längere und anhaltende Zufuhr von Soja-Isoflavonen zu Equol-Produzenten werden könnten. Ebenso könnte eine Ernährung, die auf Soja-Isoflavonen basiert, vorbeugend bei der Entwicklung von Prostatakrebs nützlich sein.
Eine klinische Kontrollstudie ergab eine Abnahme von Testosteron nach der Zufuhr von Sojaproteinpulver bei gesunden Männern (unabhängig von Equol), erntete aber Kritik für ihre statistische Analyse, die einen großen Ausreißer beinhaltete.
Eine weitere randomisierte Studie im Crossover-Design untersuchte den Einfluss von Sojaprotein auf die Serums-Hormone bei gesunden jungen Männern. Die Urinproben zeigten, dass die Harn-Isoflavonwerte bei Männern, die Sojaproteinisolat mit einem hohen Isoflavongehalt (61,7 +/- 7,35 mg Isoflavone/Tag) erhielten, im Vergleich zu den Gruppen mit Sojaproteinisolat mit niedrigem Isoflavongehalt (1,64 ± 0,19 mg Isoflavone/Tag) oder Milchproteinisolat, signifikant erhöht waren.
Zudem hat Sojaprotein – unabhängig vom Isoflavongehalt – zu einer Reduzierung von DHT (Dihydrotestosteron) und dem DHT/Testosteron-Verhältnis geführt (bei gleichzeitig geringen Auswirkungen auf andere Hormone), was als Hinweis für einige Effekte von Sojaprotein auf männliche Hormone dient. Die Eqol-Werte wurden in dieser Studie nicht kontrolliert. Kurz zur Erläuterung: DHT ist die biologisch potentere Form von Testosteron, das häufig als Hormonvorläufer fungiert. Die biologischen Wirkungen von DHT entsprechen jenen von Testosteron.
Ein Review aus dem Jahre 2012 fasste den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Literatur zu möglichen nachteiligen Auswirkungen von Soja auf die reproduktive Gesundheit bei Mensch und Tier zusammen. Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass es insgesamt an groß angelegten, umfassenden klinischen Studien über die potenziell nachteiligen Auswirkungen von Soja in der menschlichen reproduktiven Gesundheit mangelt.
Verfügbare Studien haben entweder keine Auswirkungen oder nur geringfügige nachteilige Effekte festgestellt. Dies ist insbesondere bei den wenigen Studien den Fall, welche die Auswirkungen von sojabasierter Nahrungsergänzung auf die sexuelle Entwicklung und reproduktive Gesundheit bei Erwachsenen bewertet haben.
Im Vergleich zu Studien mit Menschen, fallen die Beweise dafür, dass Tiere vom Soja-Konsum oder der Isoflavon-Exposition betroffen sind, umfangreich aus. So gilt es als allgemein anerkannt, dass die weibliche Fruchtbarkeit durch in utero („in der Gebärmutter“) oder neonatale („das Neugeborene betreffend“) Exposition mit Isoflavonen gestört wird.
Im Hinblick auf die männliche reproduktive Gesundheit, haben Studien festgestellt, dass der Verzehr von Soja oder Phytoöstrogenen zu einer Veränderung der Androgene, sowie dem follikelstimulierenden Hormon (FSH) und dem luteinisierenden Hormon (LH) führt. (Die Bildung und Ausschüttung von LH und FSH ist für die komplexen Hodenfunktionen – und damit auch die Produktion von Samenzellen – wichtig).
Negative Effekte auf die Wurfgröße und die Spermienproduktion werden nur während einer lebenslangen Exposition beobachtet, was darauf hindeutet, dass kürzere, spezifische Expositionszeiten keine schädlichen Auswirkungen auf die männliche Fortpflanzung (in dem Fall bei Nagetieren) haben können.
Die z.T. durchaus unterschiedlichen und gegensätzlichen Studienergebnisse bzw. der Mangel an konsistenten Ergebnissen über alle Arten hinweg ist rätselhaft, kann aber laut den Autoren des Reviews auf eine Kombination verschiedener Faktoren zurückzuführen sein. Dazu zählen u.a. die Art der verwandten Sojaprodukte/Isoflavon-Präparate, der Verabreichungsweg, die Expositionsdauer, sowie der Isoflavonstoffwechsel. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, umfangreiche prospektive Studien am Menschen durchzuführen.
Bis dato lässt sich zusammenfassend festhalten, dass ein maßvoller Sojakonsum (1-2 Sojaprodukte täglich, <25 g Sojaprotein aus natürlichen bzw. nicht konzentrierten Quellen) keinen signifikanten Einfluss auf den Testosteronspiegel zu haben scheint. Jedoch lässt sich nicht ausschließend, dass eine anhaltend übermäßige Zufuhr an Soja bzw. Isoflavonen (genug, um die Equol-Frage aufzuwerfen; etwa 100 mg Isoflavone am Tag), nicht doch nachteilige Effekte auf den Testosteronspiegel haben könnte.
Zum Vergleich: in asiatischen Ländern, in denen Soja und Sojaprodukte Bestandteil der traditionellen Ernährung sind, werden laut Pharmazeutischer Zeitung im Schnitt 15 bis 50 mg Isoflavone pro Tag aufgenommen. In westlichen Ländern sind es hingegen unter 2 mg.
Zudem bleibt zu beachten, dass der Isoflavongehalt von Sojaprodukten durch agronomischen Faktoren, wie Sojasorten, Kulturbedingungen und Verarbeitungsverfahren, starken Schwankungen unterworfen. Die Menge an aufgenommenem Isoflavonen hängt damit nur mit der Menge der konsumierten Sojaprodukten, sondern auch mit der Art der Sojaprodukte zusammen.
Sojamehl enthält z.B. 150 bis 170 mg Isoflavone pro 100 g, Sojaproteinisolat 91 mg, Natto (fermentierte Sojabohne) 82 mg und Edadame (unreif geerntete Sojabohnen) 49 mg. Deutlich niedriger fällt der Isoflavongehalt bei Tofu (25 bis 30 mg je 100 g), einem mit einer Alkohol-Wasser-Mischung extrahierten Soja-Protein-Konzentrat (11 mg je 100 g) oder Sojamilch (1 bis 3 mg je 100 g) aus.
Zwischen Maß und Übermaß liegt ein Grenzbereich, der u.a. davon abhängig, welche Sojaprodukte man zu sich nimmt und ob man in der Lage ist, Equol zu produzieren oder nicht. Da negative Effekte auf den Testosteronspiegel bei einem exzessiven Sojaverbrauch nicht auszuschließen sind, sollte man vorsichtshalber besser Maß halten und es mit dem Sojaverzehr nicht unnötig übertreiben. Selbst bei rein pflanzlicher Ernährung gibt es noch zahlreiche andere, gesunde und hochwertige Proteinquellen.
Wie bei vielem so dürfte also auch bei Soja gelten: die Dosis macht das Gift!
Whey vs. Soja – Wer ist der Sieger?
Eine randomisierte, klinische Doppelblind-Studie aus dem Jahre 2011 untersuchte die Wirkung von Whey Protein, Sojaprotein und einer isoenergetischen Menge an Kohlenhydraten auf das Körpergewicht und die Zusammensetzung bei 73 übergewichtigen, aber sonst gesunden Erwachsenen. Das Whey Protein enthielt rund 1,5 g mehr BCAAs, dafür hatte das Sojaprotein einen etwa dreimal so hohen Arginin-Anteil.
Nach 23 Wochen gab es hinsichtlich Körpergewicht und Zusammensetzung zwischen der Soja- und Whey Protein-Gruppe oder zwischen der Soja- und der Kohlenhydrat-Gruppe keinen Unterschied. Jedoch fielen Körpergewicht und Fettmasse in der Gruppe, die Whey Protein erhielt, um 1,8 kg bzw. 2,3 kg niedriger aus als in der Gruppe mit dem Kohlenhydrat-Supplement. Auch das appetitanregende Hormon Ghrelin, welches möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Adipositas spielt, fiel in der Whey Protein-Gruppe niedriger aus als bei den Probanden der beiden anderen Gruppen.
Das Soja-Protein-Supplement konnte im Vergleich zum Kohlenhydrat-Supplement hingegen keine Veränderungen bei Körpergewicht oder Körperzusammensetzung erzielen. Auch zwischen Soja- und Whey-Gruppe gab es hinsichtlich dieser Parameter keine Unterschiede.
Die Studienergebnisse lassen den Schluss zu, dass eine kurzfristige Gewichtsabnahme eine Kalorienrestriktion erfordert, bei der eine proteinreiche Ernährung hilfreich sein könnte. Sojaprotein kann ähnlich effektiv zur Steigerung der täglichen Proteinzufuhr beitragen, wie Whey Protein, bewirkte im Vergleich zum Kohlenhydrat-Supplement aber keine Veränderungen beim Körpergewicht.
Jedoch kann die ergänzende Zufuhr von Proteinen – inbesondere in Form von Whey Protein – bei übergewichtigen und fettleibigen Personen eine langfristige Erhaltung des Körpergewichts ohne Energierestriktion unterstützen.
Eine weitere Längsschnittstudie (Parallelgruppendesign, 3 Gruppen) erzielte mit 56 jungen Männern in Verbindung mit Widerstandstraining ähnliche Ergebnisse. In dieser Studie wurde die Wirkung von fettfreier Milch, fettfreiem Sojaprotein und Maltodextrin (Kontrollgruppe) bei einer Zufuhr unmittelbar und eine Stunde nach dem Training auf den trainingsinduzierten Zuwachs an magerer Muskelmasse untersucht. Die Energiezufuhr war in allen drei Gruppen äquivalent.
Das Ergebnis: mit der Zufuhr von fettfreier Milch konnten nach 12 Wochen höhere Zuwächse an magerer Muskelmasse und eine höhere Reduzierung der Fettmasse erzielt werden als mit der Zufuhr von Soja Protein. Die Wissenschaftler schlussfolgern daraus, dass die kontinuierliche Zufuhr von Milch nach dem Training die Hypertrophie in den frühen Stadien eines Widerstandstrainings bei Kraftsport-Anfänger – im Vergleich zu Soja oder Kohlenhydraten – in einem größeren Ausmaß fördert.
Wiederum hat eine randomisierte Doppelblindstudie, die ebenfalls die Veränderungen der Muskelmasse, der Kraft und des myofibrillären Proteinkatabolismus bei untrainierten, gesunden Probanden in Kombination mit Widerstandstraining untersuchte, festgestellt, dass die Supplementierung von Molkeprotein oder Sojaprotein während des Trainings – unabhängig von der Proteinquelle – zur Erhöhung der Muskelmasse und Kraft im Vergleich zum Isokalorischen Placebo (Maltodextrin) beiträgt.
Die eingangs bereits erwähnte Studie aus dem Jahre 2011 fand zudem heraus, dass der Verzehr von Whey Protein zu niedrigeren Schilddrüsewerten (T3 und freies T4) führte als das Soja Protein Supplement. Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) sind für den Energiehaushalt und Stoffwechsel wichtige Hormone und werden aufgrund ihrer anabolen und fettabbauenden Wirkung häufig in Verbindung mit Soja, Sojaprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln angepriesen. Generell neigen Schilddrüsenhormone dazu, bei einer proteinreicheren Ernährung, anzusteigen. Soja scheint in dieser Hinsicht wirksamer als Whey zu sein, obwohl die Whey-Gruppe in dieser Studie mehr Fett verlor.
Eine andere randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie im Parallel-Design stellte bei jungen und älteren Männern, die täglich 40 g Soja Protein erhielten – im Vergleich zu 40 g milchbasiertem Protein – eine Zunahme am anabolen Wachstumsfaktor IGF-1 (Insulin-like growth factor), der mit einer höheren Kochenmasse bzw. Knochendichte assoziiert wird, fest. Die Effekte von Soja Protein auf den IGF-1-Spiegel deuten darauf hin, dass Soja Protein die Knochengesundheit bei Männern positiv beeinflussen könnte.
In einer weiteren, im Whey-Kapitel bereits verlinkte Studie, die ergab, dass die Zufuhr von Whey Protein Hydrolysat die Muskelproteinsynthese in einem größeren Ausmaß stimulierte als Casein und Soja, kommt noch ein weiterer Aspekt zum Tragen. Whey Protein enthält einen höheren Anteil an BCAAs und Leucin als Soja Protein. Studien haben gezeigt, dass die Supplementierung von Soja Protein mit BCAAs (Leucin, Isoleucin und Valin) erforderlich ist, um seine anabole Wirkung bei älteren und kranken Personen zu erhalten.
Zudem wurde gezeigt, dass Leucin die Aktivierung von mTOR-verwandten Signalproteinen im Ruhezustand und nach dem Training verstärkt. (mTor [„mechanistic Target of Rapamycin“] ist ein zentrales Protein des Muskelmetabolimus und nimmt eine Schlüsselrolle in der Regulation der Proteinbiosynthese ein). So konnte in dieser Studie insbesondere der größere Gesamtgehalt an BCAA (~ 7 Prozent) und Leucin (~ 28 Prozent) zu der größeren Zunahme der Proteinsynthese nach der Aufnahme von Whey Protein im Vergleich zu Soja Protein beigetragen haben.
Das ist nicht wirklich überraschend, da Whey Protein bzw. Molkenprotein im Vergleich zu Soja Protein einen etwa 40 Prozent höheren Leucingehalt aufweist (Vgl. z.B. ESN Soja Protein Isolat und ESN Designer Whey mit 7,8 g vs. 11,2 g Leucin je 100 g) und Leucin die Aminosäure ist, die für die Stimulierung der Proteinsynthese im Muskel verantwortlich ist.
Diese „anti-anabole“ Wirkung von Soja wird von einer weiteren Tierstudie unterstützt, bei denen mit Soja gefütterte Ratten nach 11 Wochen eine deutlich geringere fettfreie Muskelmasse aufwiesen als Ratten, die mit Ei oder Whey gefüttert wurden. Jedoch sind Rattenstudien wohl kaum 1:1 auf den Menschen übertragbar, sodass die Qualität bzw. Aussagekraft dieser Studie zu Recht hinterfragt werden sollte.
Diese Ergebnisse belegen, dass der Leucingehalt ein entscheidender Faktor zur Definition der Proteinqualität ist, welche Einfluss auf Muskelmasse und Körperzusammensetzung bei Erwachsenen hat. Verschiedene andere Studien am Menschen haben ebenfalls festgestellt, dass Soja im Bezug auf Anabolismus schlechter dasteht als Milchproteine (siehe z.B. hier und hier).
Ist Soja damit ein „schlechtes“ Protein? Nein. Ist es „schlechter“ als Whey? Zumindest gibt es in einigen Punkten Unterschiede. Dazu zählt z.B. der Gehalt an Leucin und anderen BCAAs. Obwohl Soja wohl keinen derartigen „Absturz“ beim Testosteronspiegel auslöst, wie von einigen befürchtet, so könnte eine übermäßige Zufuhr von Soja Protein unter Umständen den Anabolismus beeinträchtigen.
Das soll nicht heißen, dass man niemals und unter keinen Umständen Soja konsumieren sollte. Moderate Mengen dürften überhaupt kein Problem darstellen. Wer sich jedoch für ein Protein Supplement entscheiden muss und die Wahl hat, dürfte mit Whey Protein die bessere Wahl zur Erreichung seiner Ziele treffen – zumal sich viele Gesundheitsvorteile, die Soja zugesprochen werden, auch mit Whey bzw. Milchproteinen erzielen lassen, welches zudem anaboler wirkt.
Hinsichtlich des Herstellungsprozesse von Soja-Protein-Konzentraten- und -Isolaten gilt zu berücksichtigen, dass die Produkte i.d.R. nicht mehr so natürlich sind wie Whey Protein oder mikrofiltriertes Casein Protein. Soja-Protein-Konzentrate und -Isolate werden aus entfettetem Sojamehl oder entfetteten Sojaflocken hergestellt. Bei der Herstellung von Soja-Protein-Konzentraten werden „die darin enthaltenen löslichen Kohlenhydrate entweder mit Alkoholen unterschiedlicher Konzentration oder bei saurem pH mit Wasser extrahiert“.
Um Soja-Protein-Isolat herzustellen „werden die Mehle bzw. Flocken bei alkalischem pH-Wert in Wasser suspendiert, um die Proteine zu lösen. Die Suspension wird zentrifugiert und aus dem Überstand, dem Extrakt, werden die gelösten Proteine am isoelektrischen Punkt durch Ansäuern gefällt“.
Wird Soja Protein als einzige Proteinquelle konsumiert, kommt die limitierende (essentielle) Aminosäure Methionin zum Tragen, weshalb bei bestimmten Sojaprodukten eine Supplementierung erfolgt. Soja sollte daher nicht als einzige Proteinquelle dienen. Bei veganer Ernährung können z.B. Mais, Nüsse oder Sesamkörner die Methionin-Lücke schließen. Wer sich nicht rein pflanzlich ernährt und dennoch Soja-Protein-Supplemente konsumiert, kann etwas Whey dazumischen. Auch Eier, Fisch und Fleisch liefern reichlich Methionin.
Rein pflanzliche Proteinpulver im Vergleich
Das Angebot für vegane Protein-Supplemente ist groß: Ob aus Soja, Reis, Erbsen oder Hanf – Proteinpulver lässt sich aus so einigen pflanzlichen Lebensmitteln herstellen. Die folgende Tabelle zeigt eine exemplarische Auswahl an pflanzlichen Protein-Präparaten am Beispiel von MyProtein:
kcal | ||||
---|---|---|---|---|
Sojaproteinisolat | 387 | |||
Bio Erbsenproteinpulver | 388 | |||
Bio Reisprotein | 369 | |||
Brauner Reisprotein | 423 | |||
Erbsenproteinisolat | 357 | |||
Vegan Blend Protein aus Naturreis, Erbsen und Hanf | 400 | |||
Active Women Veganes Protein | 358 | |||
Hanfprotein | 414 | |||
Vegan Superfood Blend Ganzheitliche Vegan-Mischung auf Basis von Erbsenprotein Isolat | 362 |
Vegane Proteinpulver eigenen sich vor allem für diejenigen, die in ihrer Ernährung komplett auf tierische Lebensmittel verzichten. Wer kein Fleisch, keinen Fisch, keine Eier und keine Milchprodukte zu sich nimmt, muss besonders auf seine Proteinzufuhr achten. Da es so gut wie keine natürlichen, pflanzlichen Lebensmittel gibt, die fast nur aus Protein bestehen, nehmen Veganer auch immer gewisse Anteile an Kohlenhydraten und/oder Fett zu sich.
Veganer, die ihre Proteinzufuhr steigern möchten, ohne gleichzeitig deutlich mehr Kohlenhydrate oder Fette zu sich zu nehmen, können auf vegane Protein-Supplemente zurückgreifen.
Unter den in der Tabelle aufgeführten, veganen Proteinpulvern von MyProtein, ist der Proteinanteil im Sojaproteinisolat mit 90 g je 100 g am höchsten. Auch enthält Proteinisolat aus Soja mehr Protein als jedes andere Soja-Proteinpulver, da bei der Herstellung ein Großteil des Fett- und Kohlenhydratgehalts entfernt wird. Sojaproteinisolat ist absolut lactosefrei und damit auch für Personen mit einer Lactoseintoleranz geeignet.
Auch Erbsenproteinpulver und Erbsenproteinisolat haben mit 75 bis 80 Prozent einen hohen Proteinanteil und sind ein guter Proteinlieferant für Veganer und Vegetarier. Für die Herstellung von Erbsenprotein-Supplementen werden die Erbsen zunächst gesäubert und verflüssigt, bevor die reine Protein-Flüssigkeit anschließend dekantiert, gereinigt, getrocknet, gesiebt und inspiziert wird. Das fertige Erbsenproteinpulver bzw- isolat ist frei von Gluten, Weizen, Milch und Soja.
Proteinpulver aus Reis – einem der weltweit wichtigsten Grundnahrungsmittel – stellt ebenfalls eine hochwertige Alternative zu Molken- und Sojaprotein dar. Das Reisprotein von MyProtein hat einen Proteingehalt von 78 bis 80 Prozent und enthält alle neun essentiellen Aminosäuren. Für die Herstellung werden das Protein und die Ballaststoffe in mehreren Stufen durch Fermentierung, Filtrierung und enzymatische Behandlung vom ganzen Reiskorn getrennt.
Als Rohstoff für die Herstellung wird weißer Reis oder gekeimter Vollkornreis herangezogen. Das Bio Reisprotein aus weißem Reis hat im Vergleich zum Reisprotein aus braunem Reis einen deutlich niedrigeren Kohlenhydratgehalt (1,3 vs. 19 g/ 100 g). eide Produkte sind frei von Gluten, Weizen, Milch und Soja.
Hanfsamen sind eine weitere Quelle für veganes Proteinpulver. Sie verfügen über alle essenziellen Aminosäuren in einem Verhältnis, das dem tierischer Proteinquellen gleicht. Darüber hinaus enthalten Hanfsamen reichlich aktiven Enzyme, essentiellen Fettsäuren, Vitamine, Mineralstoffe und andere verdauungsfördernde Substanzen. Zur Herstellung von Hanfprotein wird auf Chemikalien oder Wärmebehandlung verzichtet. Stattdessen wendet MyProtein ein firmeneigenes Kaltverarbeitungsverfahren an. Der Hanf wird kalt gepresst, kalt gefiltert, kalt gemahlen, kalt geschält und schließlich gesiebt, um das Hanfpulver zu erhalten.
Das Hanfprotein von MyProtein hat mit Abstand den höchsten Fettgehalt, jedoch mit einem optimalen Verhältnis zwischen Omega-6 und-3-Fettsäuren mit 2 bis 4 Prozent Gamma-Linolensäure (GLA). Gamma-Linolensäure ist Vorläufer der Dihomogammalinolensäure (DGLA), welche wiederum ein Grundststoff zur Erzeugung der „guten“, weil z.B. entzündungshemmenden, Serie-1-Eicosanoide ist (Eicosanoide sind hormonähnlichen Substanzen, die aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren gebildet wurden).
Darüber hinaus hat MyProtein noch einige vegane Proteinmischungen im Angebot, wie „Vegan Blend“ aus Erbsenproteinisolat, Braunreisprotein Konzentrat und Hanfprotein, „Active Women Veganes Protein“ aus Basis von Erbsenproteinisolat und braunem Reisprotein oder das „Vegan Superfood Blend“, welches neben Erbsenproteinisolat noch eine ganze Reihe Superfood-Extrakte enthält.
Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten oder Methoden, den Konsum tierischer Proteinquellen zurückzuschrauben oder gänzlich einzustellen, ohne dass der Bizeps schrumpft. Muskeln lassen sich auch auf rein pflanzlicher Basis aufbauen, auch wenn Veganer bei der Deckung ihres Bedarfs an Proteinen und Aminosäuren i.d.R. mehr Sorgfalt walten lassen müssen.
„Das beste“ Protein gibt es nicht
Ein Review aus dem Jahre 2004, welches der Frage nachging, welches das beste Protein sein, kam im Bezug auf die sportliche Leistungsfähigkeit zu dem Schluss, dass eine Kombination verschiedener Proteine aus unterschiedlichen Quellen wohl die optimalen Vorteile für die Leistung bieten kann.
Eine weitere Erkenntnis der Studie: auch wenn Protein aus tierischen Quellen ein wichtige Proteinquelle für den Menschen darstellt, so sollten auch gesundheitliche Bedenken, die mit einer hohen Zufuhr tierischer Proteinquellen im Zusammenhang stehen, anerkannt werden. Durch geeignete Kombinationen pflanzlicher Proteinquellen ließen sich nämlich ähnliche Vorteile, wie mit Protein aus tierischen Quellen erzielen.
Die Aufrechterhaltung der Muskelmasse (bei älteren Personen) könnte für den Konsum von tierischen Produkten, wie Fleisch, sprechen, während es wiederum auch interessante Erkenntnisse über die gesundheitlichen Vorteile im Zusammenhang mit Sojaprotein gibt.
Bei Sportlern, die ihre Ernährung mit Proteinpräpraten supplementierten, hat Casein auf lange Sicht den größten Nutzen für die Erhöhung der Proteinsynthese geboten. Jedoch wirkt Molkenprotein kurzfristig vorteilhafter auf die Proteinsynthese. Diese Unterschiede in der Wirkung gehen auf die unterschiedlichen Absorptionsraten zurück. Whey Protein wird vom Körper schnell aufgenommen und erzeugt einen hohen Peak, während Casein eine langsamere Aufnahmerate besitzt und zu einem flacheren Peak führt.
Laut Review ist es wahrscheinlich, dass eine Kombination von Casein und Whey von Vorteil sein könnte. Alternativ könnte sich auch eine geringere, aber häufigere Einnahme von Whey als zweckdienlicher erweisen. In Anbetracht der Mangelhaftigkeit der Forschung, die verschiedene Quelle von Protein in sportbezogenen Nahrungsergänzungsstudien untersucht, scheint weiterer Forschungsbedarf zur Untersuchung und Prüfung der Vorteile der unterschiedlichen Proteinquellen zu bestehen.
Fazit: Maß halten & mixen
Proteine – genauer gesagt ihre Bausteine, die Aminosäuren – sind für den menschlichen Organismus essentiell. Sie sind Bestandteile aller Körperzellen und bestimmen Bau, Struktur und Stoffwechsel.
Proteine erfüllen eine Reihe lebenswichtiger Funktionen und dienen u.a. als Enzyme und Hormone, Speicherproteine, Bewegungsproteine, Strukturproteine, Antikörper in der Immunabwehr, Überträger von Nervenimpulsen, Puffer im Säure-Basen-Haushalt, sowie Energiebereitsteller im Hungerstoffwechsel oder bei Ausdauerbelastungen. Ein Mangel an essentiellen Aminosäuren beeinträchtigt Wachstum, Reparatur bzw. den Erhalt des Gewebes.
Wir müssen Proteine bzw. Aminosäuren daher in ausreichender Menge mit der Nahrung zuführen. Dabei sind Extreme – sowohl nach oben, als auch nach unten – unangebracht. Eine Unterversorgung mit Proteinen hat fatale Folgen, aber auch eine Überversorgung oder die falsche Auswahl kann dem Körper u.U. schaden. Eine ausgeglichene Proteinbilanz lässt sich bei Erwachsenen bereits mit einer täglichen Proteinzufuhr von mindestens 32 g hochwertigem Protein aufrechterhalten.
Für die Definition von „hochwertigem“ Protein gibt es mehrere Ansätze. Ein wichtiges Qualitätskriterium des Nahrungseiweißes ist die Aminosäuren-Zusammensetzung, also die biologische Wertigkeit. Von einer hohen biologischen Wertigkeit spricht man, wenn das Nahrungsprotein viele essentielle Aminosäuren in einem ähnlichen Verhältnis wie das Körperprotein enthält.
Liegt in einem Lebensmittel nur eine einzige essentielle Aminosäure in geringer Konzentration vor, wird die biologische Wertigkeit erheblich beeinträchtigt. Zu diesen „limitierenden Aminosäuren“ gehören z.B. Lysin im Getreide, Methionin in Hülsenfrüchten und Tryptophan in Mais.
Mit der Empfehlung für die Proteinzufuhr der DGE in Höhe von 0,8 g je kg Körpergewicht ist der Durchschnittsbürger mehr als gut abgedeckt. Bei starker körperlicher Aktivität kann der Proteinbedarf über diesem Richtwert liegen. So können etwa (Hochleistungs-)Sportler mit forciertem Muskelaufbau einen höheren Proteinbedarf aufweisen, wobei dieser keinesfalls bei 3 oder 4 g pro kg Körpergewicht liegt, wie unter einigen Kraftsport-Enthusiasten behauptet wird.
Bis zu 2 g sind auch hier i.d.R. vollkommen ausreichend. In einigen Ausnahmefällen mögen auch Zufuhren von bis zu 2,5 g Protein pro kg Körpergewicht am Tag (oder bei Kraftsportlern mit sehr hoher Energiezufuhr sogar bis zu 3 g) vertretbar sein, sofern alle anderen, für die sportliche Leistung des Athleten wichtigen Nährstoffe abgedeckt werden.
Doch selbst bei intensivem Training sind Grenzen nach oben gesetzt, sodass bei einer zu hohen Proteinaufnahme keine zusätzliche Erhöhung von Muskelmasse, Muskelkraft, Protein-Turnoverrate oder fettfreier Körpermasse zu erwarten sind.
Selbst wenn 2,5 bis 3 g Protein je kg Körpergewicht zugeführt werden, der Körper diese Menge jedoch nicht zur Proteinsynthese heranziehen kann, wird der Überschuss einfach oxidiert. Bei der Verwendung anaboler Präparate (v.a. androgen-anabole Steroide und HGH) kann der Proteinbedarf zwar durchaus höher als bei Natural Athleten liegen, allerdings sind diese Fälle nicht als Norm anzusetzen.
Bei der Proteinzufuhr ist es wichtig zu wissen, dass es nicht DIE eine pauschale, richtige und optimale Proteinmenge für alle Personen geben kann. Die metabolische Antwort des zugeführten Proteins hängt von einer Reihe anderer Faktoren, wie dem Zeitpunkt der Einnahme bezogen auf das Training und/oder andere Nährstoffe, der Zusammensetzung der aufgenommenen Aminosäuren, sowie der Art des Proteins ab.
Ob eine höhere Proteinzufuhr gesundheitsschädlich ist, wird kontrovers diskutiert. Doch auch wenn eine höhere Proteinzufuhr bei gesunden nicht zwangsweise zu Gesundheitsschäden führt, so dürfte sie in den meisten Fällen überflüssig sein. Wer mehr Protein zu sich nimmt, als der Körper umsetzen kann, produziert nicht mehr Muskeln, sondern z.T. teuren Urin.
Schließlich können die meisten Aminosäuren auch in Glucose, also Zucker, umgewandelt werden und so zur Energiegewinnung herangezogen werden. Überschüssige Energie (auch in Form von Proteinen) wird als Fett eingelagert. Wer sich bei der zugeführten Proteinmenge im physiologisch sinnvollen Bereich bewegt, hat am ehesten die Chance, dass das Nahrungsprotein seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt wird.
Für die energetische Verwendung stellen Proteine im Vergleich zu Kohlenhydraten eine unökonomische Energiequelle dar. Daher sollte der Energiebedarf im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung grundsätzlich nicht durch Proteine gedeckt werden. Kohlenhydrate und/oder Fett sind als Energieträger deutlich besser geeignet.
Proteinreiche Lebensmittel – insbesondere aus tierischen Quellen – sollten entsprechend wertgeschätzt werden. In dem Fall lohnt es sich, Qualität vor Quantität zu setzen und nicht unnötig viel Fleisch, Fisch und Eier zu konsumieren. Nicht jeder muss gleich Veganer werden, jedoch können pflanzliche Lebensmittel eine ebenso hochwertige und wertvolle Proteinquelle darstellen.
Bei einer ausgewogenen und vielseitigen Mischkost können sich die Aminosäuren-Profile von unterschiedlichen tierischen und pflanzlichen proteinhalten Lebensmitteln ergänzen, sodass eine höhere biologische Wertigkeit entsteht. Omnivore oder „Allesesser“ können den täglichen Bedarf an Proteinen und Aminosäuren somit problemlos durch eine abwechslungsreiche Ernährung decken, ohne sich viele Gedanken zu diesem Thema machen zu müssen.
Auch Ovo-, Ovo-Lacto- oder Lacto-Vegetarier, die neben pflanzlicher Kost zusätzlich auch Eier und/oder Milchprodukte zu sich nehmen, können das unvollständige Aminosäurenprofil vieler pflanzlicher Lebensmittel durch geeignete Kombinationen aufwerten. Wer sich streng vegane ernährt, muss seine Lebensmittel allerdings sorgfältig auswählen, um den Bedarf an essentiellen Aminosäuren zu decken.
Personen, die zu wenig Proteine mit einer zu geringen biologischen Wertigkeit zuführen, können einen Proteinmangel erleiden. Dieser kann z.B. bei Senioren oder Essgestörten auftreten. Bestimmte Krankheiten können ebenfalls zu einem Proteinmangel führen. Und auch im Rahmen einer kalorienredizierten Diät sollte auf eine ausreichende Eiweißzufuhr geachtet werden.
Protein-Supplemente können zur Deckung des täglichen Proteinbedarfs beitragen, wenn dies über die normale Ernährung nicht möglich ist. Bei den meisten Personen dürfte eine abwechslungsreiche Ernährung jedoch vollkommen ausreichen. Wer körperlich aktiv ist, verbraucht mehr Energie und führt entsprechend mehr Energie zu. Bei gleichbleibendem Verhältnis der Makronährstoffe wäre so auch eine höhere Proteinversorgung gedeckt.
Bei unkritischer Zufuhr kann getrost auf Proteinpulver, Proteinriegel & Co. verzichtet werden. Wer Probleme hat, seinen Eiweißbedarf über die Ernährung zu decken, kann die Nahrung sinnvoll ergänzen. Jedoch stellen Protein-Supplemente keine adäquate Alternative bzw. keinen Ersatz zu natürlichen Lebensmitteln dar. Eiweißreiche Nahrungsergänzungsmittel sind mehr oder weniger stark verarbeitet und können den Nährstoff-Mix und Nutzen natürlicher Lebensmittel nicht replizieren.
Ob Protein aus Whey, Casein, Soja, Erbsen, Reis oder Hanf „besser“ ist, lässt sich nicht pauschalisieren. Für den Muskelaufbau und Muskelerhalten ist eine Mischung aus Molken- und Caseinprotein (z.B. Whey nach dem Training und Casein vor dem Schlafengehen) gut geeignet. Veganer oder Vegetarier können auch zu Sojaprotein oder anderen pflanzlichen Proteinpulvern greifen.
Letztendlich kommt es – ob vegan, vegetarisch oder omnivor – auf eine ausreichende Zufuhr an Proteinen und essentiellen Aminosäuren an. Mit welchen Puzzleteilen man das Bild vervollständigt, ist letztendlich zweitrangig. Die Auswahl an proteinreichen bzw. proteinhaltigen Lebensmitteln ist umfangreich und vielfältig, weshalb es unnötig ist, sich auf eine Proteinquelle zu beschränken. Der Mix macht´s!
Michael meint
Hi Alicia,
ich betreibe selber einen Blog, aber einen so umfangreichen & ausführlichen Bericht habe ich weder selber geschrieben, noch woanders gelesen. Meinen allergrößten R E S P E K T 🙂
Beste Grüße aus Berlin
Michael | Ernährungsberater & Mentaltrainer
Alicia meint
Hallo Michael,
vielen Dank 🙂
Grüße,
Alicia
Ulrich Siewert meint
Guten Tag Alicia,
ich kann mich meinem „Vorkommentator“ nur voll und ganz anschließen, aussergewöhnliche, absolut herausragende Leistung, besten Dank!!!
SG
Ulrich aus Düsseldorf
Alicia meint
Hallo Ulrich,
vielen lieben Dank, das freut mich sehr 🙂
Beste Grüße nach Düsseldorf,
Alicia
Ulrich Werbeck meint
Ganz hervorragende Darstellung dieses schwierigen Themen-Komplexes !!
Einzige Frage:
Gibt es das auch auf englisch ?