So manchem mag die leckere Tiefkühl-Lasagne in den vergangenen Tagen im Halse stecken geblieben sein. Zunächst nur in Tiefkühl-Hamburgern von Supermärkten in Großbritannien und Irland, ist mittlerweile klar: Der Pferdefleisch-Skandal hat längst Deutschland erreicht und weitet sich zunehmend aus.
Über Monate wurden rund 750 Tonnen Pferdefleisch als Rindfleisch deklariert und in mehr als 4,5 Millionen Fertiggerichten verarbeitet. Insgesamt sind 13 Länder und 28 Firmen betroffen. Allein in Deutschland landeten 360.000 Verpackungen im Umfang von 14 Tonnen, wovon viele bereits konsumiert worden sein dürften. Und fast täglich wird noch mehr Pferdefleisch in noch mehr Fertigprodukten und Herstellern gefunden.
Bei der verworrenen Transportwegen zwischen Schlachthof, Lebensmittelfabrik, Händler und Einzelhandel, die sich im Zick-Zack-Kurs über ganz Europa erstrecken, wundert es schon kaum mehr, dass unterwegs billigeres Pferdefleisch untergemischt werden konnte. Wer soll denn da noch durchblicken, wie und wo genau das Pferdefleisch in die Lasagne kam?
Das ZDF zeigte in seinem Wirtschafts- und Verbrauchermagazin WISO, wie verwirrend die Lieferwege sind, die das Pferdefleisch zurückgelegt hat.
Pferdefreunde dürften jetzt nicht nur um Tiefkühl-Lasagne, sondern auch um Ravioli, Penne, Cannelloni und Spaghetti Bolognese, „Rinder“-Gulasch, sowie Chili con Carne einen großen Bogen machen. Überall wo zerkleinertes, undefinierbares Fleisch enthalten ist, kann man sich jetzt nicht mehr sicher sein, ob nicht doch ein Stück Pony mitverarbeitet wurde.
Vom Pferdefleisch-Skandal sind fast alle großen Supermarkt-Ketten betroffen. Ob Discounter, wie Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl oder Kaufland oder traditionelle Händler, wie Eismann, Edeka, Kaiser´s Konsum Leipzig, Metro, Real, Tengelmann oder jetzt auch Nestlé – in allen Supermärkten wurden entweder Anteile von Pferdefleisch nachgewiesen oder aber Produkte vorsorglich aus dem Verkauf genommen. Fast bei allen Produkten auffällt: Es sind vor allem die günstigen Eigenmarken betroffen.
Die Länder haben Informationen über die betroffenen, falsch gekennzeichneten Produkte mit Pferdefleisch auf der Seite des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) übersichtlich zusammengestellt. Die jeweiligen Links führen direkt zu den Informationen der Länder mit den von Unternehmen öffentlich zurückgerufenen Produkten.
Sollte man eines der dort aufgeführten Produkte noch zu Hause haben, kann man diese bei allen Handelsketten zurückgeben. Der Kaufpreis wird erstattet.
Darf in Deutschland Pferdefleisch verkauft werden?
Ja. In Deutschland ist es grundsätzlich erlaubt, Pferdefleisch von gesund geschlachteten Pferden zu verarbeiten. Pferdefleischprodukte dürfen seit 1993 gemeinsam mit anderen Fleischwaren vermarktet und verkauft werden. So wird z.B. der Rheinische Sauerbraten traditionell aus Pferdefleisch hergestellt. Der Verkauf von Pferdeinnereien ist hingegen nicht zulässig (siehe nächste Frage „Ist Pferdefleisch gesundheitsschädlich?“).
Allerdings gibt es hierzulande nach wie vor nur knapp über 100 Pferdemetzgereien. Mit 3.000 bis 4.000 Tonnen macht das Angebot aus Pferdefleisch in Deutschland nur weniger als 0,05 Prozent der Gesamtfleischmenge aus. Der jährliche pro-Kopf-Verbrauch beträgt lediglich 50 g. Anders als in Belgien, Frankreich und der Schweiz, sind Produkte aus Pferdefleisch in gewöhnlichen Supermärkten daher in der Regel überhaupt nicht zu finden.
Nach wie vor gilt der Verzehr von Pferden bei den Verbrauchern als umstritten. Auf Pferden wird geritten oder mit ihnen geschmust, aber sie landen nicht auf dem Herd. Für viele wäre das so, als würde man seinen Hund oder seine Katze essen.
Ist Pferdefleisch gesundheitsschädlich?
Bei Einhaltung sämtlicher Vorschriften ist es grundsätzlich ungefährlich, genusstaugliches und für die Lebensmittelerzeugung zugelassenes Pferdefleisch zu essen. Prinzipiell handelt es sich beim Pferd um gesundes, mageres Fleisch. Die Farbe ist rot bis dunkelrot und fest in der Konsistenz. Junges Pferdefleisch ist geschmacklich kaum von Rind zu unterscheiden. Zudem ist Pferdefleisch über einem hohen Eiweißgehalt von fast 30 g je 100 g und ist reich an Eisen.
ABER: Es häufen sich Bedenken, weil das Pferdefleisch belastet sein könnte. Das EU-Schnellwarnsystem RASFF, welches Lebensmittelwarnungen aus ganz Europa sammelt, veröffentlicht jedes Jahr Warnungen zu Pferdefleisch. Verglichen mit anderen Fleischsorten treten diese Warnungen sogar häufiger auf – Im Jahr 2012 satte 30 mal.
So wurden in Pferdefleisch z.B. zu hohe Cadmiumwerte nachgewiesen. Cadmium wird in Niere und Leber gespeichert, weshalb der Verkauf von Pferdeinnereien auch nicht gestattet ist. Aber Pferde speichern Cadmium auch in der Muskulatur und somit im Fleisch.
Ähnlich wie Schweine und Wildschweine können auch Pferde an der parasitären Infektionskrankheit Trichinellose erkranken. Sie wird vor allem durch den Verzehr von rohem oder nicht nicht durcherhitztem Fleisch übertragen. Trichinellose unterliegt in der Europäischen Union der Meldepflicht. Die gesetzlich vorgeschriebene Trichinenuntersuchung ist zwar die größte Vorsichtsmaßnahme, allerding gab es trotz aller Kontrollen immer wieder durch Pferdefleisch übertragene Trichinellosefälle. In den meisten Fällen wurden sie durch aus Osteuropa stammendes Fleisch verursacht.
Nach Symptomen, wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können im späteren Krankheitsverlauf auch Fieber, Muskelschmerzen und Ödeme im Augenbereich auftreten. Als Komplikation kann der Herzmuskel befallen werden und die Erkrankung damit einen tödlichen Verlauf nehmen.
Der illegale Einsatz von Medikamenten stellt jedoch das größte Problem dar. In Pferdefleisch werden Regelmäßig Rückstände von Clenbuterol oder Phenybutazon gefunden, obwohl diese in Lebensmitteln nichts zu suchen haben.
Um sicherzustellen, dass im Fleisch keine Rückstände von Medikamente enthalten sind, muss seit 2000 für jedes Pferd in der EU ein sogenannter „Equidenpass“ ausgestellt werden. Dieser „Personalausweis“ soll anzeigen, ob das Pferd als ein „Lebensmittelpferd“ zur Schlachtung für den menschlichen Verzehr vorgesehen oder als „Nichtlebensmittelpferd“ davon ausgeschlossen ist. Lebensmittelpferde unterliegen deutlich strengeren Auflagen, was z.B. die Verabreichung von Medikamenten betrifft.
Der Equidenpass muss innerhalb der ersten sechs Lebensmonate ausgestellt werden und begleitet das Pferd ein Leben lang. Wird dies versäumt, darf das Pferd nicht mehr geschlachtet werden. Damit ein Pferd innerhalb der EU geschlachtet werden kann, muss der Equidenpass den Eintrag „zur Schlachtung für den menschlichen Verzehr bestimmt“ enthalten.
Eine Passänderung von „Lebensmittelpferd“ auf „Nichtlebensmittelpferd“ ist jederzeit möglich, umgekehrt jedoch strikt verboten. Der Eintrag als „Nichtlebensmittelpferd“ ist zudem für alle nachfolgenden Besitzer bindend und darf nicht geändert werden. Sport-, bzw. Rennpferde, die als „Nichtlebensmittelpferd“ häufig Arzneimittel erhalten, dürfen daher nach der Schlachtung nicht zu Lebensmitteln verarbeitet werden.
Die zahlreichen Warnmeldungen zeigen jedoch, dass die bestehende Regelung zur Trennung von Lebensmittel- und Nichtlebensmittelpferden nicht immer funktioniert. Immer wieder kommt es vor, dass in Pferdefleisch Rückstände von Tierarzneimitteln gefunden werden.
Die letzte Warnmeldung der EU stammt von Anfang Februar 2013 und ist gerade mal wenige Wochen her. Die britische Lebensmittelsicherheitsbehörde Food Standard Agency (FSA) hat in Proben von Pferdefleisch Rückstände von Phenylbutazon gefunden. Nach Behördenangaben wurde das belastete Fleisch in Großbritannien und den Niederlanden vertrieben. Ob auch Produkte in Deutschland mit dem Arzneistoff Phenylbutazon belastet sind, kann zurzeit noch nicht beurteilt werden.
Phenylbutazon wird bei Pferden häufig therapeutisch als Schmerzmittel angewendet oder teilweise als Dopingmittel im Pferdesport missbraucht. „Lebensmittelpferde“ dürfen aber EU-weit nicht mit Phenylbutazon behandelt werden. In importiertem Pferdefleisch aus den USA, Mexiko oder anderen nicht EU-Ländern hingegen, ist der Einsatz von Phenylbutazon möglich.
In der Humanmedizin wird Phenylbutazon heute noch vereinzelt zur Behandlung akuter Schmerzen bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen verwendet. Grundsätzlich sollte das Antirheumatikum aber nur für kurze Zeit verabreicht werden, da selbst eine kurzzeitige Anwendung sehr schwere Nebenwirkungen, wie Magen-Darm-Störungen oder Knochenmarksschäden zur Folge haben kann. Bis jetzt wurden in Deutschland keine höheren Rückstände von Phenylbutazon in Lebensmitteln gefunden.
Gesundheitsgefährlich ist für die Lebensmittelerzeugung zugelassenes Pferdefleisch also grundsätzlich nicht. Dennoch ist handelt es sich bei einem falsch gekennzeichneten Produkt um massive Verbrauchertäuschung.
Erkennt man Pferdefleisch an der Kennzeichnung?
Hat man als Verbraucher überhaupt die Chance herauszufinden, welches Fleisch man da genau isst und woher es stammt? Teilweise ja, teilweise nein. Die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (LMKV) legt für Lebensmittel allgemeine Pflichtkennzeichnungselemente fest, wie die Verkehrsbezeichnung, Hersteller, Zutatenverzeichnis, Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum.
Gemäß § 3 LMKV (Kennzeichnungselemente) müssen bei Lebensmittel in Fertigpackungen alle Zutaten mit ihrer Verkehrsbezeichnung, der Menge nach absteigend, im Zutatenverzeichnis angegeben werden.
Enthält eine Tiefkühl-Lasagne z.B. Pferdefleisch, so muss dieses auch als „Pferdefleisch“ auf der Verpackung gekennzeichnet sein. Wird eine Zutat in Text oder Bild auf der Verpackung hervorgehoben, z.B. durch die Aufschrift „Rindfleisch-Lasagne“ auf der Verpackung, muss zusätzlich die Menge in Prozent angegeben werden.
Stellt sich jetzt die Frage: Hätte man es eigentlich gemerkt, wenn Pferdefleisch nicht illegal, sondern für Jedermann hinten im Kleingedruckten der Zutatenliste sichtbar zu lesen, enthalten wäre? Unabhängig davon, ob man es erkannt hätte, so hätte man es an der Zutatenliste eines verarbeiteten Produkts jedenfalls erkennen können.
Pferdefleisch in Döner und Hamburger?
Nachdem inzwischen sogar in Döner-Proben Pferdefleisch entdeckt wurde, fragen sich viele, wie es eigentlich bei Fast Food, wie Döner und Burgern aussieht? Ist da auszuschließen, dass Pferdefleisch verwendet wurde?
Döner enthalten traditionell geschichtetes Rind- und Lammfleisch, mittlerweile werden auch Döner mit Puten- oder Hähnchenfleisch angeboten. Pferdefleisch gehört jedenfalls auf keinen Fall in einen Döner. Und selbst wenn, dann müsste das Fleisch auch klar als Pferdefleisch auf der Zutatenliste gekennzeichnet sein. Ein solcher Dönerspieß würde jedoch auf dem Großmarkt kaum einen seriösen Abnehmer finden.
Als Verbraucher kann man das nicht überprüfen, sondern sieht den Döner nur, wie er seine Kreise am Spieß dreht. Den Einkäufern bleibt nichts anderes übrig, als ihren Lieferanten zu vertrauen, ebenso, wie man als Kunde seinem Döner-Wirt vertrauen muss.
Hamburger bzw. Beefburger, wie sie in vielen Imbissen, Restaurants und Fast-Food-Ketten angeboten werden, werden nach den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches für Fleisch und Fleischwaren aus grob sehnenfreiem Rindfleisch hergestellt. Außer Salz und Gewürzen dürfen Hamburger und Beefburger keine weiteren Zutaten enthalten. Die Verwendung von Schweine- oder sogar Pferdefleisch wäre in dem Fall unzulässig und irreführend.
Ist die Herkunft des Fleisches nachvollziehbar?
Wie sieht es nun mit dem Herkunftsort des Fleisches aus? Muss dieses immer angegeben werden, sodass man genau weiß, woher das Tier stammt? Prinzipiell nein.
In der EU besteht die Verpflichtung zur Angabe des Ursprungslandes bisher nur für unverarbeitetes Rindfleisch und Rinderhackfleisch, welches nicht weiterverarbeitet wurde oder nur eine Zutat darstellt. Frische lose Ware in der Metzgerei oder im Supermarkt verkauft, müssen zu Rindfleisch Angaben, wie „geboren, gemästet, geschlachtet zerlegt in…“ angeben werden. Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Rindfleisch existiert jedoch auch erst seit dem Jahr 2000 – nach dem BSE-Skandal.
Für andere Tierarten, wie Schwein, Schaf, Ziege und Geflügel ist die verpflichtende Angabe des Herkunftsortes erst mit der neuen EU-Lebensmittel-Informationsverordnung für Dezember 2014 vorgesehen.
Verarbeitetes und verpacktes Fleisch, wie z.B Wurst, Salami, Lasagne & Co. müssen bisher keine Kennzeichnung der Tierart oder Herkunftsangabe der einzelnen Zutaten enthalten. Wurde das Fleisch also gewürzt, mariniert oder in einer Lasagne verarbeitet, ist die Herkunftsangabe – auch bei Rindfleisch – nicht vorgeschrieben. In dem Fall erkennt man nicht, woher das Fleisch stammt. Jedoch muss auf den Verpackungen der Hersteller, Verpacker oder ein in der EU niedergelassener Verkäufer genannt werden, damit man sich als Verbraucher dort nach der Herkunft der Zutaten erkundigen kann – Doch wer macht das schon?
Die EU-Kommission prüft derzeit, ob eine Herkunftskennzeichnung auch für Lebensmittel, bei denen Fleisch als Zutat verwendet wird, sinnvoll und machbar ist. So soll dann u.a. gesondert darauf hingewiesen werden, wenn die Hauptzutaten für ein Produkt nicht aus dem Herkunftsort stammen.
Zurzeit muss die Tierart bei lose verkauften Fleischerzeugnissen noch nicht angegeben werden. Wird die Tierart jedoch genannt, wie z.B. bei „Puten-Salami“ oder „Geflügelleberwurst“, muss zum Täuschungsschutz des Verbrauchers sichergestellt sein, dass die Angabe der Tierart stimmt.
Selbst, wenn die Herkunft des Fleisches bei verarbeiteten Fleischprodukten nicht verpflichtend ist, so müsste Pferdefleisch zumindest in der Zutatenliste aufgeführt werden, wenn es denn enthalten ist. Ein Etikettenschwindel verstößt klar gegen die Vorschriften zum Täuschungsschutzt.
Doch wie konnte ein Pferdefleisch-Skandal auch Deutschland erreichen, wo es hierzulande doch für fast alles knallharte Vorschriften und Bedingungen und sogar eine Benutzungsordnung für Toiletten gibt? Passt da niemand auf?
Ist auf die behördliche Lebensmittelüberwachung noch Verlass?
Fakt ist: Der Pferdefleisch-Skandal ist eine große Schweinerei, bzw. großer Pferdemist. Denn laut § 11 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) dürfen Verbraucher durch die Angaben zu einem Lebensmittel nicht getäuscht oder in die Irre geführt werden.
Das EU-Lebensmittelrecht sieht dort Vorschriften zum Schutz vor Täuschung vor. In Absatz (1) heißt es:
„Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben.“
Weiter heißt es in Punkt 1:
„Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn […] bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden.“
In erster Linie sind die Lebensmittelunternehmen selbst verpflichtet, durch interne Betriebskontrollen die Qualität der verwendeten Rohstoffe und hergestellten Produkte zu dokumentieren. Es muss stets nachvollziehbar sein, von wem die eingekauften Lebensmittel und Zutaten stammen und an wen sie weiterverkauft wurden. Sollten von einem Lebensmittel Risiken ausgehen, muss schnell nachvollziehbar sein, an welcher Stelle die Verunreinigung stattfand.
Die amtliche Lebensmittelüberwachung ist laut Grundgesetzt eigene Angelegenheit der Bundesänder. Die Lebensmittel- und Veterinärüberwachung führt jährlich rund 400.000 Kontrollen in deutschen Betrieben dürfen. Allerdings werden die Betriebe nur stichprobenartig kontrolliert. Vor dem Pferdefleisch-Skandal wurden Rindfleischprodukte in Deutschland also nicht routinemäßig kontrolliert.
Erst nachdem die ersten Fälle von falscher Deklaration von Pferdefleisch als Rindfleisch in Irland, Großbritannien und Spanien bekannt wurden, hat das Bundesverbraucherministerium die Lebensmittelüberwachungs- und die Veterinärbehörden der Bundesländer alarmiert. Ein entsprechendes Rundschreiben des BMELV ging Ende Januar 2013 an die für die Lebensmittelkontrollen zuständigen Behörden in den Bundesländern hinaus.
Die Aufgabe der zuständigen Länderbehörden ist es zu veranlassen, dass die vom Pferdefleisch-Skandale betroffenen Produkte umgehend aus dem Handel genommen und Bund und Länder, sowie die Öffentlichkeit informiert werden. Die Lebensmittelüberwachung ist hierbei gefordert, gezielt Proben zu nehmen und allen Hinweisen nachzugehen.
Wie schnell sind Schnellwarnsysteme?
Zum raschen Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, sowie zwischen den Behörden in Deutschland stehen internetbasierte Schnellwarnsysteme zur Verfügung.
Im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (Rapid Alert System for Food and Feed, RASFF) werden Warnmeldungen zu Lebensmitteln aus ganz Europa veröffentlicht. Dieses bietet den zuständigen Behörden die Möglichkeit sich unmittelbar gegenseitig über Gesundheitsrisiken durch Lebens- und Futtermittel zu informieren. Neben dem EU-Schnellwarnsystem steht auch den Behörden in Deutschland ein internetbasiertes Schnellwarnsystem zur schnellen Informationsweitergabe zur Verfügung.
Da es sich beim Pferdefleisch-Skandal zwar um Verbrauchertäuschung handelt, vom Pferdefleisch selbst jedoch keine gesundheitlichen Risiken ausgehen, hat es bei RASFF bisher keine Warn-, sondern leidlich Informationsmeldungen zu konkreten Lieferungen. Anhand dieser konnten die zuständigen Behörden in den betroffenen Mitgliedstaaten die Lieferwege zurückverfolgen und die Rückrufe betroffener Waren überwachen.
Die Konsequenz der EU auf die aktuellen Fälle war, dass Fleischprodukten flächendeckend DNA-Proben entnommen werden, um so falsch deklariertes Pferdefleisch zu identifizieren. Anhand der Lieferlisten, bzw. dokumentierten Ein- und Weiterverkäufe der Betriebe kann die Lebensmittelüberwachung zudem die Lieferwege zurückverfolgen und den Pferdefleisch-Skandal aufdecken.
Die deutschen Behörden haben über das RASFF am 11. Februar 2013 eine Meldung der luxemburgischen Behörden über möglicherweise falsch deklarierte Produkte mit Pferdefleisch erhalten. Umfangreiche Untersuchungen der betroffenen Lebensmittelunternehmen, sowie Kontrollen durch die zuständigen Überwachungsbehörden konnten dann aufdecken, dass auch in Deutschland falsch gekennzeichnete Produkte mit Pferdefleisch in Umlauf gebracht wurden. Verdächtige Lebensmittel wurden von den zuständigen Überwachungsbehörden sichergestellt oder von den Lebensmittelunternehmen vorsorglich aus dem Angebot genommen.
Da die Pferdefleisch-Produkte zum Teil bereits an den Endverbraucher verkauft wurden, haben viele Herstellungs- und Handelsunternehmen zur Aufklärung der Verbraucher zusätzlich die Öffentlichkeit über die betroffenen Produkte informiert.
Allerdings war das Pferdefleisch da wahrscheinlich schon mehrere Wochen oder gar Monate im Umlauf. Stellt sich also die Frage: Was nützen all diese Vorschriften zur Lebensmittelüberwachung und die schnellsten Schnellwarnsysteme, wenn es offensichtlich schwarze Schafe gibt, die sich nicht daran halten?
Reichen die bestehenden Kontrollen aus?
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, bzw. die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner sagen: Ja. Sie sehen kaum Handlungsbedarf, da die aktuellen Pferdefleisch-Fälle bei Selbstkontrollen der Unternehmen aufgefallen seien. Immerhin haben sie auf den Pferdefleisch-Skandal reagiert und einen 10-Punkte-Aktionsplan (siehe weiter unten) auf die Beine gestellt, der den Verbraucherschützern jedoch nicht weit genug geht.
Die Verbraucherschützer sehen das mit den angeblich ausreichenden Kontrollen nämlich ganz anders. Schließlich wurde das als Rindfleisch deklarierte Pferdefleisch über mehrere Wochen nach Deutschland geliefert, ohne dass es irgendjemandem aufgefallen ist. Das wäre doch der beste Beweis dafür, dass die vorhandenen Kontrollinstrumente nicht ausreichen.
Und tatsächlich zeigt der Pferdefleisch-Skandal auf unappetitliche Weise, wie wenig Verlass auf die Eigenkontrollen der Lebensmittelfirmen ist. Sicherlich darf man nicht alle Firmen über einen Kamm scheren, doch auch vereinzelte schwarze Schafe haben in der Lebensmittelwirtschaft nichts zu suchen.
Da die Lebensmittelüberwachung nicht alle Lebensmittel an jedem Ort überwachen kann, sind zunächst die Unternehmen selbst gefordert, die gesetzlich verankerte Sorgfaltspflicht wahrzunehmen. Auch eine lückenlose Dokumentation über alle Produktions- und Vertriebsstufen ist unerlässlich, um im Fall der Fälle alle Lieferbeziehungen bis zum Endprodukt nachvollziehen und schnelle Klarheit schaffen zu können.
Statt wie jetzt, immer nur eine Stufe vor- und zurück zu dokumentieren, fordern Verbraucherschützet, dass die Lebensmittelunternehmen verpflichtet sein sollen, den kompletten Weg des Fleisches aufzuzeichnen. Ansonsten böte der global vernetzen Lebensmittelmarkt und die verworrenen Wege der Lebensmittel zu viele Möglichkeiten für Verbrauchertäuschung. Eine stufenübergreifende Rückverfolgbarkeit würde diese Tricksereien wesentlich erschweren.
Verbraucherschützer fordern zudem eine verstärkte unabhängige und koordinierten Kontrolle durch die Lebensmittelüberwachung in den EU-Ländern. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Ausweitung der personellen und technischen Ressourcen. Nur so können die Überwachungsbehörden die firmeninternen Kontrollen effizient überwachen. Keinesfalls jedoch dürfen die Kontrollen aus Kostengründen weiter reduziert werden.
Was den derzeitigen Pferdefleisch-Skandal nach Ansicht der Verbraucherzentralen ebenfalls erleichtert hätte, wäre die Kennzeichnung der Tierart und des Herkunftslandes für alle unverarbeiteten und verarbeiteten Fleischarten. Auch bei Wurst und Fertiggerichten habe der Verbraucher das Recht zu wissen, welches Fleisch er da isst und woher es stammt. Damit hätte man zwar nicht verhindern können, das Pferdefleisch in der Lasagne landet, aber man hätte viel schneller herausfinden können, woher das Fleisch eigentlich stammt.
Kann man illegale Umetikettierungen überhaupt verhindern?
Eine 100-prozentige Garantie wird es wohl niemals geben können. Allerdings sollten solche Betrügereien, wie die Umetikettierung von Pferde- in Rindfleisch so unattraktiv wie nur möglich gemacht werden. Dazu gehört zum Einen, dass Tricksereien unverzüglich aufgedeckt werden, was einen stärkeren Ausbau der länderübergreifenden unabhängigen Kontrollen von Herkunftsangaben und Rückverfolgungssystemen erforderlich macht.
Für eine bundesweitete Verbrauchertransparenz sollen Unternehmen auch bei Fällen von Täuschung rechtlich verpflichtet sein, diese an die Behörden zu melden und über Rückrufe öffentlich zu informieren.
Zum Anderen muss das Strafmaß bei Verbrauchertäuschung nach Lebensmittelrecht abschreckend genug sein. Schließlich ist Verbrauchertäuschung kein Kavaliersdelikt. Die Strafen für vorsätzliche Verstöße gegen § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) betragen bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Werden für den Verzehr ungeeignete Lebensmittel in den Verkehr gebracht, muss bei fahrlässigen Verstößen mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro gerechnet werden.
Bei vorsätzlichen und fahrlässigen Verstößen gegen die Kennzeichnungsvorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung werden in der Regel bis zu 50.000 Euro Bußgeld erhoben – Für einige Betrüger immer noch ein lohnendes Geschäft.
Nationaler 10-Punkte-Aktionsplan beschlossen
Die Bundesministerin und die Verbraucherminister der Bundesländer am 18. Februar 2013 mit einem 10-Punkte-Aktionsplan (PDF) auf den Pferdefleisch-Skandal. Bundesverbraucherministerin Aigner nimmt im folgenden Video „3 Fragen, 3 Antworten“ Stellung zum Pferdefleisch-Skandal und dem nationalen Aktionsplan.
Im Einzelnen sieht der 10-Punkte-Aktionsplan folgende Maßnahmen vor:
- Kurzfristige nationale Umsetzung des EU-Aktionsplans zur Untersuchung von Fleischprodukten aus der EU, sowie Importwaren Fleischprodukte auf die Beimischung von nicht deklariertem Pferdefleisch und Rückstände von Tierarzneimitteln.
- Aufstellung eines erweiterten Untersuchungsprogramms „Deutschland plus“ zur Untersuchung zusätzlicher Proben von Fleischerzeugnissen auch auf andere nicht gekennzeichnete Fleischzutaten (bis Ende April).
- Überprüfung der Eigenkontrollsysteme der Unternehmen, auch im Hinblick auf Täuschung und Irreführung bei Lebensmitteln
- Überprüfung der Informationspflichten von Unternehmen gegenüber den Behörden
- Bereitstellung aktueller Verbraucherinformationen über eine zentrale Internetseite und telefonische Hotline
- Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Verbraucherinformation über beanstandete Produkte, Vertriebswege und Unternehmen
- Frühwarnsystem „Materielle Anreize zur Verbrauchertäuschung“ mit systematischer Beobachtungen von Produktionsvolumina, Preisveränderungen und Warenströmen
- Überprüfung der Sanktionsmöglichkeiten und Schaffung praktikabler Möglichkeiten zur Abschöpfung von Unrechtsgewinnen
- Europaweite Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Lebensmittel für eine höhere Verbrauchertransparenz und als Grundlage zur Rückgewinnung verlorenen Vertrauens in die Lebensmittelproduktion.
- Stärkung regionaler Kreisläufe auf dem deutschen Lebensmittelmarkt und Einführung eines Regionalfensters, welches auf einen Blick die Herkunft der wichtigsten Zutaten zeigt
Selbstschutz durch verändertes Kaufverhalten
Obwohl bereits zahlreiche große Handelsketten und Produkte vom Pferdefleisch-Skandal betroffen sind, muss man sicherlich damit rechnen, dass der Skandal noch weitere Kreise zieht. Mich persönlich wundert es nicht, dass fast täglich neue Schreckensmeldungen auf dem Tisch landen.
Der Skandal ist ja auch nicht das Pferdefleisch an sich (auch wenn viele Menschen das unappetitlich finden), sondern, dass es falsch gekennzeichnet war. Das ist übelste Verbrauchertäuschung und hochgradig kriminell. Dabei hätten wohl die wenigsten von uns das Pferd entdeckt, wenn es hinten auf der Verpackung im Kleingedruckten der Zutatenliste aufgeführt wäre.
Ich kann die Aufregung um das Pferdefleisch daher nur bedingt nachvollziehen. Wer eine Tiefkühl-Lasagne für 1,49 Euro kauft, darf doch nicht wirklich erwarten, dass da hochwertiges Fleisch enthalten ist – Egal, ob Pony oder Rind. Natürlich soll das nicht die Umetikettierung rechtfertigen. Selbst bei einer Billig-Lasagne darf man als Verbraucher nicht getäuscht werden.
Aber würden wir bei der Produktion direkt sehen können, was für ein Fleisch tatsächlich im Produkt landet, würden wir die meisten Fertiggerichte wohl nie wieder anfassen – trotz korrekter Kennzeichnung. Je stärker ein Produkt verarbeitet ist, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass man minderwertige Qualität erhält. So sieht es nun mal aus.
Betriebskontrollen, Lebensmittelüberwachung, Frühwarnsysteme und auch ein 10-Punkte-Aktionsplan können das nicht verhindern. Als Verbraucher steht man selbst in der Verantwortung, sein Hirn anzuschalten und zu überlegen, welche Qualität man für einen Mini-Preis erwarten darf.
Zum Teil finde ich die aktuelle Diskussion scheinheilig. Denn auf der einen Seite regen wir und über Pferd in der Lasagne auf, auf der anderen Seite konsumieren wir billiges Fleisch aus der Massentierhaltung, von Tieren, die wohl noch nie Tageslicht gesehen haben. Ist das etwa in Ordnung?
Wer sich vor Lebensmittel-Skandalen, wie dem aktuellen Pferdefleisch-Skandal schützen will, sollte idealerweise komplett auf Fertiggerichte verzichten und möglichst naturbelassene Lebensmittel essen. Denn eines ist sicher: Überall, wo der Verbraucher nicht so genau hinschaut, bzw. hinschauen kann, weil das Fleisch schon zig mal verarbeitet wurde, bietet sich potentieller Spielraum für die Verarbeitung schlechterer Qualität. Und der Pferdefleisch-Skandal zeigt, dass solche Produkte auch einen gewissen Nährboden für Verbrauchertäuschung schaffen.
Anstelle täglich Billigfleisch zu konsumieren, könnte man auch den Fleischkonsum reduzieren und dafür bessere Qualität vom Bio-Bauern oder Metzger des Vertrauens kaufen. Hierfür muss man zwar etwas tiefer in die Tasche greifen, aber wer jetzt mit der Kostenfrage kommt, sollte sich fragen, ob wirklich täglich Fleisch auf den Tisch muss.
Schließlich trägt man mit seinem Discounter-Kaufverhalten auch zur Förderung des Preisdumpings in der Lebensmittelindustrie bei. Qualität hat nun mal ihren Preis!
Quelle: BMELV
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