Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamine und gehört zu Gruppe der B-Vitamine. Es wird auch als Vitamin B9,vereinzelt auch als Vitamin B11 und noch seltener als Vitamin M bezeichnet. Folsäure kommt natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor, wird jedoch auch synthetisch hergestellt.
Obwohl im allgemeinen Sprachgebrauch meist der Begriff „Folsäure“verwendet wird, muss man streng genommen zwischen „Folsäure“ und „Folat“ unterscheiden. Als Folate werden die in der Nahrung bzw. in Lebensmitteln vorkommenden, natürlichen Folatverbindungen bezeichnet.
Davon abzugrenzen ist die synthetische (industriell hergestellte) Form des Vitamins. Diese wird Folsäure genannt und zur Anreicherung von Lebensmitteln, sowie in Vitaminpräparaten und Medikamenten verwendet.
Warum ist Folsäure wichtig?
Folsäure übernimmt im menschlichen Stoffwechsel eine Vielzahl an Aufgaben und ist für die Herstellung der Erbsubstanz, der sogenannten DNS oder DNA, notwendig. Vermehren oder erneuern sich die Körperzellen, muss für die neuen Zellen neue Erbsubstanz hergestellt werden. Folsäure spielt daher eine entscheidende Rolle bei allen Wachstums-, Zellteilungs- und Entwicklungsprozessen im Körper.
Aufgrund seiner Beteiligung an der Synthese von DNS-Bausteinen spielt das Vitamin insbesondere in der Schwangerschaft, sowie bei sich häufig teilenden Zellen eine entscheidende Rolle. Da sich z.B. die blutbildenden Zellen im Knochenmark sehr häufig teilen, ist eine ausreichende Versorgung mit Folsäure wichtig für die Blutbildung.Auch die Zellen der Schleimhäute werden sehr oft erneuert.
Bei einer Schwangerschaft entsteht aus einer einzelnen befruchteten Eizelle ein Kind mit Millionen von Zellen. Folsäure ist für die Entwicklung des ungeborenen Kindes enorm wichtig. So wird dem Vitamin eine positive Wirkungen zur Prävention von Neuralrohr-Fehlbildungen zugesprochen. Das ungeborene Kind benötigt Folsäure, damit sich das Neuralrohr (embryonale Anlage des zentralen Nervensystems) richtig schließt.
Der sogenannte Neuralrohrdefekt ist die häufigste angeborene Fehlbildung des Zentralnervensystems beim Menschen. Dabei kommt es in der Embryonalentwicklung zu einem unvollständigen Verschluss des Neuralrohrs. Da aus dem Neuralrohr das Rückenmark und das Gehirn entstehen, führt der Neuralrohrdefekt zu Fehlbildungen des Gehirns und/oder Rückenmarks.
In Deutschland wird die Prävalenz mit etwa 1 Fall auf 1.000 Geburten angenommen. Kinder mit Neuralrohrdefekt sind entweder nicht lebensfähig oder aufgrund neurologischer Beeinträchtigungen häufig lebenslang behindert. Durch die Einnahme von Folsäure in der Frühschwangerschaft lässt sich die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung einer Neuralrohrfehlbildung beim Kind erheblich reduzieren (siehe weiter unten „Folsäure & Schwangerschaft“).
Folsäure bietet außerdem einen gewissen Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. Arteriosklerose), indem es beim Abbau der Aminosäure Homocystein beteiligt ist. Der Wert für Homocystein im Blut gilt als kardiovaskulärer Risikofaktor und kann dem Herz-Kreislauf-System schaden. Folsäure ist beim Abbau des Homocysteins in Methionin beteiligt.
Folat bzw. Folsäure ist für die menschliche Gesundheit unverzichtbar. Das Vitamin ist für den menschlichen Organismus essenziell und kann von ihm selbst nicht hergestellt werden. Daher muss Folsäure über die Nahrung aufgenommen werden. Bei sehr einseitiger Ernährung, Alkoholmissbrauch oder der Einnahme bestimmter Medikamente zur Therapie von Krebs oder Epilepsie kann ein Folsäure-Mangel entstehen.
Folsäure-Mangel: Symptome, Folgen & Diagnose
Wird nicht genügend Folat mit der Nahrung bzw. Folsäure mit Nahrungsergänzungsmitteln aufgenommen, um den Bedarf an Folsäure zu decken, entsteht ein Folsäure-Mangel.
Die Ursachen für einen Folsäure-Mangel sind verschieden, sodass Betroffene eines Folsäuremangels unter unterschiedlichen Beschwerden leiden können. So haben beispielsweise Schwangere und Stillende einen erhöhten Folsäure-Bedarf (siehe weiter unten unter „Folsäure Bedarf“).
Generell liefern viele von Natur aus vitaminreiche Lebensmittel ausreichend Folat, um die empfohlene Zufuhr durch die Ernährung zu erreichen. Dennoch zählt Folsäure hierzulande zu den kritischen Nährstoffen. Als „kritisch“ werden Nährstoffe bezeichnet, bei denen der Mensch Mühe hat, den Bedarf allein mit einer ausgewogenen Ernährung zu decken.
Die empfohlene Folat-Zufuhr wird in Deutschland von einem großen Teil der Erwachsenen nicht erreicht. Auch in anderen europäischen Ländern ist die Folsäureaufnahme niedriger als empfohlen.
Ursachen & Risikogruppen
Zu den möglichen Ursachen für einen Folsäure-Mangel zählen u.a. eine Mangelernährung, eine gestörte Aufnahme von Folsäure aus der Nahrung, ein erhöhter Folsäure-Bedarf, sowie bei Behandlung bösartiger Tumorerkrankungen.
Eine Mangelernährung kann sowohl eine Unterernährung (quantitative Mangelernährung), als auch eine Fehlernährung (qualitative Mangelernährung) sein. Die Unterernährung ist vor allem in den Entwicklungsländern weit verbreitet. Dabei kann der Energiebedarf des Körpers nicht durch die Nahrung gedeckt werden. Betroffene leiden meist unter Eiweiß-, Fett-, Vitamin- und Mineralstoffmangel.
Eine Unterernährung kommt jedoch auch in Inudustrieländern häufig in Form von Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Orthorexie) vor. Zu den gefährdeten Personen zählen auch ältere, allein lebende Menschen und Patienten in Alten- und Pflegeheimen, sowie Obdachlose.
Die Fehlernährung bedeutet eine Unterversorgung mit Vitaminen- und Mineralstoffen. Trotz eines ausreichenden Nahrungsangebots, werden zu wenig Vitamine und Mineralstoffe zugeführt, sodass u.a. ein Folsäure-Mangel entstehen kann.
Bequemlichkeit und Zeitdruck gehen in vielen Fällen zu Lasten einer ausgewogenen Ernährung. Fast Food, Dosen- oder Fertiggerichte können einen Folsäure-Mangel infolge einer Fehlernährung begünstigen, wenn der Bedarf nicht anderweitig ausgeglichen wird.
Von Fehlernährung sind vor allem sehr bequeme, unter Zeitdruck stehende, allein lebende (Singles), sowie in sozialer Armut lebende Menschen betoffen. Aber auch Jugendliche mit einseitiger oder unausgewogener Ernährung (Fast Food), alte Menschen mit unregelmäßiger oder ungenügender Nahrungsaufnahme und Obdachlose gehören zu den Risikogruppen.
Fehlernährung kann auch in Alten- und Pflegeheimen und in Spitälern vorkommen. Ein Folsäure-Mangel muss hierbei nicht allein auf eine falsche Nahrungszusammenstellung zurückzuführen sein. Viele alte Menschen bzw. Patienten wollen oder können aufgrund ihres Alters, diverser Erkrankungen, einer medikamentösen Behandlung oder Therapie nicht mehr ausreichend Nährstoffe zu sich nehmen.
Als weiterer, häufiger Grund für einen Folsäure-Mangel – vor allem in Industrieländern – ist chronischer Alkoholabusus, also der schädlichen Gebrauch von Alkohol. Viele Alkoholabhängige stellen ihre Nahrung nicht mehr ausgeglichen zusammen, sodass es zu einem Mangel an Folsäure kommen kann.
Doch nicht nur eine Mangelernährung, auch eine gestörte Aufnahme von Folsäure aus der Nahrung, kann zu einem Folsäure-Mangel führen. Dabei wird mit der Ernährung eigentlich eine bedarfsgerechte Menge an Folsäure aufgenommen, der Körper kann diese jedoch nicht oder nur unzureichend verwerten.
Eine mögliche Ursache hierfür ist eine Malabsorption. Darunter versteht man einen chronischen krankhaften Zustand, bei dem die Aufnahme zuvor bereits aufgespaltener bzw. vorverdauter Nahrungsbestandteile durch die Darmwand in die Lymph- oder Blutbahn vermindert ist.
Ursächlich können u. a. angeborene Erkrankungen, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, Überempfindlichkeits-Erkrankungen (Zöliakie), Infektionen (z. B. Morbus Whipple) oder postoperative Zustände (ausgedehnte Dünndarmentfernung), Medikamente (Barbiturate, Phenytoin) oder Alkohol sein. Die Unterversorgung mit Folsäure zählt zu einem der Malabsorptionssymptome.
Auch eine chronisch atrophische Gastritis (Magenschleimhautentzündung) oder chronische Lebererkrankungen können zu einer mangelhaften Aufnahme von Folsäure aus der Nahrung führen. Dasselbe gilt für Störungen des Metabolismus infolge von Dihydrofolatreduktasemangel oder -hemmung.
Die Enzyme Dihydrofolatreduktase (DHFR) tragen zur Aktivierung des Vitamins Folsäure bei und sind für die Nukleotid-Biosynthese im menschlichen Stoffwechsel untentbehrlich. Nucleotide sind Grundbaustein von Nukleinsäuren, also Desoxyribonukleinsäure (DNA) und Ribonukleinsäure (RNA).
Folsäure-Mangel kann auch infolge einer medikamentösen Therapie mit Antiepileptika, Methotrexat, Pyrimethamin (Malariakranke), Sulfasalazin, oralen Kontrazeptiva und Trimethoprim, sowie zytotoxische Medikamente, die die DNS-Synthese hemmen, auftreten. Die gestörte Folsäure-Aufnahme kann auch zu einem Mangel an weiteren Nährstoffen führen.
Diverse Umstände können zu einer Erhöhung des Folsäure-Bedarfs führen. Wird der erhöhte Folsäure-Bedarf nicht gedeckt, entsteht ein Folsäure-Mangel. Zu diesen Umständen zählen Schwangerschaft, Stillzeit, Wachstumsphasen in der Kindheit, Rauchen, Schilddrüsenüberfunktion, Erkrankungen, der Atemwege oder des Verdauungstrakts, eine erhöhte Hämatopoese (Blutbildung), bösartige Tumorerkrankungen, sowie die langfristige Einnahme bestimmter Medikamente (z.B. Antiepileptika).
Bei der Behandlung bösartiger Tumorerkrankungen wird gezielt ein Folsäure-Mangel herbeigeführt. Spezielle Medikamente (sog. „Folsäure-Antagonisten“) sollen die Wirkung der Folsäure auf Zellteilung und Wachstum aufheben. Denn auch Tumorzellen nutzen Folsäure, um sich vermehren.
Die Folsäure-Antagonisten greifen in die DNA- und RNA-Nukleotid-Synthese ein und entfalten über eine Enzymhemmung – vor allem am bereit erwähnten Enzym Dihydrofolat-Reduktase (DHFR) – ihre Wirkung. Der Folsäure-Mangel soll die Erneuerung der Tumorzellen eindämmen, da Folsäure für die Herstellung der Erbsubstanz für neue Zellen erforderlich wäre. Dadurch soll der bösartige Tumro geschäfigt und an seinem Wachstum gehindert werden.
Symptome
Folsäure ist an einer großen Zahl von Stoffwechselprozessen beteiligt. Ist zu wenig von dem Vitamin vorhanden, können diese Stoffwechselvorgänge nicht normal ablaufen.
Bei einem anhaltenden Mangel an Folsäure kommt es vor allem zu Störungen der Zellteilungs- und Wachstumsprozesse. Zunächst kommt es zu einer Abnahme derjenigen Zellen im Körper, die sehr oft erneuert werden müssen. Dazu gehören vor allem die Blutzellen und die Zellen der Schleimhäute.
Bei einem anhaltenden Folsäure-Mangel wird die Produktion der Blutzellen gestört, sodass es zu einer perniziösen Anämie (hyperchrome makrozytäre Anämie) kommen kann. Diese wird auch als megaloblastäre Anämie bezeichnet und tritt am häufigsten infolge von Vitamin B12-Mangel auf.
Infolge eines Folsäure-Mangels ist die Produktion roter Blutkörperchen eingeschränkt. Das kann zu einer hyperchromen makrozytären Anämie (megaloblastäre Anämie) führen.
Zu den Symptomen einer Anämie zählen Blässe, schnelle Ermüdbarkeit, Schwindel, Dyspnoe (Atemlosigkeit, Atemnot), Leistungsabfall und Muskelschwäche. Infolge der mangelhaften Sauerstoffversorgung des ganzen Körpers können Kopfschmerzen, Ohrgeräusche (Tinnitus), Übelkeit, Schlaflosigkeit, Konzentrationsprobleme und Sehstörungen auftreten. Weitere Symptome sind Ikterus (Gelbsucht), arterielle Hypotonie (niedriger Blutdruck), Palpitation (Herzstolpern), Tachykardie (Herzrasen) und Verdauungsstörungen (veränderte Stuhlfarbe).
Schwere Anämie kann zu anfallsartigen Schmerzen in der Brust (Angina pectoris), Herzinfarkt und Bewusstlosigkeit führen. Bei länger anhaltender Anämie sind zudem brüchige Finger- und Fußnägeln, Haarausfall und Spliss zu beobachten.
Bereits vor der Abnahme der Blutzellen kann ein Folsäure-Mangel Veränderungen an den Schleimhäuten bewirken. Diese äußern sich u.a. durch eine entzündete, glatte und gerötete Zunge (Glossitis). Ein Mangel an Folsäure kann Beschwerden im Magen-Darm-Trakt verursachen und zu Durchfällen und gestörter Nährstoffaufnahme aus der Nahrung führen.
Störungen des Nervensystems, des Wachstums und der Fortpflanzung sind weitere mögliche Symptome. Ein Folsäure-Defizit geht zudem mit einem erhöhten Risiko für Gefäßverkalkungen (Arteriosklerose) einher. Folsäure baut gemeinsam mit den Vitaminen B6 und B12 Homocystein ab. Ein erhöhter Homocysteinspiegel im Blut (Hyperhomocysteinämie) kann eine direkte toxische Schädigung der Gefäßwand hervorrufen und auf verschiedenen Wegen zu einer erhöhten Thromboseneigung führen.
Ferner gilt eine Folsäure-Unterversorgung als Risikofaktor für verschiedene Krankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und möglicherweise Krebserkrankungen und Altersdemenz.
Aber auch unspezifische Symptome, wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwäche, geschwächte Immunabwehr bzw. vermehrter Infektanfälligkeit, Reizbarkeit und Vergesslichkeit können infolge eines Folsäure-Mangels auftreten. Wenn der Folsäure-Mangel gemeinsam mit einem Mangel an anderen Nährstoffen auftritt, können weitere Beschwerden hinzukommen.
Eine unzureichende Folatversorgung in der Schwangerschaft begünstigt die Entstehung von angeborenen Fehlbildungen, vor allem der Neuralrohrdefekte. Die häufigste Form ist Spina bifida („offener Rücken“). Der Schweregrad der Rückenmarksschädigung kann unterschiedlich ausgeprägt sein.
Während die Spina bifida occulta („verborgene“ Wirbelsäulenspaltung) von außen nicht sichtbar ist und häufig nur zufällig bei Röntgenaufnahmen oder einer Untersuchung des Rückens festgestellt wird, ist der Spalt bei der Spina bifida aperta („offene“ Wirbelsäulenspaltung) deutlich sichtbar. Die körperlichen Beeinträchtigungen reichen von Problemen beim Gehen, über Lähmung der Beine bis hin zu einer komplett aufgehobene Sensibilität.
Schwangerschaften mit Neuralrohrdefekten werden häufig nach einem positiven Screening-Test abgebrochen. aufgrund der Spina bifida abgebrochen. Bei der schwerste Fehlbildung eines Neuralrohrdefekts, der sog. „Anenzephalie“ hat sich die Schädeldecke nicht geschlossen und es fehlen Teile des Schädels, der Hirnhäute, der Kopfhaut und des Gehirns. Die Lebenserwartung von lebend geborenen Kindern mit dieser Fehlbildung beträgt lediglich einige Tage.
Ein Mangel an Folsäure erhöht nicht nur das Risiko für angeborene Fehlbildungen, sondern soll außerdem Einfluss auf Frühgeburten haben und an der Entwicklung von angeborenen Herzfehlern beteiligt sein.
Diagnose
Der menschliche Körper kann maximal 12 bis 15 mg Folsäure speichern. Das entspricht einem Vorrat für drei bis vier Monate.
Die Fölsäurekonzentrationen in den Erythrozyten liegen um das 20 bis 30-fache über denen des Serums. Das Blutserum enthält im Normalfall 5 bis 20 μg/L, die Erythrozyten (rote Blutkörperchen) zwischen 160 und 640 μg/L des Vitamins. Bei einem Folsäure-Mangel fällt zuerst der Serumspiegel ab.
Die Diagnose „Folsäure-Mangel“ wird im Gespräch mit einem Arzt, einer körperlicher Untersuchung und/oder Blutuntersuchungen gestellt. Die Werte für die Folsäurekonzentration des Serums und die Erythrozytenwerte sind dabei unterschiedlich zu interpretieren.
Bei Folsäurebestimmung aus dem Serum erfolgt eine Nüchternblutentnahme. Für die Feststellung eines möglichen Folsäure-Mangels sind zwei Messungen an verschiedenen Tagen erforderlich, da die Folsäurekonzentration im Serum die vorangegangene Nahrungszufuhr (der letzten Stunden) wiederspiegelt und demzufolge schwankt.
Die Folsäurekonzentration in den Erythrozyten (EDTA-Blut) ist unabhängig von kurzfristigen Nahrungseinflüssen und sollte bei der ersten Serumbestimmung grundsätzlich miterfolgen. Die erythrozytäre Folsäure gilt als zuverlässiger Indikator für den „Füllungszustand“ des Folsäurespeichers und kann daher als Langzeitparameter angesehen werden.
Ebenso kann auch die Bestimmung der Segmentationsrate der polymorphkernigen Granulozyten ein wichtiges diagnostisches Kriterium sein.
Bei der Diagnose eines Folsäure-Mangels ist es wichtig, einen Vitamin B12-Mangel diagnostisch abzugrenzen. Denn auch ein Vitamin B12-Mangel kann zu einer hyperchromen, makrozytären Anämie mit ähnlichem Krankheitsbild führen. Liegt kein Folsäure-, sondern ein Vitamin B12-Mangel vor, besteht bei alleiniger Folsäuregabe die Gefahr irreversibler neurologischer Schädigungen.
Stadien
Der Folsäuremangel kann in vier Stadien unterteilt werden:
Stadien Folsäure-Mangel |
||||
---|---|---|---|---|
Stadium | Serumfolsäure | erythrozytäre Folsäure (Folatspeicher) | klinischen Symptome des Folsäure-Mangels | weitere Auffälligkeiten |
I | vermindert | normal | keine | keine |
II | vermindert | vermindert | keine | keine |
III | vermindert | vermindert | keine | geringgradige Verminderung der Erythropoese*, MCV** grenzwertig erhöht Hypersegmentierung der neutrophilen Granulozyten |
IV | klinisches Bild des Folsäuremangels und makrozytäre Anämie | |||
Erläuterungen: * Erythropoese: Bildung von Erythrozyten (roten Blutkörperchen) **MCV: Größe der roten Blutkörperchen |
Im Verlauf des Folsäure-Mangels ist zunächst ein latenter Bereich zu beachten, der durch eine verminderte Folatausscheidung im Urin charakterisiert ist (Stadium I). Nach etwa 3 bis 4 Wochen tritt ein Abfall der Folatkonzentrationen in Serum und Erythrozyten ein (Stadium II).
Nach 10 bis 12 Wochen können morphologische Veränderungen der neutrophilen Granulozyten beobachtet werden. Neutrophilen Granulozyten, auch kurz Neutrophile genannt, sind spezialisierte Immunzellen der Wirbeltiere. Beim Menschen sind sie mit einem Anteil von 50–65 % die häufigsten weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Ihre Aufgabe besteht darin, bei gegebenem Anlass die Blutbahn zu verlassen und Fremdkörper oder Erreger (Bakterien, Viren) aufzufressen.
In Stadium III des Folsäure-Mangels kommt es u.a. zu einer Hypersegmentierung der neutrophilen Granulozyten. Diese äußert sich in einer „Rechtsverschiebung“ der Leukozythen im Differentialblutbild. Dabei kommt es zu einem vermehrten Auftreten übersegmentierter (alter) Granulozyten. Die erworbene Hypersegmentierung ist ein wichtiger diagnostischer Hinweis für einen Folsäure-Mangel.
Weitere Anzeichen eines fordergeschreitenden Folat-Mangels sind die geringgradige Verminderung der Erythropoese (Bildung von roten Blutkörperchen) und eine grenzwertige Erhöhung des Mittleren Erythrozyteneinzelvolumens (MCV; mean corpuscular/cell volume).
Der weitere Verlauf des Folsäure-Mangels führt nach etwa 4 bis 5 Monaten durch eine verringerte DNA-Syntheseleistung zu einer Verzögerung der Zellteilung. Die Produktion von RNA und zytoplasmatischen Bestandteilen bleibt währenddessen normal hoch. Die Folge: einer Asynchronie zwischen Kern- und Zellreifung. Es kommt zu einer relativen Größenzunahme der (Voröäufer)Zellen im Knochenmark.
Diese ungewöhnlich großen, kern- und hämoglobinhaltigen Vorläuferzellen der Erythrozyten im Knochenmark bezeichnet man als „Megaloblasten“. Bei den reifen, vergrößerten Erythrozyten spricht man auch von „Megalozyten“.
Das Auftreten von Megaloblasten im Knochenmarkausstrich kommt am häufigsten mit einer Folsäuremangel-Anämie („hyperchrome makrozytäre Anämie“ oder auch „megaloblastäre Anämie„) vor. In Stadium IV des zeigt sicch das klinisches Bild des Folsäure-Mangels und der makrozytären Anämie.
Therapie
Bei einem Folsäure-Mangel muss dem Körper wieder ausreichend Folat bzw. Folsäure zugeführt werden. Je nach Ursache für den Mangelzustand kommen unterschiedliche Behandlungsmethoden in Frage. Sofern möglich, sollte stets die Ursache für einen Folsäure-Mangel bekämpft werden.
Bei Mangelernährung oder erhöhtem Folsäure-Bedarf, kann eine Ernährungsumstellung oder ggf. Ergänzung mit Folsäure-Präparaten helfen, wieder eine ausreichende Folat-Zufuhr sicherstellen.
Wurde der Folsäure-Mangel durch Erkrankungen verursacht, die zu einer verminderten Nährstoffaufnahme aus der Nahrung führen, muss die Krankheit selbst (medikamentös) behandelt werden. Für die Dauer der Therapie kann eine bedarfsgerechte Zufuhr von Folsäure in Form von Vitaminpräparaten erfolgen.
Als gesichertes Anwendungsgebiet für Folsäure ist die Prävention und Therapie von klinischen Folsäure-Mangelzuständen, die diätetisch nicht behoben werden können. Zu diesen zählen:
- Hyperchrome, makrozytäre Anämie (Megaloblasten-Anämie) aufgrund eines nachgewiesenen Folsäuremangels
- Neurologische und psychiatrische Störungen, wie Organisches Psychosyndrom (OPS) und Störungen des pyramidalen Systems
- Mangel- und Fehlernährung z. B. bei Malabsorptionssyndromen, chronischem Alkoholismus, gastrointestinale Erkrankungen mit eingeschränkter Folsäureresorption (z. B. bei Durchfallerkrankungen, Zöliakie, Sprue), Überfunktion der Schilddrüse, regelmäßiger Dialysebehandlung
- Gesteigerter Folsäure-Bedarf, z.B. in der Schwangerschaft und während der Stillzeit, bei Erkrankungen mit hoher Zellumsatzrate oder chronischem Blutverlust
- Folsäuremangel als Folge einer Therapie mit Folsäureantagonisten (z.B. Trimethoprim), Antikonvulsiva (z.B. Barbituraten, Phenytoin, Primidon) und langfristiger Einnahme von hormonaler Kontrazeptiva (Pille)
Zur Prävention bzw. Prophylaxe werden orale Dosen in einem Bereich von 0,1 bis 0,5 mg pro Tag verabreicht. Die Therapie von latenten und manifesten Mangelzuständen sieht orale Dosen von 1 bis 15 mg täglich vor.
Liegt neben dem Mangel an Folsäure auch ein Mangel an anderen Nährstoffen vor, sollte auch dieser behandelt werden.
Folsäure-Bedarf: Empfohlene Folsäuremenge
Bei Jugendlichen und Erwachsenen beträgt sie 300 µg pro Tag.
Die empfohlene Zufuhr von ist altersabhängig. Bei Jugendlichen ab 13 Jahren und Erwachsenen beträgt sie laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) 300 Mikrogramm (µg)-Äquivalent pro Tag (zur Erklärung siehe weiter unten „Was sind Folat-Äquivalente?„)
Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf. So beträgt die empfohlene Zufuhr bei Schwangeren 550 µg und bei Stillenden 450 µg Folat-Äquivalente pro Tag.
Die folgende Tabelle zeigt die D-A-CH-Referenzwerte für die Folat-Zufuhr:
Referenzwerte für die Folat-Zufuhr |
|
---|---|
Alter | μg Folat- Äquivalent*/ Tag |
0 bis unter 4 Monate | |
4 bis unter 12 Monate | |
1 bis unter 4 Jahre | |
4 bis unter 7 Jahre | |
7 bis unter 10 Jahre | |
10 bis unter 13 Jahre | |
13 bis 65 Jahre und älter*** | |
Schwangere** | |
Stillende |
in der üblichen Nahrung
** = Schätzwerte
*** = Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollten zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung 400 μg synthetische Folsäure als Supplement einnehmen, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Einnahme-Zeitraum: spätestens 4 Wochen vor Beginn der Schwangerschaft und während des 1. Schwangerschaftsdrittels.
Was sind Folat-Äquivalente?
Die empfohlene Tageszufuhr von Folsäure wird in sogenannten „Folat-Äquivalenten“ gerechnet. Doch was ist das eigentlich?
Folat-Äquivalente werden nach der Summe folatwirksamer Verbindungen in der üblichen Nahrung berechnet. Die Folate, die natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen und die synthetische Folsäure aus angereicherten Lebensmitteln oder Folsäure-Präparaten werden vom Körper unterschiedlich aufgenommen.
Folsäure ist im Vergleich zu Folaten stabiler und verfügt über eine höhere Bioverfügbarkeit. Die stabilste Form ist die freie Folsäure (Monoglutamat). Auf nüchternen Magen verzehrt ist sie zu nahezu 100 Prozent vom Körper verwertbar. Die Bioverfügbarkeit von Polyglutamaten, welche die Hauptmenge der Nahrungsfolate darstellen, ist hingegen stark eingeschränkt (ca. 50 Prozent).
Die Folat-Äquivalente spiegeln also die unterschiedliche Bioverfügbarkeit von natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommenden Folaten und synthetischer Folsäure wieder. Die Zufuhr 1 Mikrogramm (µg) Folat-Äquivalent auf nüchternen Magen entspricht dabei 1 µg Nahrungsfolat oder 0,5 µg Folsäure. Der Tagesbedarf von 300 µg entspricht demnach 300 µg Nahrungsfolat oder 150 µg Folsäure.
1 μg Folat-Äquivalent = 1 μg Nahrungsfolat
1 μg Folat-Äquivalent = 0,5 μg synthetische Folsäure
Synthetische Folsäure, die zusammen mit Lebensmitteln verzehrt wird, hat eine niedrigere Bioverfügbarkeit (ca. 85 Prozent). In dem Fall entspricht 1 µg Folat-Äquivalent 1 µg Nahrungsfolat oder 0,6 µg Folsäure. Bezogen auf den Tagesbedarf von 300 µg ist die Zufuhr mit 300 µg Nahrungsfolat oder 180 µg Folsäure gedeckt.
1 μg Folat-Äquivalent = 1 μg Nahrungsfolat
1 μg Folat-Äquivalent = 0,5 μg synthetische Folsäure bei Zufuhr auf nüchternen Magen
1 μg Folat-Äquivalent = 0,6 μg synthetische Folsäure bei Zufuhr im Rahmen einer Mahlzeit
Bei angereicherten Lebensmitteln und aus Folsäure-Präparaten/Supplementen, die zusammen mit Lebensmitteln bzw. in einer Mahlzeit eingenommen werden, wird zur Berechnung der Verfügbarkeit von Folat-Äquivalenten folgende Formel eingesetzt. Dabei wurde der Anteil der synthetischen Folsäure mit dem Faktor 1,7 berücksichtigt
μg Folat-Äquivalent = μg x Nahrungsfolat + (1,7 x μg synthetische Folsäure)
Früher 400 µg – Warum jetzt nur 300 µg?
Die empfohlene Zufuhr von Folat lag schon mal höher, nämlich bei 400 µg pro Tag. Im Juni 2013 folgten die neuen Referenzwerte für die Folatzufuhr. Dabei wurde der Wert auf 300 µg pro Tag verringert. Aber warum?
In die Ableitung der Referenzwerte fließen kontinuierlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse ein. Die früheren Referenzwerte für die Folatzufuhr leiteten sich hauptsächlich von einer Studie zur Untersuchung des Folatbedarfs ab, die im Gegensatz zu anderen Studien höhere Zufuhrmengen an Folat-Äquivalenten eingesetzt hatte.
Die Neubewertung der wissenschaftlichen Literatur und der vorliegenden Studienergebnisse zeigte jedoch, dass eine Vielzahl anderer Untersuchungen belegen, dass eine gute Folatversorgung bereits mit geringeren Zufuhrmengen erzielt werden kann.
Die einzelne Studie mit höhere Zufuhrmengen, auf welcher der frühere Referenzwert beruhte, wurde daher bei der Ableitung der aktuellen Referenzwerte nicht mehr berücksichtigt.
Folsäurebedarf bei Kinderwunsch & Schwangerschaft
Folsäure ist im Körper an Wachstumsprozessen, der Zellteilung und Blutbildung beteiligt. Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende sollten daher etwas mehr davon zu sich nehmen.
Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Folat-Bedarf. Schwangere im 1. Drittel, sowie Frauen mit Kinderwunsch sollten zusätzlich Folsäure-Präparate einnehmen.
Eine ausreichende Folsäure-Zufuhr ist sowohl vor, als auch während der Schwangerschaft, sowie in der Stillzeit wichtig. Bereits in den ersten vier Wochen der Schwangerschaft, schließt sich das Neuralrohr des Ungeborenen. Viele Frauen wissen in dieser Zeit noch gar nicht, dass sie schwanger sind.
Eine rechtzeitige Aufnahme von Folsäure um den Konzeptionszeitpunkt (ca. vier Wochen vor und vier Wochen nach der Empfängnis) kann das Risiko für Neuralrohrdefekte reduzieren. Die Schutzwirkung der Folsäure ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien gesichert. So ließen sich bis 70 Prozent aller Neuralrohrdefekte mit offenem Rücken und anderen Fehlbildungen des Nervensystems durch eine rechtzeitige Aufnahme von Folsäure in der Frühschwangerschaft verhindern.
Fachgesellschaften, wie die DGE und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfehlen Frauen mit Kinderwunsch und Schwangeren im ersten Schwangerschaftsdrittel, eine folsäurereiche Ernährung und die gezielte Ergänzung durch Folsäurepräparate. Es wird empfohlen, mindestens vier Wochen vor der Schwangerschaft und in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten 400 µg Folsäure pro Tag in Form von Präparaten/Supplementen/Tabletten einzunehmen.
Die Nahrungsergänzung mit Folsäure im ersten Schwangerschaftsdrittel wird zusätzlich zum ohnehin erhöhten Bedarf in der Schwangerschaft (550 µg) empfohlen. Viele Frauen mit Kinderwunsch oder in der Frühschwangerschaft nutzen keine Folsäure-Tabletten, weil ihnen schlichtweg die Kenntnis um die Schutzwirkung von Folsäure fehlt.
In Anbetracht der Tatsache, dass ein Folsäuremangel vor und während der Schwangerschaft sehr schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind haben kann, sollten Frauen mit bestehendem Kinderwunsch, sowie Frauen, die nicht verhüten bzw. schwanger werden könnten, vorbeugende Maßnahmen treffen. Eine ausreichenden Einnahme von Folsäure schützt vor embryonalen Fehlbildungen und kann fatale Folgen eines Folsäure-Mangels auf das Ungeborene deutlich reduzieren.
Erst nach Eintritt und Bekanntwerden einer Schwangerschaft mit der Folsäure-Einnahme zu beginnen, genügt nicht. Denn insbesondere in den ersten Schwangerschaftswochen werden große Mengen an Folsäure benötigt, um eine normale Entwicklung – insbesondere des Gehirns und Rückenmarks – zu gewährleisten.
Während der Schwangerschaft scheint eine ausreichende Folsäureversorgung eine wichtige Rolle bei der Sprachentwicklung des Kindes zu spielen. Auch könnte laut einer norwegischen Studie (siehe Deutsches Ärzteblatt) ein Zusammenhang zwischen Folsäuremangel und Autismus bestehen, weswegen Folsäure bereits bei einem Kinderwunsch eingenommen werden sollte.
Frauen, die bereits ein Kind mit Neuralrohrdefekt geboren, eine Schwangerschaft wegen des Defektes abgebrochen haben oder in deren Familie bereits solche Fälle eingetreten sind, sollten zusätzlich Folsäure. Auch hier sollte die Einnahme vier Wochen vor der Empfängnis beginnen und bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortgesetzt werden.
Zu beachten ist, dass der Folsäure-Bedarf auch im weiteren Verlauf der Schwangerschaft und in der Stillzeit erhöht ist. Die folgende Tabelle enthält Hinweise der DGE zur empfohlenen Zufuhr von Folat-Äquivalenten und zur zusätzlichen Einnahme eines Folsäure-Präparats bei Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sowie bei Schwangeren und Stillenden:
Folatzufuhr bei Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit |
||
---|---|---|
Lebenssituation | Empfohlene Zufuhr von Folat-Äquivalenten pro Tag | Zusätzlich 400 µg Folsäure als Präparat zur Prävention von Neuralrohrdefekten |
Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten | 300 µg Folat-Äquivalente pro Tag (kann über natürlicherweise folatreiche Lebensmittel gedeckt werden. | |
Schwangere im ersten Trimester | 550 µg Folat-Äquivalente pro Tag (durch gezielten Verzehr natürlicherweise folatreicher Lebensmittel | |
Schwangere ab dem zweiten Trimester | 550 µg Folat-Äquivalente pro Tag (durch gezielten Verzehr natürlicherweise folatreicher Lebensmittel | |
Stillende | 450 µg Folat-Äquivalente pro Tag (durch gezielten Verzehr natürlicherweise folatreicher Lebensmittel |
Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende lassen sich am besten von ihrem Frauenarzt beraten, welche Menge an Folsäure für sie empfehlenswert ist.
Kann der Folsäure-Bedarf über die Nahrung gedeckt werden?
Grundsätzlich kann der normale Folsäurebedarf über eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung gedeckt werden. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung so ernährt.
Das Max Rubner-Institut hat die tatsächliche, mittlere (mediane) Zufuhr auf Grundlage der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) neu berechnet. Sie beträgt jetzt für Frauen nur noch 184 µg pro Tag und bei Männern 207 µg pro Tag. Das ist rund ein Viertel weniger, als der bisher geschätzte Median der Zufuhr an Folat-Äquivalenten, der bei Männern bei 283 μg/Tag und bei Frauen bei 252 μg/Tag lag.
Nachdem die Wissenschaftler des Max Rubner-Instituts die Daten von knapp 14.000 Studienteilnehmern anhand des aktuellen, sogenannten Bundeslebensmittelschlüssels neu analysiert und bewertet haben, nimmt etwa die Hälfte aller Deutschen weniger als 200 μg Folat zu sich.
Zwar ist eine Folat-Zufuhr unterhalb des Referenzwerts von 300 μg nicht zwangsweise mit einem Mangel gleichzusetzen, sie erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit für eine Unterversorgung. Eine Verbesserung der Folatversorgung kann durch einen höheren Verzehr von natürlicherweise folatreichen Lebensmitteln erreicht werden.
Hierbei gilt: die Mischung macht´s. Wer sich an die bewährte Regel „Fünf am Tag“hält und fünfmal am Tag eine Handvoll (je 125 g) Gemüse und Obst isst, macht mit diesem bunten Mix alles richtig. Besonders empfehlenswert sind Hülsenfrüchte und grünes Blattgemüse. Auch Vollkornprodukte, Kartoffeln, Nüsse, Fisch, Fleisch (u.a. Leber) können einem Folat-Mangel vorbeugen.
Doch selbst bei einer ausgewogenen Ernährung erreicht die Folataufnahme eines Erwachsenen häufig nicht die Zufuhrempfehlungen. Aber warum? Folsäure ist empfindlich gegenüber Licht (insbesondere UV-Strahlung), Sauerstoff, Schwermetallen, erhöhten Temperaturen, sowie (allerdings sehr gering) auch gegenüber Wasser.
Daher sind eine kurze Lagerung und schonende Verarbeitung bzw. Zubereitung folathaltiger Lebensmittel wichtig. Bei unsachgemäßer Zubereitung können die Verluste bis zu 90 Prozent betragen! Um das gegenüber Licht, Luft und Hitze empfindliche Folat zu schützen, sollte man die Lebensmittel nur kurz und unzerkleinert waschen, dünsten statt zu kochen und nicht warm zu halten.
Da allerdings viele Folat-liefernde Lebensmittel, wie Obst oder Gemüse, ohne weitere Zubereitung verzehrt werden, wird im Allgemeinen von durchschnittlichen Zubereitungsverlusten von „nur“ 35 Prozent ausgegangen. Hinzu kommt die geringe Bioverfügbarkeit von Folat aus der Nahrung (50 Prozent), welche es zusätzlich erschwert, die empfohlene Zufuhrmenge zu erreichen.
Doch es ist möglich, die Empfehlung für die Folatzufuhr Erwachsener zu erreichen! Wie? Durch eine gezielte Auswahl folatreicher Lebensmittel – reichlich Gemüse, Obst, sowie Vollkornprodukte – bei gleichzeitig energieangepasster Ernährung.
Die folgende Beispielrechnung zeigt, wie man mit einer gezielten Auswahl folatreicher Lebensmittel die empfohlene Tageszufuhr von 300 μg locker decken kann. Selbst der erhöhte Folat-Bedarf während der Schwangerschaft (550 μg am Tag) und Stillzeit (450 μg am Tag) kann mit einer ausgewogenen Ernährung erreicht werden.
Deckung des Folat-Bedarfs durch ausgewogene Ernährung während der Schwangerschaft |
||
---|---|---|
Lebensmittel | Portionsgröße | Folatgehalt in µg |
Banane | 1 Stück, 100 g | |
Orangensaft | 1 Glas, 200 ml | |
Ei | 1 Stück, 60 g | |
Vollkornbrot | 2 Scheiben, 100 g | |
Camembert, 30% F. i. Tr. | 1 Portion, 30 g | |
Joghurt mit Früchten | 1 Becher, 150 g | |
Apfel | 1 Stück, 125 g | |
Mittagsessen | ||
Lachsfilet | 1 Portion, 150 g | |
Blattspinat | 1 Portion, 150 g | |
Wildreis, gekocht | 1 Portion, 180 g | |
Mandeln | 1 Portion, 20 g | |
Hähnchenbrust, Portion | 1 Portion, 150 g | |
Broccoli | 1 Portion, 150 g | |
Feldsalat | 1 Portion, 50 g | |
Summe: |
Die empfohlene Folsäuremenge zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten (zusätzlich 440 μg am Tag) kann nur über entsprechend angereicherte Lebensmittel bzw. über Folsäure-Präparate erreicht werden.
Folatreiche Lebensmittel
Folat steht für die natürlich in der Nahrung vorhandenen folatwirksamen Verbindungen. Viele von Natur aus vitaminreiche Lebensmittel, wie Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte, liefern ausreichend Folat, um die empfohlene Tageszufuhr durch die Ernährung zu erreichen.
Zu den gute Folat-Lieferanten, bzw. folatreichen Lebensmittel, die wesentlich zur Versorgung beitragen, zählen bestimmte Gemüsearten, Hülsenfrüchte, Vollkorn-Getreideprodukte, Leber, Eier, sowie einige Käsesorten und Milchprodukte.
Folat (lat. „folium“ = Blatt) kommt in grünen Pflanzenblättern vor. Doch auch andere Lebensmittel tragen zur Folat-Versorgung bei.
Tabelle: Folatreiche Lebensmittel |
|
---|---|
Lebensmittel-Gruppe | Trägt zur Folat-Versorgung bei |
Gemüse: | Grünkohl, Kohlrabi, Erbsensamen, Petersilienblatt, Pfeilwurz, Feldsalat, Spinat, Brokkoli, Endivien, Porree (Lauch), Rosenkohl, Spargel, Erbsensprossen, Wirsing, Algen und Seetang (roh), getrocknete Zwiebeln, Okra, Römersalat, Blattkohl, Bittermelone (Kürbisart), Artischocken, Taro-Blätter, Chicorée, Rote Rüben, Rucola, Chayote, Kartoffeln, Weinblätter, Wirsing, Chinakohl, Salat, Tomaten, Pastinaken, Pak-Choi, Blumenkohl, Karotten/Möhren, Chili, Süßkartoffeln, Mais |
Kräuter & Gewürze: | Getrocknete Kräuter, wie Basilikum, Rosmarin, Kerbel, Koriander, Majoran, Salbei, Estragon, Thymian, Lorbeer, Petersilie, Dill, Schnittlauch, Safran, Mohn, Gartenkresse, Muskat, Zitronengras, Radicchio, Bockshornkleesamen, Currypulver, Paprika, Knoblauchpulver |
Hülsenfrüche: | Lupinen, Augenbohnen, Mungobohnen, Limabohnen, Kichererbsen, Kichererbsenmehl, Sojabohnen, Edamame-Sojabohnen, weiße Bohnen, Sojamehl, Linsen, Sojasprossen, Erbsen, Urdbohnen, Linsensprossen, Catjangbohnen, Kidneybohnen, Tofu, Hummus, Soja-Soße aus Soja und Weizen |
Obst & Fruchtsäfte: | Sauerkirschen, Erdbeeren, Apfelsinen, Weintrauben, Mago, Avocado, Himbeeren, Honigmelone, Orangensaft |
Getreide-/produkte | Weizenkeime (getrocknet), Weizenkleie, Speisekleie, Roggen (Korn), Knäckebrot, Haferflocken (Vollkorn), Weizen (Korn), Quinoa, Wildreis, Amaranth, Vollkornmehl, Grieß, Maismehl, Naan (indisches Brot), Kartoffelbrot, Fladenbrot, Weizenbrot, Soba (japanische Nudeln aus Buchweizen), Makkaroni (Vollkorn), Spaghetti (Vollkorn), Brot aus Sauerteig, Hafer, Roggenbrot, Vollkornbrot, Dinkel (ungekocht), Weizenmehl (Vollkorn), Buchweizengrütze, Hirsemehl |
Milch, Milchprodukte & Käse | Limburger, Camembert, Brie und Roquefort, Trockenmilchpulver, Buttermilch (getrocknet) |
Fleisch: | Rinderleber, Hühnerleber, Lammleber, Kalbsleber, Hähnchen-Innereien, Rindernieren, Schweineleber, Schweinenieren, Kalbsnieren, Leberkäse, Reh (geräuchert), Hähnchenfüße (gekocht), Lammnieren, Hähnchenherzen, Gans, Wachteln, Gänseleberpastete, Gänseleber |
Fisch & Meerestiere: | Meeresweichtiere, Muscheln, Krebstiere, Krabben, Kaviar (schwarz oder rot) |
Eier: | ganzes Ei, Hühnereigelb, Entenei, Gänseei |
Nüsse & Kerne: | Erdnüsse, Erdnussmehl (entfettet), Erdnussaufstrich (zuckerreduziert), Erdnussbutter, Sonnenblumenkerne, Walnüsse, Haselnüsse, Pistazienkerne, Mandeln, Paranüsse, Kokusnuss, Bucheckern (getrocknet), Kastanien, Ginkgo-Samen, Sesamsamen, Semsambutter, Mandelpaste, Cashew-Nüsse |
Pilze: | Shiitake-Pilze (getrocknet), Enoki |
Sonstiges: | Bierhefe, Bäckerhefe, Protein-Pulver aus Sojabasis, fleischlose Brotaufstriche, Instant-Tee (ungesüßt) |
Grünes Blattgemüse ist besonders reich an Folat. Das ist nicht verwunderlich, schließlich leitet sich der Begriff „Folsäure“ aus dem lateinischen Wort „folium“ ab. Das bedeutet übersetzt „Blatt“ und weist auf das Vorkommen von Folat in grünen Pflanzenblättern hin.
Menschen, die regelmäßig viel Gemüse essen (z.B. Vegetarier und Veganer), haben weniger Probleme damit, ihren Folat-Bedarf zu decken. Auch Hülsenfrüchte, wie Bohnen, Erbsen und Linsen enthalten von Natur aus viel Folat.
Unter den Milchprodukten sind vor allem Weichkäse-Sorten, insbesondere Limburger, Camembert, Brie und Roquefort folatreich. Milch und Milchprodukte, wie Joghurt und Quark enthalten zwar nur geringe Mengen Folat, tragen jedoch aufgrund der verzehrten Mengen ebenfalls zur Folatversorgung bei.
Bei den Getreideprodukten weisen Vollkorngetreide bzw. Vollkornprodukte deutlich höhere Gesamtfolatgehalte auf, als zum Beispiel Produkte aus geschältem Korn oder Weißmehl. Besonders reiche Folatquellen sind Weizenkeime und Weizenkleie.
Von den tierischen Lebensmitteln besitzen Innereien, wie Leber und Nieren, die höchsten Folatgehalte. Da Folat in der Leber gespeichert wird, ist Leber besonders folatreich. Auch Hühnereier sind aufgrund des folatreichen Eigelb gute Lieferanten. Muskelfleich von Rind, Schwein, Geflügel und Lamm enthält niedrigere Gesamtfolatgehalte. Fisch enthält wenig Folat, da sind Meerestiere, wie Muscheln und Krebstiere, bessere Folat-Versorger.
Auch Hefen, wie Backhefe bzw. Bäckerhefe und Bierhefe zählen zu den natürlichen Folsäure-Lieferanten.
Um den Tagesbedarf eines Erwachsenen von täglich 300 μg Folat zu decken, empfiehlt es sich, mindestens drei Portionen Gemüse am Tag zu essen. Zusätzlich sollten Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und gelegentlich Milch, Milchprodukte, Käse, Fleisch (z.B. Leber), Fisch und Eier auf dem Speiseplan stehen.
Geeignete Zubereitungsverfahren, wie kurzes Waschen, kurzes und schonendes Dünsten., sowie der Verzicht auf längere Warmhaltung von Speisen helfen, die Vitaminverluste bei der Speisenzubereitung zu verringern.
Schwanger? Besser auf Leber verzichten!
Auch schwangere und stillende Frauen mit einem erhöhten Tagesbedarf, können die höhere empfohlene Zufuhr durch eine gezielte Auswahl folatreicher Lebensmittel erreichen. Dabei ist zu beachten, dass das BgVV dringend dazu rät, in der Schwangerschaft auf den Genuss von Leber aller Tierarten zu verzichten und beim Verzehr von leberhaltigen Produkten sehr zurückhaltend zu sein.
Der Grund: In der Vergangenheit haben Untersuchungen von Schlachttierlebern stark erhöhte Vitamin-A-Konzentrationen gezeigt. Zwar können akute und chronische Vergiftungen bei üblichem Verzehr ausgeschlossen werden, die Konzentrationen liegen jedoch immer noch in einem Bereich, in dem eine fruchtschädigende Wirkung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
Bereits kleine Mengen Leber können zu einer höheren Vitamin-A-Zufuhr führen, als empfohlen wird. Eine Überdosierung kann womöglich das Ungeborene schädigen. Der Frauenarzt kann entsprechende Tipps geben, wie man den erhöhten Vitaminbedarf am besten deckt. Empfehlenswert sind z.B. Karotten (der Körper wandelt das Beta-Carotin, in Vitamin A um ) oder eine Portion Spinat.
Welche Lebensmittel enthalten am meisten Folsäure. Hier sind die Top 21 Folsäure-Lieferanten:
Liste der 21 folatreichsten Lebensmittel |
|
---|---|
Lebensmittel | Folat in µg je 100 g |
Bäckerhefe, getrocknet | |
Hefeextrakt | |
Bäckerhefe, gepresst | |
Entenleber, roh | |
Gänseleber, roh | |
Putenleber, roh | |
Spargelbohnen, roh | |
Mattenbohnen, roh | |
Catjangbohnen, roh | |
Mungobohnen, roh | |
Adzukibohnen, roh | |
Cranberry-Bohnen, roh | |
Hähnchenleber | |
Kichererbsen, roh | |
Grüne Minze, getrocknet | |
Pintobohnen, roh | |
Great-Northern-Bohnen | |
Linsen, roh | |
Kidbeybohnen, roh | |
Straucherbsen, roh | |
Schwarze Bohnen, roh |
Zum Glück ist die Auswahl an folatreichen Lebensmitteln weitaus größer, als Hefen, Leber und Hülsenfrüchte (siehe Tabelle „Folatreiche Lebensmittel“ oben). Ein vollwertige und vielfältige Lebensmittelauswahl mit reichlich Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Getreideprodukten ist für die Folsäure-Versorgung bereits die halbe Miete!
Sind mit Folsäure angereicherte Lebensmittel sinnvoll?
Neben Lebensmittel, in denen natürlicherweise Folat vorkommen, gibt es auch mit synthetisch hergestellter Folsäure angereicherte Lebensmittel. So werden bereits verschiedene Lebensmittel, wie Frühstückscerealien, Molkereiprodukte, Brotbackmischungen, Salz, Vitaminsäfte, Erfrischungsgetränke und Bonbons mit Folsäure angereichert.
So enthalten beispielsweise Kellogg's Cornflakes satte 166 μg Folsäure je 100 g. Damit wäre der Tagesbedarf von Jugendlichen ab 13 und Erwachsenen bereits um 500 Prozent gedeckt. Eine Portion Jodsalz + Folsäure enthält je Portion (2 g) sogar 200 μg Folsäure. Das entspricht rund 67 Prozent des Tagesbedarfs.
Problem: Bei der wahllosen Anreicherung von Lebensmitteln, wie Cornflakes, Süßwaren oder bestimmten Getränken, profitieren nicht alle Bevölkerungsschichten gleichmäßig von dieser Anreicherung. Die Ernährungsgewohnheiten und die Gründe für eine bestimmte Lebensmittelauswahl sind einfach sehr unterschiedlich.
Eher dazu geeignet, die Folsäureversorgung der Bevölkerung zu verbessern, wäre die gezielte Anreicherung eines Grundnahrungsmittels, das von allen Bevölkerungsschichten in vorhersehbaren Mengen verzehrt wird. Ein obligaotrisches Beispiel für ein solches Grundnahrungsmittel hierzulande wären Mehl oder Backwaren.
Die DGE sieht in der freiwilligen, aber gezielten Anreicherung von Mehl mit Folsäure eine zuverlässigste Möglichkeit, die Folatversorgung in der Bevölkerung zu verbessern und damit die Häufigkeit von Neuralrohrdefekten zu senken. Schließlich gelten Brot und Backwaren in Deutschland als wichtige Grundlebensmittel. Auch ist der Verzehr über die Jahre und Jahreszeiten hinweg relativ stabil.
Als Maßnahme schlägt die DGE eine Anreicherung von „Bäckermehlen“ (Weizenmehl Typ 550 und Dinkelmehl Typ 630) mit 150 µg Folsäure pro 100 g verzehrfertigem Lebensmittel vor. Die Bäckermehle machen in Deutschland etwa zwei Drittel des Mehlverzehrs aus.
Die Mehlanreicherung würde zu einer geschätzten Mehraufnahme an Folsäure von 135 µg pro Tag bei Männern bzw. 106 µg pro Tag bei Frauen beitragen. Der Verbraucher hätte aber trotzdem noch die Wahlfreiheit, auf nicht angereicherte Mehle (z. B. Vollkornmehle) auszuweichen.
Die Anreicherung von Mehl als Grundnahrungmittel ist nicht weit hergeholt. In den USA, Kanada, Chile und Ungarn ist eine eine Supplementierung von Mehl mit Folsäure sogar gesetzlich vorgeschrieben. Mit Erfolg, denn seit der Einführung kam es dort zu einem Rückgang der Häufigkeit von Neuralrohrdefekten. Gleichzeitig war die Mehlanreicherung mit Folsäure hocheffektiv hinsichtlich der Verbesserung der Folatversorgung.
Die ärztlichen Befürwortern einer Folsäure-Anreicherung von Lebensmitteln argumentiert, dass die Anzahl der Schwangerschaften mit Neuralrohrdefekten in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch sei. Ein weiteres Argument von Befürworter der Beimengungspflicht ist, dass der tägliche Folsäurebedarf von 300 μg von zwei Dritteln der Erwachsenen nicht erreicht wird.
Doch es gibt auch Stimmen, die sich gegen eine Beimengungspflicht in Deutschland aussprechen. Dazu zählen u.a die Ernährungsexperten der Verbraucherzentralen, welche in der Pflichtanreicherung von z.B. Mehl mit Folsäure, auch Risiken sehen:
„Die Folgen einer solchen Verpflichtung sind […] nicht klar absehbar, solange es gleichzeitig eine Vielzahl weiterer angereicherter Lebensmittel gibt. Durch eine Kombination der verschiedensten angereicherten Lebensmittel könnte es zu einer Überschreitung der tolerierbaren Höchstmenge an synthetischer Folsäure kommen. Trotzdem würde diese Anreicherung nicht zu einer ausreichenden Versorgung von Frauen mit Kinderwunsch führen.“
Generell ist es nicht notwenig, mit Folsäure angereicherte Lebensmittel zu verzehren. Der tägliche Folsäurebedarf kann auch auf natürlichem Wege mit Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst und Vollkornprodukten gedeckt werden. Überdies steht es jedem frei, im Handel angebotene, mit Folsäure angereicherte, Lebensmittel (z.B. Müsliriegel, Getränke, Milchprodukte und Kochsalz) oder Nahrungsergänzungsmittel zu erwerben.
Selbst ein erhöhter Bedarf von 550 μg bei Schwangeren bzw. 450 μg bei Stillenden kann durch eine gezielte Auswahl von Lebensmitteln mit einem hohen Folatgehalt erreicht werden.
Ein weiteres Argument gegen eine Folsäureanreicherung von Lebensmitteln ist, dass durch eine ungezielte Verwendung solcher Lebensmitteln, eine Folsäurezufuhr oberhalb der tolerierbaren Gesamtzufuhrmenge erreicht werden könnte. Dies könnte unerwünschte gesundheitliche Folgen nach sich ziehen (siehe auch „Kann zu viel Folsäure schaden?“).
Das Max Rubner-Institut (MRI) teilte im März 2012 in einer Pressemitteilung mit, dass im Rahmen eines Forschungsprojektes starke Schwankungen der Folsäure-Mengen in damit angereicherten Multivitaminsäften ermittelt wurden. Der Folsäure-Gehalt liegt kurz nach dem Abfüllen des Saftes im Durchschnitt um 80 Prozent über dem auf der Verpackung angegebenen Gehalt.
Untersucht wurden acht deutschlandweit häufig verkaufte Multivitaminsäfte in Glasflaschen, PET-Flaschen und Kartons. Bereits drei Gläser á 200 ml dieses frisch abgefüllten Saftes reichen, um die tolerierbare Tageshöchstmenge für Folsäure (1.000 μg/ 1mg ) zu überschreiten. Zwar sinkt der Folsäure-Gehalt mit der Zeit, dennoch liegt er nach sechs Monaten Lager immer noch um durchschnittlich 15 Prozent über dem angegebenen Gehalt. Erst nach 12 Monaten wird die enthaltene Folsäure-Menge im Durchschnitt um fünf Prozent unterschritten.
Wer gerne solche Säfte trinkt, solle die empfohlenen Portionsgrößen einhalten (i.d.R. ein Glas pro Tag) und den Saft ggf. etwas länger lagern.
Und was ist mit Nahrunsgergänzungmitteln?
Während sich natürlicherweise folatreiche und mit Folsäure angereicherte Lebensmittel durchaus dazu eignen, die Folatverorgung zu verbessern, trifft dies auf Nahrungsergänzungsmittel nur bedingt zu.
Folsäure-Präparate weisen teilweise hohe Folsäuregehalte auf. Es besteht somit die Gefahr, mit solchen Nahrungsergänzungsmitteln den sicheren oberen Zufuhrwert von 1 mg Folsäure pro Tag zu überschreiten.
Schwangere und Stillende haben zwar die höchsten Anforderungen an die Folatzufuhr, doch auch der erhöhte Bedarf kann über die normale Ernährung und eine gezielte Auswahl an Lebensmitteln mit einem hohen Folatgehalt gedeckt werden. Die empfohlene Folsäuremenge zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten (zusätzlich 400 μg) ist hingegen nur über entsprechend angereicherte Lebensmittel bzw. über Nahrungsergänzungsmittel zu erreichen.
Daher wird Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten empfohlen, zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung 400 µg synthetische Folsäure pro Tag in Form eines Präparats einnehmen. Der Beginn der Einnahme sollte 4 Wochen vor der Konzeptionszeit bzw. vor Beginn der Schwangerschaft erfolgen und bis zum Ende des ersten Drittels der Schwangerschaft fortgesetzt werden.
Auch Personen, die ihre Energiezufuhr mit dem Ziel einer Gewichtsreduktion vermindern oder Personen, die infolge einer Erkrankung einen erhöhten Bedarf an Folsäure haben, sollten auf eine ausreichende Zufuhr an Nahrungsfolat achten. Hierbei kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, die Nahrung durch durch die Zufuhr synthetischer Folsäure (100 bis 200 µg) zu ergänzen.
Dies kann sowohl durch den regelmäßigen Verzehr von mit Folsäure angereicherten Lebensmitteln oder durch ein niedrig dosiertes Nahrungsergänzungsmittel erfolgen. Folsäure-Tabletten sind ohne Verschreibung erhältlich. Grundsätzlich sollten (hochdosierte) Folsäure-Präparate aber nur nach Rücksprache mit einem Arzt erfolgen. Dies gilt insbesondere bei überstandenem Herzinfarkt, bestehenden Krebserkrankungen oder der Einnahme von anderen Arzneimitteln.
Wegen der Gefahr irreversibler neurologischer Störungen ist vor Therapie einer Blutarmut bzw. bei lebensbedrohlicher Blutarmut infolge gestörter Entwicklung der roten Blutkörperchen (Megaloblastenanämie) sicherzustellen, dass diese nicht auf einem Vitamin-B12-Mangel beruht. Die Ursache einer Megaloblastenanämie muss vor Therapiebeginn (durch Sicherstellung von Serum und Erythrozyten-Proben und Bestimmung des Vitamin-B12-Gehaltes) abgeklärt werden.
Nach sehr hohen Folsäure-Dosierungen können als Nebenwirkungen in seltenen Fällen Schlafstörungen, Erregung oder Depressionen und Magen-Darm-Störungen auftreten.
Kann zu viel Folsäure schaden?
Die Unterversorgung mit Folat ist zwar problematisch, doch auch eine Überversorgung mit Folsäure kann kritisch werden. Doch im Gegensatz zu einer hohen Zufuhr von natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommenden Folaten, kann eine zu hohe Zufuhr von Folsäure aus angereicherten Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmittel zu unerwünschten Wirkungen führen.
Die größte Nebenwirkung besteht darin, dass der durch Folsäure hervorgerufene Anstieg der jungen roten Blutkörperchen (Retikulozyten( die Symptome eines Vitamin-B12-Mangels maskieren bzw. überdecken kann. Das kann vor allem bei älteren Menschen, die Vitamin B12 aus der Nahrung nicht gut aufnehmen können, zu Veränderungen im Nervensystem und zu permanenten Nervenschädigungen führen.
Bei einer Megaloblastenanämie (gestörte Entwicklung der roten Blutkörperchen), die auf einem Vitamin-B12-Mangel beruht, kann es durch die Einnahme von Folsäure zu irreversiblen neurologischen Schädigungen kommen.
Die EFSA gibt daher für Erwachsene eine tolerierbare Gesamtzufuhr von 1.000 µg / 1 mg synthetischer Folsäure pro Tag an. Dieselbe Höchstmenge gilt für Schwangere und Stillende. Für Kinder und Jugendliche im Alter von 1 bis 17 Jahren gelten folgende tolerierbare Gesamtzufuhrmengen:
- 1 bis 3 Jahre: 200 µg
- 4 bis 6 Jahre: 300 µg
- 7 bis 10 Jahre: 400 µg
- 11 bis 14 Jahre: 600 µg
- 15 bis 17 Jahre: 800 µg
Aus einer zu großen Aufnahme von natürlichen Folaten sind bislang keine Gefährdungen bekannt. Daher gibt es auch keine empfohlene Höchstmenge für Folate aus der Nahrung. Ohnehin ist eine Überdosierung allein durch eine normale Nahrungszusammenstellung kaum möglich.
Für synthetische Folsäure steht eine vollständige systematische Untersuchung noch aus. Obwohl es keine systhematischen, toxikologischen Studien zur Folsäure gibt, hat der Wissenschaftlichen Lebensmittelausschuss Grenzen für die Folsäure-Zufuhr gesetzt.
Das Lowest Observed Adverse Effect Level (LOAEL), d.h. die niedrigste Dosis, bei der bei sensitiven Personen noch Schädigungen beobachtet wurden, beträgt 5 mg. Bei einer Folsäure-Dosis bis zu 1 mg ist eine Maskierung der hämatologischen Symptome bei einer perniziösen Anemie hingegen unwahrscheinlich. Daher wurde das Tolerable Upper Intake Level (kurz UL) für die Aufnahme von Folsäure auf 1 mg/Tag festgelegt.
Das „UL“ bezeichnet in diesem Zusammenhang die maximale langfristige Gesamtzufuhr von Folsäure, die auch für sensitive Personen einer gesunden Bevölkerungsgruppe kein Risiko für die Entwicklung von Gesundheitsbeeinträchtigungen beinhaltet. „Tolerable“ bedeutet, dass dieser Zufuhrwert mit einer hohen Wahrscheinlichkeit aus biologischer Sicht toleriert werden kann.
Das Risiko, durch die Supplementiertung mit Folsäure, neurologische Symptome eines Vitamin-B12-Mangels zu überdecken bzw. zu verschlimmern, kann nicht ausgeschlossen werden. Daher sollte die regelmäßige Zufuhrmenge von synthetischer Folsäure (aus angereicherten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln) aus Sicherheitsgründen die empfohlenen Höchstmenge von 1 mg nicht überschreiten.
Eine Überdosierung von Folsäure äußert sich nach chronischer Gabe sehr hoher Dosen (über 15 mg Folsäure pro Tag länger als 4 Wochen). Bei langfristiger Einnahme solch hoher Dosen können Symptome, wie bitterer Geschmack, Appetitlosigkeit, Nausea, Flatulenz, Albträume, Erregung und Depressionen auftreten.
Bei Patienten mit Anfallsleiden kann bei größeren Mengen von Folsäure die Häufigkeit und Stärke epileptischer Anfälle zunehmen. Folsäure-Präparate können die Blutspiegel von Mitteln gegen Anfallsleiden (Antikonvulsiva, z. B. Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) senken und
dadurch unter Umständen die Krampfbereitschaft erhöhen. In diesen Fällen sollte man sich mit dem Arzt in Verbindung setzen.
Weitere diskutierte Risiken einer (zu) hohen Folsäureaufnahme sind die Anzahl von Mehrlingsschwangerschaften bzw. Zwillingsgeburten, das Wachstum von Krebsvorstufen (z.B. im Dickdarm), die Beeinträchtigung der Immunabwehr und die Erhöhung des Herzinfarktrisikos bei Herzpatienten.
Die Einnahme von hochdosierten Folsäure-Präparaten sollte daher stets mit dem Arzt abgesprochen werden. Solche Nahrungsergänzungsmittel sind nur zu Behandlung von Folsäuremangelzuständen, die diätetisch nicht behoben werden können. Eine präventive Selbsttherapie kann auch schnell nach hinten losgehen.
Eine Zufuhr von mehr als 1.000 µg Folsäure täglich hat ohnehin keinen zusätzlichen gesundheitlichen Effekt. Sie führt lediglich zu einem Kreislauf von nicht umsetzbarer Folsäure im Körper. Die überschüssige Folsäure wird zum Großteil unverändert wieder ausgeschieden. Werden also ohne stichhaltigen Grund größere Mengen Folsäure eingenommen, erzeugt das nur eines: teuren Urin.
Fazit
Folsäure ist ein essentielles B-Vitamin und für die Gesundheit unverzichtbar. Man unterscheidet zwischen dem natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommendem Folat und synthetisch hergestellter Folsäure.
Der tägliche Bedarf liegt bei Jugendlichen ab 13 Jahren und Erwachsenen bei 300 µg (Mikrogramm) Folat-Äquivalenten pro Tag. 1 µg Folat-Äquivalent entspricht 1 µg Nahrungsfolat oder 0,5 µg Folsäure. Dieser Bedarf kann über eine ausgewogene und vielseitige Ernährung erreicht werden. Besonders viel Folat enthalten grüne Blattgemüse, Hülsenfrüchte und Leber.
Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf an Folat. Sie können ergänzend zu einer gezielten Auswahl von Natur aus folatreicher Lebensmittel auch auf mit synthetischer Folsäure angereicherte Lebensmittel zurückgreifen. Frauen mit Kinderwunsch und Frauen im ersten Schwangerschaftsdrittel wird zur Vorbeugung von Neuralrohrdefekten die zusätzliche Einnahme von 400 µg Folsäure pro Tag über Nahrungsergänzungsmittel empfohlen.
Ein Folat-Mangel in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für angeborene Fehlbildungen bzw. Neuralrohrdefekte, die das Gehirn und/oder das Rückenmark des Kindes betreffen. Da bei einer unzureichenden Folatzufuhr die Zellteilungs- und Wachstumsprozesse gestört sind, kann es auch zu einer Blutarmut und Veränderungen der Schleimhäute kommen.
Der regelmäßige Verzehr von Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Vollkorngetreide-Produkten, Weizenkeimen, Kartoffeln, Nüssen und gelegentlich auch Fleisch, Fisch, Eiern und Milchprodukten kann helfen, einem Folat-Mangel vorzubeugen.
Eine hohe Zufuhr von natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommenden Folaten ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht schädlich. Die Einnahme von hochdosierten Folsäure-Präparaten kann unerwünschte Nebenwirkungen haben und sollte idealerweise mit dem Arzt abgesprochen werden.
Schreibe einen Kommentar